Die Gipfelstürmer des BKA
Mailpanne lässt Staatsschützer auffliegen
"Just because you're paranoid, don't mean they're not after you", formulierte einst die Band Nirvana. Gerade in politisch linken Webforen und Mailinglisten schlägt die Furcht vor staatlich bezahlten Spitzeln immer wieder hohe Wellen. Dass diese Sorge nicht ganz unbegründet ist, zeigt eine kleine Panne.
Es war vermutlich eine Spamwelle, die die Emailserver der Bundesregierung lahmlegte. Über eine halbe Million Mails verstopften die zentralen Mail-Rechner des Informationsverbundes Berlin-Bonn. Die Folge. Mitarbeiter der Regierung und verschiedener Bundesbehörden waren mehrere Tage nicht per Email zu erreichen. Auch für die Server von GMX nicht.
So kam es, dass Oliver Barthel, der Betreiber des Informationsportals linkeseite.de eine Fehlermeldung bekam, dass sein Newsletter nicht an das Bundeskriminalamt zugestellt werden konnte. Allein: er hatte keine Mail an das Amt geschickt.
- From MAILER-DAEMON Mon May 24 05:16:03 2004
Received: (qmail 24887 invoked for bounce); 24 May 2004 05:16:03
- -0000
Date: 24 May 2004 05:16:03 -0000
From: MAILER-DAEMON@mx0.gmx.net
To: bounce=webmaster#alinkeseite.de=89=13bf=gipfelsturm11@gmx.net
Subject: failure notice
Hi. This is the qmail-send program at mx0.gmx.net.
I'm afraid I wasn't able to deliver your message to the following addresses. This is a permanent error; I've given up. Sorry it didn't work out.
: Connected_to_194.95.177.123_but_sender_was_rejected./Remote_host_said:
_553_Wrong_mailbox_syntax_(bounce=webmaster#alinkeseite.de=89=13bf=gipfelsturm11@gmx.net
X-GMX-Antivirus: -1 (not scanned, may not use virus scanner)
X-GMX-Antispam: -2 (not scanned, spam filter disabled)
X-Resent-By: Forwarder
X-Resent-For: gipfelsturm11@gmx.net
X-Resent-To: ST11ISAGipfel@bka.bund.de
Die Fehlermeldung zeigt: Es existierte ein GMX-Account mit der Mailadresse gipfelsturm11@gmx.net. Über die Weiterleitungsfunktion des Mailanbieters wurden die Nachrichten offenbar sofort an einen BKA-Account weitergesendet. Doch wegen der Störung auf den bundeseigenen Servern war dies nicht möglich und GMX benachrichtigte den Absender der Mail.
Wer genau hinter der Adresse steckt, ist unklar. Die Mailadresse bietet aber reichlich Platz für Spekulationen. ST kann man mit dem Organigramm des BKA der Abteilung "Polizeilicher Staatsschutz" zuordnen.
Aus Wiesbaden kommt nur beredtes Schweigen: Es sei die Aufgabe des BKA, Informationen zu sammeln. Wie und warum das geschehe, können oder wollen die Beamten aber nicht erklären. Warum offenbar eine Tarnadresse eingerichtet wurde, wollte das Amt nicht erklären. Kreative Spamvermeidung oder gar ein links angehauchter Beamter sind zumindest unwahrscheinlich.
Oliver Barthel kann die Verschleierung der Identität der Ermittlungsbeamten nicht ganz nachvollziehen - schließlich wurde auf der Liste nur jeweils eine Übersicht der aktuellen Artikel gepostet. Da es sich allerdings um öffentlich völlig frei zugängliche Informationen handelte, kann man davon ausgehen, dass die Beamten aus purer Gewohnheit auf eine vermeintlich anonyme Adresse zurückgriffen, die irgendwie szenekompatibel klingen sollte: "Gipfelsturm11" - das klingt jung, frech und irgendwie anarchisch.
Seit 28. Januar stand die Mailadresse auf dem Verteiler von linkeseite.de, kurz nach der Enthüllung wurde die Adresse offenbar bei GMX gelöscht. Noch ist nicht klar, ob die Mailadresse noch für andere Zwecke diente. Barthel geht aber davon aus, dass es sich nicht um die einzige Weiterleitung handelt: "Ob weitere Abonnenten staatlicher oder halbstaatlicher Organe eingetragen sind, vermag ich so nicht festzustellen, vermuten aber schon." Falls sich die Behörden mit ihren eigenen Adressen anmelden würden, würde er sie auch gerne beliefern - schließlich handelt es sich um frei zugängliche Informationen.