Die Geister, die er rief ...
Abmahnrapper "Bushido" wegen Urheberrechtsverletzung verurteilt
Es gibt zahlreiche Anhaltspunkte, die dafür sprechen, dass die in den letzten Jahrzehnten immer stärker ausgeweitetem Immaterialgüterrechte Schöpfungen eher behindern als fördern. Von daher wäre ein Urteil, das die Vernichtung von Tonträgern anordnet und deren Verkauf verbietet, nicht unbedingt ein Vorgang, der in Internetforen fast einhellig bejubelt wird.
Allerdings weist der Fall, über den das Landgericht Hamburg nun entschied, eine entscheidende Besonderheit auf: Der Verurteilte ist nämlich der berüchtigte Abmahnrapper Anis Ferchichi alias "Bushido", der sich durch seine Forderungen an Filesharer, seine Texte, und seine Äußerungen gegen Schwule oder andere "Opfer" nicht nur den Zorn breiter Bevölkerungsschichten, sondern auch Kosenamen wie "tollwütiger Monchichi" zuzog.
Der von der CSU mündlich mit dem Schreiben einer neuen Parteihymne beauftragte 31Jährige hatte nämlich für beachtliche 13 seiner Stücke Melodien und Klänge der französischen Gothic-Band Dark Sanctuary verwendet, diese teilweise etwas schneller abgespielt und neu zusammengesetzt. Dass hinter den Urheberrechtsverletzungen möglicherweise weniger ein Glaube an eine klangästhetische Notwendigkeit steckte, als bloßes Geschäftskalkül, darauf deuten nicht nur die darübergelegten Texte des Rappers hin, sondern auch Interviewäußerungen, in denen er sinngemäß meinte, wenn er beispielsweise eine Uhr bräuchte, dann nehme er sich die einfach von irgendjemanden. Das sei zwar nicht ganz korrekt, aber er hätte danach eine Uhr.
Alleine auf seiner Platin-CD "Von der Skyline zum Bordstein zurück" sampelte Ferchichi acht "urheberrechtlich geschützte Tonfolgen" der Band ohne Genehmigung. Betroffen sind neben dem Titelstück dieses Albums auch "Janine", "Bloodsport" und "Sex in the City". Insgesamt dürfen wegen der Urheberrechtsverletzungen 11 Tonträger nicht mehr verkauft werden, darunter durchaus profitträchtige Massenware wie die Sampler "The Dome Vol. 41" und "Bravo Hits 56". Dieses Verkaufsverbot wird den Gangsterrapper, der schon seit Jahren weniger Aufsehen mit seiner Musik als mit seinen Abmahnungen und anderen Aktivitäten erregte, eventuell wenig jucken. Anders läge der Fall vielleicht, wenn er die Stücke zukünftig nicht mehr in Filesharingsystemen beobachten und Geld für deren Tausch verlangen dürfte. Doch ob sich das noch nicht rechtskräftige Urteil auch darauf erstreckt, ist fraglich.
Auch die vom Gericht verhängte "Billigkeitsentschädigung" in Höhe von 63.000 Euro kann der Berliner wahrscheinlich aus der Portokasse zahlen. Allerdings soll diese nur den "immateriellen Schaden" abdecken, den Dark Sanctuary dadurch erlitten, dass die von ihnen erzeugten Klänge in einen Kontext gesetzt wurden, mit dem sie nichts zu tun haben wollen. Zur Ermittlung der materiellen Schadenersatzsumme muss "Bushido" nun Einkünfte offenlegen. Interessant könnte an diesen Angaben sein, wieviel der Rapper aus Abmahnungen eingenommen hat und in welchem Verhältnis die Einnahmen daraus zu denen aus verkauften Tonträgern stehen.
Orientiert sich der nach dieser Offenlegung festgesetzte materielle Schadensersatz an den von Bushido selbst verlangten Forderungen in Höhe von mehreren Hundert Euro pro Stück, dann dürften bei Auflagen von 200.000 Stück für ein Album wie "Von der Skyline zum Bordstein zurück" schnell Summen zustande kommen, mit denen man eine kleinere Bank retten könnte: 200.000 verkaufte Alben mal 8 Stücke mal 200 Euro Schadensersatz pro verbreitetem Song ergibt nämlich bereits die stolze Summe von 320 Millionen Euro, bei der noch gar nicht mit eingerechnet ist, dass ja nicht nur ein Album, sondern insgesamt 11 Tonträger von den Urheberrechtsverletzungen betroffen sind. Orientiert sich das Gericht dagegen nicht an diesen Summen, dann müsste man sich fragen, warum die Maßstäbe zwar für die Abmahnopfer des Gangsterrappers gelten - nicht aber für ihn selbst.