Die Kieselalge und der Berg
Seite 3: Kapital als Weltvernichtungsmaschine
- Die Kieselalge und der Berg
- "Katastrophale Umbrüche ab 2100" - Exodus von den Küsten
- Kapital als Weltvernichtungsmaschine
- Der menschliche Körper als Mais-Sirup-Müllhalde
- Auf einer Seite lesen
Dieser permanente Wachstumszwang des kapitalistischen Systems resultiert aus dem Wesen des Kapitals selber. Als Kapital fungiert Geld, das durch einen permanenten Investitionskreislauf vermehrt, also "akkumuliert" oder "verwertet" werden soll. Das Wirtschaftswachstum ist hierbei nur der volkswirtschaftlich sichtbare Ausdruck der Kapitalakkumulation, die tatsächlich an eine "stoffliche Grundlage" gebunden ist. Spätestens seit dem Ausbruch der Finanzkrise ist klar geworden, dass dieser Prozess der Kapitalakkumulation an die Warenproduktion gekoppelt ist und nicht auf den Finanzmärkten aufgrund reiner Spekulationsprozesse dauerhaft aufrechterhalten werden kann.
Wie läuft das Ganze nun ab? Der Unternehmer investiert sein als Kapital fungierendes Geld in Rohstoffe, Arbeitskräfte und Energie, um in Fabriken hieraus neue Waren zu schaffen, die mit Gewinn verkauft werden. Das hierdurch vergrößerte Kapital wird in diesem uferlosen "Verwertungsprozess" in noch mehr Energie, Rohstoffe etc. investiert, um wiederum noch mehr Waren herzustellen.
Dieser potentiell endlose Kernprozess kapitalistischer Produktion hat die Selbstverwertung, also das unaufhörliche Wachstum des Kapitals zum Ziel. Niemand investiert sein Geld, um danach weniger oder genauso viel zu erhalten. Hiermit müssen auch die Aufwendungen - Rohstoffe und Energie - für diesen Verwertungsprozess permanent erhöht werden.
Deswegen wird auch künftig der Rohstoff- und Energiehunger der kapitalistischen Verwertungsmaschinerie anschwellen, und er wird - wenn er nicht durch gesellschaftlichen Widerstand und Wandel gestoppt wird - erst durch die nächste Weltwirtschaftskrise oder den ökologischen und zivilisatorischen Kollaps unterbrochen werden.
Das Kapital strebt somit nach einer möglichst hohen "Selbstvermehrung"; es ist Geld, das zu mehr Geld werden will. Dieser "hohle", selbstbezügliche Prozess ist allen gesellschaftlichen oder ökologischen Folgen seiner beständig anwachsenden, alle Weltregionen und Gesellschaftsbereiche verwüstenden Verwertungstätigkeit gegenüber blind. Der permanent anschwellende Prozess der Kapitalakkumulation, der die innerste Treibfeder des kapitalistischen Konjunkturmotors bildet, "verbrennt" somit die Rohstoffe der Erde, die für unser Überleben notwendig sind.
Zusätzlich wird dieser kapitalistische Kernprozess effizienter Ressourcenverbrennung durch die konkurrenzvermittelten Produktivitätssteigerungen in Kapitalismus gesteigert. Je größer die Produktivität, desto größer der Ressourcenhunger des Systems, da die Warenproduktion nur als Mittel für den irrationalen Selbstzweck uferloser Kapitalakkumulation dienen. Die permanenten Steigerungen der Produktivität nötigen den Spätkapitalismus dazu, die Verschwendung von Ressourcen und Rohstoffen massiv auszuweiten, ins Extrem zu treiben.
Im Rahmen der Kapitalverwertung sind nämlich alle ökologischen Ressourcen und Rohstoffe nur als Träger von Wert - also abstrakt menschlicher Arbeit - von Belang. Je höher aber die Steigerung der Produktivität, desto weniger abstrakte Arbeit ist in einem gegebenen Quantum Ware verdinglicht: Wenn ein Fahrzeughersteller die Produktivität um zehn Prozent bei der Einführung eines neuen Fahrzeugmodells erhöht - was durchaus branchenüblich ist -, dann muss er auch zehn Prozent mehr Autos umsetzen, um bei gleichem Produktpreis die gleiche Wertmasse zu verwerten - oder jeden zehnten Arbeiter entlassen.
Um den Verwertungsprozeß des Kapitals im gewohnten Umfang aufrechtzuerhalten, müssen daher bei steigender Produktivität entsprechend mehr Waren produziert und abgesetzt werden. Eine Steigerung der Produktivität um 50 Prozent bedeutet, dass der Warenausstoß - und somit auch der Ressourcenverbrauch! - um 50 Prozent erhöht werden muss. Deswegen gilt: Je größer die Produktivität der globalen Industriemaschinerie, desto stärker wird auch ihr Ressourcenhunger, da die Wertmasse pro produzierter Einheit tendenziell abnimmt. Ein Versuch, in der kapitalistischen Weltwirtschaft eine ressourcenschonende Produktionsweise einzuführen, ist somit unmöglich - er käme einer Kapitalvernichtung gleich.
Die Produktivitätssteigerung, die eigentlich zur Realisierung einer ressourcenschonenden Wirtschaftsweise unabdingbar ist, wirkt im Kapitalismus als ein Brandbeschleuniger, da hier eine blinde, funktionalistische Rationalität dem irrationalen und an seinen eskalierenden Widersprüchen zugrunde gehenden Selbstzweck uferloser Kapitalverwertung dienen muss. Aus diesem durch Rationalisierungsschübe ins Extrem getriebenen Verwertungszwang ergibt sich die besagte Tendenz zur immer stärker beschleunigten effizienten Ressourcenverschwendung.