Die Fürsten des IV.Weltkriegs
US-Think Tanks und das Netzwerk der Neokonservativen, Teil 1
"Die meisten Stiftungen", sprach Roger Hertog, der reiche, konservative Mäzen und neue Miteigner des politischen Magazins The New Republic vor einer Handvoll ranghoher Repräsentanten amerikanischer Think Tanks, "geben ihr Geld für Backsteine und Mörtel aus. Für Museen, Hospitäler, Konzerthallen und Universitäten". Das sei alles sehr fein und gut , aber die anwesenden Vertreter von der Heritage Foundation, dem Cato Institute, dem Manhattan Institute und dem American Enterprise Institute hätten etwas sehr viel weiter Reichendes vollbracht: Sie hätten es geschafft, den Kurs der amerikanischen Politik radikal zu verändern. Und: Alle zusammen würden "nur" 70 Millionen Dollar im Jahr kosten. "Man erreicht eine ziemliche Hebelwirkung für seine Dollars", versicherte Hertog der erlesenen Runde; die Herren von den Ideen-Instituten lächelten zustimmend
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Es ist das leise Lächeln der Sieger, das dem einzigen "Quotenliberalen", dem Abgesandten der Zeitschrift The American Prospect, bei diesem Treffen in den klimatisierten Räumen des New Yorker Nobel-Hotels "Pierre" samten entgegen strahlte. Im Sommer letzten Jahres traf sich dort eine handverlesene Schar von konservativen "good men", um vor dem Diner über "Mäzenatentum (Philanthrophy), Think Tanks und die Wichtigkeit von Ideen" zu räsonieren. Was als Diskussionsveranstaltung konzipiert war, liest sich im Report des beiwohnenden Journalisten als eine zwar verhaltene, aber selbstgewisse Zur-Schau-Stellung eines geistig-moralisch-strategischen Total-Triumphes: der Sieg der Konservativen im nationalen Kampf der Ideen. Solche Kämpfe, so Ed Crane, der Chef des Cato Institutes, bräuchten zwei oder drei Dekaden Zeit. Sein Institut habe seit 1979 in der "Wildnis" für die Privatisierung der sozialen Sicherheit gefochten, bevor man mächtig genug gewesen sei, um sich die Bundesrichter der Bush-Administration zu "pflücken".
Tausend strahlende Lichtpunkte
Seit 70er Jahren kämpft die konservative Bewegung Amerikas - man hat sich geschickt den Dynamik verheißenden Begriff des "movements" von den Linken der 60er Jahre entlehnt und neu besetzt - für eine Wiederbelebung der Moral ("remoralisation") gegen "falsche Modernität", so der auf den Begriff gebrachte Befund einer nationalen Krankheit, die nach konservativer Lesart Amerika nach Vietnam und vor allem unter Clinton's Präsidentschaft befallen hat. Unter "falscher Modernität" wird ein munteres Durcheinander an verschiedensten Symptomen rubriziert: Hedonismus, radikaler Individualismus, sexuelle Libertinage (sprich Homosexualität, Pornographie u.a.), Abtreibung, Wohlfahrtsstaat, Antitrust-Gesetze, das postmoderne "Fun-House" (Cultural Studies) an den Universitäten, überzogene Minderheitenrechte, übertriebener Umweltschutz und und und...
Die Bezeichnung "neokonservativ" weist, wie oft beteuert wird, darauf hin, dass viele dieser Bewegung früher im anderen politischen Lage angesiedelt waren. Wie z.B. Donald Kagan, ein Yale-Historiker und Vater einer der Leuchtfiguren der neokonservativen Intelligenzia, Robert Kagan ("Europäer bewohnen den Planeten Venus; Amerikaner den Planeten Mars" siehe Eurasische Gegenmacht). Kagan Senior schwur in den siebziger Jahren den linksliberalen Ideen ab und konvertierte zum überzeugten Konservativen. Eine ähnliche Bekehrung erzählt man sich u.a. auch von Paul Wolfowitz.
Ob nachträglich gestrickte Legende - ein geschicktes narratives Manöver, das nahelegen soll, dass man bestimmte schlechte Denkgewohnheiten überwunden hat und weiter gekommen ist, ergo progressiver ist als die "Progressiven" ? - oder faktische Wahrheit, wie auch immer die individuellen Vorgeschichten aussehen, wahr ist jedenfalls, dass die Neocons derzeit mit ihren Konzepten die intellektuellen Debatten in den USA bestimmen. Die Linke hat dem momentan wenig entgegenzusetzen.
