Die Entzauberung neoliberaler Propaganda und Desinformation

Seite 3: III Fazit

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So korrekt Rainer Zitelmanns Ausführungen zu maoistischen Neigungen früherer Intellektueller evtl. auch sein mögen, so verfehlt sind dessen Darstellungen zu den Themenkomplexen Kapitalismus und Neoliberalismus, welcher sachlich falsch als "Liberalismus" vernebelt wird. Herr Zitelmann mag sich womöglich in der [vermeintlichen] Rolle des Außenseiters gefallen. In dessen Äußerungen zur Wirtschaft ist dies schwerlich erkennbar: seine Verlautbarungen unterscheiden sich in nichts von neoliberalem [Propaganda-]Mainstream. Alternative Außenseiterpositionen sehen anders aus. Ganz anders: siehe z.B. Heiner Flassbeck, Heinz-Josef Bontrup, Dirk Ehnts, Michael Hartmann und Ulrike Herrmann.

Das Unterbleiben dieser viel treffenderen Kritik seitens "linker Kommentatoren" dürfte dem traurigen Umstand geschuldet sein, dass die allermeisten "Linken" von Neoliberalismus zu wenig bis gar keine Ahnung haben. Der wahre Feind heißt nämlich - unbenommen W. Buffets Klarstellung (s.u.) - nicht Kapitalismus, sondern Neoliberalismus. Dies aber passt nicht in eine verknöcherte ideologische Dogmatik und deren linke Anhängerschaft. Marx selbst dürfte, wenn er heute leben würde, dies wohl genauso sehen. Nahezu allen Kapitalismuskritikern mangelt es schon an dem fundamentalen Verständnis, dass die meisten der mannigfaltigen Missstände, welche jene zu Recht kritisieren und verurteilen, nicht dem Prozess Kapitalismus, sondern dessen ideologischer Fehlsteuerung Neoliberalismus geschuldet sind. Aus diesem Grund sind auf absehbare Zeit von dieser Seite keine konstruktiven Impulse zu erwarten, welche die Gesellschaft zumindest in Ihrer Erkenntnis des systemischen Krieges voranbringt.

Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen

Warren Buffet, erfolgreichster Investor aller Zeiten, drittreichster Mann der Welt auf die Frage "Was ist der zentrale Konflikt unserer Zeit"?

Wenn Plündern für eine Gruppe in der Gesellschaft zur Lebensart wird, schaffen sie im Laufe der Zeit ein Rechtssystem, welches dies legalisiert, und einen Moralkodex, der es glorifiziert.

Frederic Bastiat (1801-1850), französischer Ökonom und Politiker

Zu letztem Zitat:

A) Die sog. "Freihadelsabkommen", wo private Unternehmen den Staat wegen demokratisch beschlossener Gesetze aufgrund eines Sonderklagerechts auf einen vermeintlichen Gewinn verklagen können, stellt das Paradebeispiel schlechthin für die Plünderung durch ein "[Sonder-]Rechtsystem" dar.

B) Der "Moralkodex" unser Zeit (in Politik und Wirtschaft) heißt "Neoliberalismus" - auch wenn dieser zutiefst amoralisch ist. Letzteres ficht Neoliberale aber erneut nicht an, weil sie entweder eine gesunde Moral als Referenzsystem ablehnen oder selbst einer völlig kaputten und kranken "Moral" nach dem Motto "Amoral ist die neue Moral" anhängen.

C) Neoliberalismus ist nur ein Instrument der Superrreichen und Geldmächtigen, um die tatsächlich indentierte Umverteilung von arm nach reich unter einem pseudowissenschaftlichen [Welt/Wirtschafts-]Modell bzw. Mäntelchen zu verbergen. Bei Bedarf, d.h., wenn diese präferierte Ideologie das eigene wahre Ansinnen konterkariert, besteht aber letztlich auch kein Problem, davon Abstand zu nehmen (siehe Bankenrettung).

3.1 Nachwort

In einer höchst brisanten Zeit, wo ein "weiter so" neoliberalen Wahnsinns die gesamte EU incl. Deutschland in allerschwerste Krisen treibt, ist das Allerletzte, was benötigt wird, dass gewisse Protagonisten weiter neoliberalen Apologeten und deren Parolen das Wort reden.

Sofern es nicht gelingt, die hier ausgeführte Kritik vollständig und belastbar zu widerlegen (was allein aufgrund der Verweise auf diverse Fakten extrem schwer werden dürfte), so wird die Zukunft bzw. die seitens Herrn Zitelmann erhoffte Erwiderung zeigen, wie viel von dessen hehrem Ansatz "entscheidend wichtig lebenslanges Lernen ... Und Lernen heißt dabei nichts anderes, als offen und bereit dafür zu sein, bisherige Meinungen und Einstellungen zu korrigieren.", der an sich völlig korrekt ist und vom Autor dieser Zeilen geteilt wird, im Lichte der Wahrheit übrig bleibt. Oder ist Ihnen, Herr Zitelmann, diese Kritik viel zu fundiert und gut belegt, als dass Sie sich darauf einlassen, sodass Sie lieber die Flucht in die Ignoranz wählen?

Die Zeit für "change your mind on some big idea" ist gekommen, Herr Zitelmann. Jetzt! Jede bisherige Erfahrung mit Neoliberalen allerdings hat gezeigt, dass keine dieser Figuren bereit war, Abstand von seiner zerstörerischen Ideologie zu nehmen - egal wie sehr zuvor hehre Ziele von Lernbereitschaft und geistiger Offenheit propagiert wurden. Es sind schwerste Vorbehalte angezeigt, ob Herr Zitelmann hier die löbliche Ausnahme bilden wird.

In sofern gelte es den Buchtitel "Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung" um folgende Zusatzbemerkung zu ergänzen: - vorausgesetzt, er wird hinreichend kompetent im Sinne der Gesellschaft geregelt. Ein neoliberal fehlgesteuerter Kapitalismus IST sehr wohl ein Problem. Ein derart gewaltiges, welches geeignet ist, die Welt in den Abgrund zu stürzen.

Oder besser und prägnanter: Neoliberalismus ist nicht die Lösung, sondern das Problem.

Der Autor ist Dipl-Ing. Maschinenbau, Jahrgang 64