Die Globalisierung der Medikamentenversorgung
Um bei den Rabattverhandlungen mit den Kassen eine gute Ausgangsposition zu finden, wurde die Produktion von Arzneimittel und ihren Grundstoffen vielfach ausgelagert, was sich jetzt rächen könnte
Nicht zuletzt aus Kostengründen wurde inzwischen ein beträchtlicher Teil der pharmazeutischen Produktion in Länder außerhalb der EU ausgelagert. Früher war Deutschland als die Apotheke der Welt bekannt und stolz auf seine forschende pharmazeutische Industrie. Mit der Forschung begründete man die im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedsländern durchaus höheren Medikamentenpreise. Klammheimlich wurde jedoch die Fertigungstiefe in den letzten Jahren deutlich reduziert.
Wo früher beispielsweise noch Tabletten produziert wurden, wird heute nur noch geblistert und die Beipackzettel entworfen, der securPharm-Code aufgedruckt. An der Koordination mit den entsprechenden Systemen der anderen EU-Mitgliedsstaaten wird noch gearbeitet. Welche Auswirkungen die national unterschiedlichen Systeme im Zusammenhang mit den Online-Apotheken im EU-Ausland haben, ist derzeit noch nicht eindeutig geklärt.
Nach Aussage der ABDA (Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V.) obliegt die Überwachung einer Versandapotheke grundsätzlich derjenigen Aufsichtsbehörde, in dessen Staat sie ihren Sitz hat und die auch im Impressum genannt wird. Aufgrund eines Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2016 darf die deutsche Festpreisbindung für rezeptpflichtige Medikamente durch ausländische Versandhändler mittels Boni und Rabatten unterlaufen werden, um deren Standortnachteil auszugleichen.
Zu den größten Risiken bei Online-Bestellungen von Arzneimitteln zählt jedoch die Tatsache, dass es im Internet verblüffend echt aussehende Fake-Apotheken gibt, deren Angebot nicht den deutschen Vorschriften entspricht. Hilfestellung bei der Überprüfung, ob der Anbieter in Deutschland zugelassen ist, bietet das Angebot des Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI).
Lieferengpässe bei Medikamenten und Folgen des Coronavirus
Seit geraumer Zeit gibt es in Deutschland immer wieder Lieferengpässe bei Medikamenten. Wenn der Patient Glück hat, dann sind von dem Lieferengpass nicht alle wirkstoffgleichen entsprechenden Medikamente betroffen, sondern nur die Version für die seine gesetzliche Krankenkasse einen Rabattvertrag hat. Er kann dann immer noch auf ein höherpreisiges Medikament ausweichen, muss den Mehrpreis dann bislang jedoch aus der eigenen Tasche bezahlen.
Die Bundesregierung will jetzt dafür sorgen, dass in diesem Fall die gesetzlichen Krankenkassen einspringen und die Mehrkosten übernehmen. Man hat in Berlin die Hoffnung, dass die Kassen ihre Mehrausgaben möglicherweise von nicht lieferfähigen Herstellern zurückfordern können. Da die Engpässe nicht nur ärgerlich sind, sondern für manche Patienten auch durchaus lebensbedrohlich sein können, will die Bundesregierung jetzt strengere Auflagen für Pharmaunternehmen und Großhändler vorsehen.
So soll das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) künftig, falls ein versorgungsrelevanter Lieferengpass droht, anordnen können, dass Großhändler bei der Lagerhaltung für versorgungskritische Wirkstoffe längere Zeiträume abdecken müssen.
Das könnte schon bald im Zusammenhang mit den sich abzeichnenden Lieferproblemen chinesischer Produzenten in der Folge des Coronavirus Covid-19 akut werden, denn für viele wichtige Wirkstoffe hat sich die Zahl der Hersteller in den vergangenen Jahren drastisch reduziert und viele der verbliebenen Produzenten haben ihren Sitz und ihre Produktionsanlagen in Asien.
So soll für 19 Arzneimittel ein Wirkstoffhersteller in Wuhan gemeldet sein. 17 dieser Wirkstoffe sollen versorgungsrelevant sein, was faktisch bedeuten kann, dass es nur noch diesen einen Hersteller gibt oder die verbliebenen übrigen Hersteller die Nachfrage nicht abdecken können. Für die Provinz Hubei werden insgesamt 136 Arzneimittel erwähnt, deren Wirkstoffhersteller ihren Sitz in dieser Provinz haben. 48 der betroffenen Wirkstoffe werden als versorgungsrelevant eingestuft.
Transportwege unterbrochen
Je mehr Provinzen vom Ausbruch von Covid-19 betroffen sind und unter Quarantäne gestellt werden, desto größer das Risiko, dass es zu Engpässen bei der Lieferung von Medikamentenwirkstoffen kommt.
Inzwischen hat die chinesische Regierung zahlreiche Transportwege unterbrochen. Die massive Einschränkung der Bewegungsfreiheit in der Provinz Zhejiang wird sich auf den Medikamentennachschub deutlich auswirken, stammen aus dieser Provinz doch viele Arzneimittel und Arzneimittelgrundstoffe, die weltweit verkauft oder anderswo weiterverarbeitet werden.
Auskünfte über die Lieferfähigkeit der chinesischen Hersteller sind einerseits nur schwer zu bekommen und andererseits möglicherweise auch nicht wirklich belastbar. Zudem sind die Lieferketten bei den Medikamenten nicht dokumentiert.
Antibiotika: Grundstoffe aus China
Nicht selten stammen die Wirkstoffe, die in Medikamenten von unterschiedlichen Anbietern vermarktet werden, aus der gleichen Fabrik und wenn diese ausfällt, fällt das Angebot zahlreicher Pharmaunternehmen ebenfalls aus. Als Anfang des Jahres zahlreiche Fabriken in China die Wirkstoffproduktion einstellten, hatte man in Europa die Hoffnung, dass zumindest der Nachschub mit Antibiotika davon nicht betroffen sein würde, weil die ja inzwischen zumeist aus Indien kamen.
Man hatte dabei jedoch nicht damit gerechnet, dass die indischen Unternehmen ihre Grundstoffe aus Kostengründen aus China beziehen und beispielsweise in Hyderabad nur weiterverarbeiten. Während die Fabriken vor Ort, die für den Weltmarkt produzieren, zumeist hohen Hygienestandards genügen, trifft dies für die Abwasserbehandlung jenseits der Fabriken nicht zu.
So verwundert es kaum, dass 70 % aller Indientouristen resistente Keime mit nach Hause bringen, gegen die es keine Antibiotika mehr gibt, weil die Antibiotikaentwicklung aus Kostengründen eingestellt wurde.
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