Die Grünen sind eine prima Partei und retten die Welt. (Vielleicht.)
Seite 2: Was die Grünen geändert haben ...
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Die grüne Kritik am Umgang mit den natürlichen Ressourcen hat den Katalog der Regierungsaufgaben erweitert: Seit 1986 gibt es ein Umweltministerium des Bundes. Ähnlich wie die staatliche Sozialpolitik macht eine solche Einrichtung allerdings vor allem deutlich, wie wenig kapitalistische Unternehmen bei ihrem Handeln und ihren Kostenkalkulationen diesen Gesichtspunkt von sich aus kennen, wie rücksichtslos also der "normale", staatlich nicht gebremste Umgang mit der Natur in dieser Gesellschaft ist.
An diesem system-logischen Grund des Raubbaus an den natürlichen Ressourcen hat das Wirken der Öko-Partei nichts geändert.
Die Grünen haben einiges dazu beigetragen, die bundesdeutsche Gesellschaft zu modernisieren, sie tatsächlich "bunter" zu machen. Mag sein, dass das weniger ihre originäre Leistung war als die einer Jugendbewegung, die das ewige Getöse von "Freiheit gegen Kommunismus" in einer Gesellschaft satt hatte, die im Grunde immer noch von der Sittenstrenge und den Anstandsvorstellungen der Kriegszeit geprägt war und in der Individualismus und Nonkonformität ebenso verpönt waren wie Frauenemanzipation und Multikulti.
Jedenfalls brachte die grüne Partei dieses weit verbreitete Lebensgefühl der Beatles- und Stones-Generation und die dazu gehörenden Bedürfnisse im Unterschied zu den etablierten Parteien überhaupt zum Ausdruck - und einige der inzwischen zur Selbstverständlichkeit gewordenen Änderungen in dieser Sphäre (Gesetze wie Sittlichkeit) sind ihr zuzurechnen.
... und wie die Grünen sich geändert haben
Es ist inzwischen müßig, den heutigen Grünen zum x-ten Mal vorzurechnen, wie viele ihrer politischen Überzeugungen, Mitstreiterinnen und Mitstreiter sowie Ideale sie im Fortgang ihrer Geschichte über Bord gehen ließen.
Interessanter sind erstens die Gründe und zweitens, wie die Öko-Partei es hinbekommen hat, dabei mit sich im Reinen zu bleiben. Um mit letzterem zu beginnen: Entweder wurde eine offenkundige Wende mit einem noch höheren Ideal begründet – so etwa Joschka Fischer, der als Außenminister den ersten bundesdeutschen Nachkriegs-Krieg mit der Verhinderung eines neuen "Auschwitz" im Kosovo rechtfertigte –, oder die grüne Führungsriege berief sich auf die realpolitischen Gegebenheiten, die "nun mal" auch der respektieren müsse, der an der "Macht" so viel verantwortungsvoll Gutes tun wolle wie sie.
Und dieses Argument ist - selbst wenn es zur Legitimation verwandt wurde - nicht ganz falsch. Die erfolgreiche Geschichte der Grünen ist auch ein Lehrstück über Moral und Macht. Die Macht, die diese moralisch beseelte Bewegung zur Durchsetzung ihrer Ziele erobern wollte und dann auch erobert hat, besitzt nämlich gewisse Eigengesetzlichkeiten, die sich geltend machen.
Wer mitregieren und soziale und/oder ökologische Projekte auf den Weg bringen will, braucht einen gut gefüllten Staatshaushalt, muss sich also um die immanenten Notwendigkeiten des Wirtschaftswachstums kümmern.