Seit Jahren treten die "good men", ein Lieblingsausdruck George W.Bush (siehe Peggy Noonan) bei der Ernennung Gesinnungstreuer für Regierungsjobs (das politische Urbild aller Good Men ist natürlich Ronald Reagan), in Talkshows (siehe Vergib niemals die Chance auf Sex oder einen Fernsehauftritt!) zur besten Zeit auf, schreiben unzählige Kommentare in der Washington Post, in der New York Post, im Wall Street Journal, im Hausblatt des Pentagon, dem Weekly Standard; vor allem aber bekleiden sie gegenwärtig Schlüsselposten in der US-Administration, um die großen politischen Strategien, die sie über viele Jahre im American Enterprise Institut (AEI), im Project for the New American Century (PNAC), in der RAND Corporation, um nur die bekanntesten Denk-Tanks zu nennen, vorbereitet haben, in Realpolitik umzusetzen.
Die Vormacht der Konservativen sei die "Kulmination einer 25jährigen strategischen Allianz aus Business, ideologischem Konservatismus, anwaltschaftlicher Forschung und der Republikanischen Partei", so das Fazit des Journalisten Robert Kuttner aus der oben beschriebenen Diskussionsrunde.
Nicht nur der linksliberale Kuttner oder Jim Lobe (siehe US-Präsident Bush zwischen den konservativen politischen Lagern), die beide einer größeren Öffentlichkeit wenig bekannt sein dürften, unterstellen dem Maschenwerk aus neokonservativen Think Tanks, Stiftungen, Wirtschaft und der Republikanischen Partei einen immens großen Einfluss auf die gegenwärtige amerikanische Politik - eine Ansicht, die seitens der Neokonservativen schnell mit dem Vorwurf einer obskuren Verschwörungstheorie gekontert wird; auch die Medizinnobelpreisträgerin Helen Caldicott spricht von 32 Mitgliedern der Bush-Administration, die dem militärisch-industriellem Komplex angehören, aus dem, wie im Falle Lookheed-Martin, z.B. den Panzerdenkern der Heritage Foundation reichlich finanzielle Unterstützung zufließt.
Der Economist, das Organ des "extremen Zentrums" (Selbstbeschreibung), adelt die neokonservativen Ideologen in den Think Tanks als "Grand Strategists", die einen großen Plan zur Transformation des gesamten Mittleren Ostens verfolgen und umsetzen können. Die Brainiacs, schwärmt der Economist, sollen sogar ein Konzept für den freien Handel im Weltraum bereithalten.
Selbst in der liberalen israelischen Zeitung Ha'aretz, die vom Verdacht, Verschwörungstheorien zu produzieren, soweit entfernt ist wie George W. Bush von einer Mitgliedschaft in der muslimischen Bruderschaft, schreibt Ari Shavit ("White Man's Burden") von 25 neokonservativen Intellektuellen, die Präsident Bush dazu gebracht haben, die Geschichte zu verändern:
Der Irakkrieg war eine Marketingangelegenheit der Neokonservativen. Diese Leute hatten eine Idee zu verkaufen, als der 11.September passierte, und sie verkauften sie. Also, dies war nicht der Krieg, den die Masse wollte. Dies ist der Krieg einer Elite. (Lachend:) Ich könnte Ihnen die Namen von 25 Leuten nennen, jeder von ihnen befindet sich zum Zeitpunkt dieses Interviews innerhalb eines Radius von fünf Blöcken von diesem Büro (in Washington, Anm.d. A.), wenn man sie vor anderthalb Jahren auf eine abgelegene Insel geschickt hätte, hätte der Irakkrieg nicht stattgefunden (Lacht wieder) Natürlich ist es nicht ganz so einfach.
Thomas L. Friedman, Kolumnist der NewYork Times im Interview mit Ari Shavit
Die Welt ist ein gefährlicher Ort
Die Welt ist ein gefährlicher Ort. Deshalb suchten die Amerikaner nach einer Doktrin, die sie dazu befähigen würde, mit dieser gefährlichen Welt zurecht zu kommen. Und die einzige Doktrin, die sie fanden, war die neokonservative
William Kristol, Herausgeber des "Weekly Standard" im Interview mit Ari Shavit
Den tonangebenden Neokonservativen sagt man nach, dass sie nicht weit in der Welt herum kommen, auf den Karten des Nahen und Mittleren Ostens schon, aber nicht wirklich; auch der, der sie in echt sehen will, heißt es, muss nicht weit nach den Meisterdenkern fahnden; es genügt, sich in der Washingtoner K-Street umzusehen, früh aufzustehen und an einem "Black Coffee"- Briefing des American Enterprise Institute teilzunehmen.
