Die KGB-Hacker
Seite 3: Das Ende einer Spionage-Affäre
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Ein Jahr nachdem Clifford Stoll seine Arbeit aufgenommen hatte, liefen schließlich die Handlungsstränge zusammen. Am 23. Juni durchsuchte die Polizei die Wohnung und den Arbeitsplatz von M. H. in Hannover. Die aufgefundenen Beweise ließen keine Zweifel daran, dass die Ermittler den Hacker nun gefunden hatten. Doch der Fall war damit noch längst nicht gelöst.
Für M. H. blieb die Sache zunächst ohne Folgen, da die Fangschaltung der Bundespost rechtlich nicht zulässig gewesen war. Zudem wussten die Ermittler noch nicht, wer außer M. H. sonst noch in die Spionage-Affäre involviert war. Die Polizei und der Verfassungsschutz ermittelten daher weiter und nahmen neben den anderen KGB-Hackern nun auch Karl Koch ins Visier. Dieser litt – nicht zuletzt durch seine Drogenabhängigkeit – nach wie vor unter Realitätsverlust und lebte in seiner Verschwörungsscheinwelt. Auf Anraten seines Anwalts stellte sich Koch im Juli 1988 dem Verfassungsschutz.
Helmut Kurth, der nun im Auftrag des Bundeskriminalamts in das Geschehen eingriff, stand vor einer interessanten Aufgabe. Seine Untersuchung der sichergestellten Asservate lief unter strengster Geheimhaltung ab. Selbst Kurths Vorgesetzter wusste nicht, was dessen aktuelles Projekt zum Inhalt hatte. Dies führte teilweise zu seltsamen Situationen. So berichtet Kurth: "Einmal erzählte mir mein Chef von einem interessanten Vortrag, den der Hacker H. H. gehalten hatte. Mein Chef schlug sogar vor, H. H. einmal zu uns einzuladen. Er wusste natürlich nicht, dass dieser zu den Hackern gehörte, deren Aktivitäten ich gerade untersuchte. Ich musste meinen Vorgesetzten deshalb darauf hinweisen, dass er unwissentlich mit einem KGB-Agenten in Kontakt getreten war. Dies hätte man den Vorschriften entsprechend eigentlich dem Verfassungsschutz melden müssen."
Im Gespräch mit Helmut Kurth interessiert mich nun die Frage, ob die Hacker wirklich so schlau waren, wie sie in den Medien oft dargestellt wurden. Kurth verneint: "Sie waren keine Genies, man kann ihnen allenfalls eine große Ausdauer bescheinigen. In vielen Fällen schätzten die Hacker die Daten, auf die sie stießen, falsch ein." In einem Rechner des Pentagon fanden Koch und seine Kollegen beispielsweise eine scheinbar brisante Datei. "Sie übersahen, dass es sich dabei um Informationen handelte, die ohnehin öffentlich zugänglich waren", berichtet Kurth schmunzelnd, "und das war kein Einzelfall." Nach etwa vier Monaten hatte Helmut Kurth schließlich alle Spuren ausgewertet und einen Bericht verfasst.
Nun ging es Schlag auf Schlag. Im März 1989 konnte die Polizei durch mehrere Verhaftungen und Durchsuchungen den Hacker-Ring zerschlagen. Aus diesem Anlass wurde auch die Öffentlichkeit über die Spionage-Affäre informiert. Das Medienecho war gewaltig. Besonders aktiv war der der Stern, der allein im Jahr 1989 sieben Artikel über die KGB-Hacker veröffentlichte. Clifford Stoll brachte noch im selben Jahr sein Buch "Kuckucksei" auf den Markt, in dem er seine einjährige Suche nach dem Hacker im Netz des LBNL schilderte. Es wurde ein Bestseller.
Im nun folgenden Prozess gegen die Hacker spielte das Gutachten von Helmut Kurth eine wichtige Rolle. Während unserer Unterhaltung in San Francisco erinnert er sich: "Die Angeklagten bestätigten die von mir vorgelegten Ergebnisse. Sie machten auch ansonsten nicht den Versuch, ihre Spionageaktionen zu leugnen." Das Verfahren endete im Februar 1990 mit Bewährungsstrafen.
Im Vergleich zu anderen Spionen kamen die KGB-Hacker damit äußerst glimpflich davon (in den USA sind heute noch Personen inhaftiert, die vor 1990 für den KGB spionierten). Helmut Kurth kennt einen Grund dafür: "Man konnte ihnen nicht nachweisen, dass sie einen größeren Schaden angerichtet hatten. Die betroffenen Unternehmen erklärten allesamt, dass bei ihnen keine nennenswerten Daten gestohlen wurden. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob das in allen Fällen der Wahrheit entsprach. Schließlich gibt keine Firma gerne zu, dass sie ein Opfer von Hackern geworden ist."
Als ich ihn auf die immer wieder gehörte Aussage, der von den KGB-Hackern verursachte Schaden sei nicht ganz so hoch gewesen, anspreche, antwortet Kurth ebenfalls skeptisch: "Niemand weiß, was der KGB mit den gestohlenen Passwörtern gemacht hat. Vermutlich wird man es nie erfahren." Mit diesem Schlusswort beenden wir unser Treffen. Ich habe genügend Details erfahren, und Helmut Kurth muss sich um einen Kunden kümmern.
Mir kommt noch einmal Karl Koch in den Sinn, für den die Spionage-Affäre ohne Zweifel die schlimmsten Folgen hatte. Obwohl auch ihm keine größere Strafe drohte, schätzte er seine Lage selbst als ausweglos ein. Am 30. Mai 1989 fand ein Landwirt in einem Wald bei Gifhorn (Niedersachsen) seine Leiche. Karl Koch hatte sich vermutlich mit Benzin überschüttet und angezündet.
Klaus Schmeh ist Autor des Buchs "Codeknacker gegen Codemacher", in dem die Geschichte der Verschlüsselungstechnik erzählt wird. In der Telepolis-Buchreihe ist von ihm erschienen: Versteckte Botschaften. Die faszinierende Geschichte der Steganografiehttp://www.heise.de/tp/r4/buch/buch_36.html. Seine Homepage: www.kryptomuseum.de.