Das heißt: Auch ökologische Politik "muss sich rechnen". Sie kann nur soweit Berücksichtigung finden, wie sie zumindest letztlich zu dem beiträgt, wovon in dieser Gesellschaft alles abhängt bzw. abhängig gemacht ist: zum Wirtschaftswachstum – und nicht, indem sie dieses am Ende schädigt. Das zieht der grünen Umweltpolitik systembedingt enge Grenzen: bei der Energiepolitik (siehe den "Ausstieg" aus der Atomenergie), bei einer gesünderen und umweltverträglicheren Landwirtschaft ebenso wie jetzt bei der Bekämpfung des Klimawandels und seiner Folgen.Die Idee, mit weltweit angewandten regenerativen Energien den bundesdeutschen Export-Kapitalismus ganz weit nach vorne zu bringen, bietet für dieses Dilemma übrigens eine patente Lösung: Die Welt wird gerettet - und Deutschland dabei zum Hauptprofiteur, der die Regeln festlegt und zugleich die passende Technik liefert - das ist genial!
Dass dafür im Innern der Republik die üblichen Verdächtigen, an denen auch sonst immer gespart werden muss, ihr Scherflein beizutragen haben, die Industrie dagegen mit Subventionen für die Weltmarkt-Konkurrenz fit gemacht und man sich nach außen gegen Widerstand auch mal robust durchsetzen muss, ist angesichts dieser Herkules-Aufgabe dann natürlich klar und mehr als gerechtfertigt.
Eine kapitalistische Gesellschaft, die auf ihr Wirtschaftswachstum setzt, muss sowohl den kontinuierlichen Nachschub von Rohstoffen und billigen Arbeitskräften gewährleisten können, wie ihre Absatzmärkte; dafür braucht sie sichere Transportwege, Handels- und Zollabkommen, Zuwanderungsregelungen ebenso wie die Fähigkeit, andere Staaten zu den entsprechenden Zugeständnissen und Abkommen erpressen zu können.
Ein Militär ist für sie insofern prinzipiell unverzichtbar – auch wenn sie sich, wie das Nachkriegsdeutschland, dabei einerseits ein paar Jährchen zurückhalten musste und andererseits auf den "amerikanischen Freund" verlassen konnte.
Schon "raus aus der Nato" war für dieses Deutschland nicht einmal nach der Selbstauflösung des Ostblocks deshalb eine Option; noch viel weniger natürlich die Abschaffung der Bundeswehr, soweit die Grünen das überhaupt anklingen ließen.
Heute sehen sie diesen Punkt auch ganz anders und wesentlich "vernünftiger" als in ihren Kindertagen. Ihren ersten Krieg haben sie gegen angebliche serbische KZs geführt, ihren zweiten im Namen der Frauenrechte - schon daran kann man ablesen, wie verantwortungsvoll die Deutschen unter einer grünen Regierung im Namen höchster Werte schießen – und umgekehrt natürlich, wie unverzichtbar und unanfechtbar solche Kriege sind. Von wegen plumper Anti-Militarismus!
Die grüne Basisdemokratie musste sich politisch daran bewähren, dass aus ihr kein Hindernis für den Wettbewerb um und gegebenenfalls auch für die Ausübung von Macht, pardon: Verantwortung entstand. Glaubwürdig ist im demokratischen Procedere nämlich nur, wer irgendwann auch Führungsstärke beweisen kann.
Mochte die ungewohnte Streitkultur also einerseits erfrischend rüberkommen, hatte "der Wähler" auch ein Recht auf Berechenbarkeit und Geschlossenheit; schließlich wollte man diese Bedürfnisse deutscher Untertanen auf dem Weg in die Regierungsverantwortung ja benutzen und sie nicht mit unnötiger Kritik vor den Kopf stoßen.
Also hieß es in schöner Regelmäßigkeit: Ruhe an der Basis, verdammt noch mal! Oder wie Joschka Fischer es ausdrückte: "Die Zeit der Flügelkämpfe ist vorbei - das kann uns Kopf und Kragen kosten!".
Der bemerkenswerte Zwischenstand in dieser Frage bei der aktuellen Wahl: Keine andere Partei hat eine so eigenmächtig von der Führung ausgemauschelte, die Parteibasis völlig übergehende und zugleich unstrittige Auswahl ihrer Kanzlerkandidatin vorzuweisen wie die Grünen. Respekt!
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