Dort, so berichtet die BBC kann man bei einem üppigen Frühstück, Lichtgestalten wie Richard Perle, "the Überhawk", James Woolsey (Ex-CIA-Chef, jetzt für einen Posten in der Nachkriegsverwaltung des Irak vorgeschlagen) und Michael Leeden (National Security Berater unter Reagan) dabei zuhören, wie die derzeitige politische Großwetterlage panzerdenkerisch interpretiert wird. Während man in den zeitlosen Winkeln der deutschen Friedensbewegung noch am Zopf des dritten Weltkriegs strickt, ist man im AEI schon längst bei WorldWar IV. Woolsey ist ein notorischer und lautstarker Gläubiger und Verfechter des WorldWarIV- Bekenntnisses; seine Ausführungen; zum vierten Weltkrieg hören sich stellenweise an wie Wahngesichte eines religiösen Fanatikers:
Zum vierten Mal innerhalb von 100 Jahren sind wir erweckt worden und dieses Land ist auf dem Weg..
Geistiger Urheber dieser historischen Kategorie ist Elliot Cohen, Professor an der John Hopkins School of Advanced International Studies in Washington, AEI -Fellow und Mitglied des Defence Policy Boards, Berater des Verteidigungsministers Rumsfeld in Fragen der "großen Strategie". Mit "World War IV.Let's call this conflict what it is." überschrieb Cohen im November 2001 einen Kommentar der für großes Aufsehen sorgte - und nicht nur den Konflikt akkurat bezeichnen sollte, sondern auch den Feind:
Der Feind in diesem Krieg ist nicht der "Terrorismus"....sondern der militante Islam. Der Feind hat eine Ideologie, und eine Stunde Surfen im Internet wird dem durchschnittlichen Bürger zumindest die Art von Einsicht geben, die er während der Weltkriege II oder III bei der Lektüre von "Mein Kampf" oder den Schriften von Lenin, Stalin oder Mao gewonnen hätte.
Zu Cohens intellektuellen Freunden, so die Washington Post, zählen "Prince of Darkness (Sunday Herald) " Richard Perle, Thomas Donnelly, Michael Ledeen, James Woolsey (alle Mitglieder von AEI), Daniel Pipes Neue Aufgabe für den "führenden Islamophobiker", Paul Wolfowitz und William Kristol (Weekly Standart Herausgeber) - Mitglieder eines anderen berüchtigten neokonservativen Think Tanks: des "Project for the New American Century" (PNAC). Sie alle finden Gehör bei Donald Rumsfeld (Gründungsmitglied des PNAC) und Vize-Präsident Cheney (AEI, wie seine Ehefrau Lynne). Elliot Cohen's Buch "Supreme Command: Soldiers, Statesmen and Leadership in Wartime" war die letztjährige Sommerlektüre von George W.Bush.
Nicht alle Denk-Tankers konstatieren mit gleicher Akkuratesse und Emphase wie Cohen und Woolsey den 4.Weltkrieg. Dennis K. McBride vom Potomac Institute for Policy Studies spricht in seiner Studie über den BioCyberTerrorism etwas vorsichtiger von einem "möglicherweise gerade entstehendem WW IV", der sich entwickeln könnte, wenn " ein komplexes adaptives System, wie etwa der ideologisch getriebene Hass, versucht ein anderes System, wie die wirtschaftliche Ordnung, durch das Verbreiten designter unheilbarer Krankheiten zu zerstören. (Vom Reporter der Washington Post auf SARS angesprochen meint McBride: "Man kann nicht ausschließen, dass dies eine Waffe ist". Er selbst glaube aber nicht daran).
Aber alle guten Männer aus dem "Milieu juste" in Washington sind sich in einem sicher: Amerika hat den dritten Weltkrieg (den kalten Krieg) gewonnen. Und es wird auch den vierten gewinnen. Auch wenn er einige Dekaden (J. Woolsey) dauert.