Die Marke Fußballer
Standards, Kriterien und Werte: Zur Einschätzung des Starkickers als Marke
Starfußballer haben einen hohen Wiedererkennungswert. Ihre Namen klingen wie Markennamen, ihre charakteristischen Spielzüge wirken wie Produkte und ihre körperlichen Eigenarten (etwa schiefe Hasenzähne) kommen wie Logos daher. Wen wundert es da noch, dass wir von Fußballspielern so reden wie von den Konsumgütern, die sie bewerben? Wie sie funktioniert, die Marke Fußballer, bleibt indes ungeklärt.
Eines der Prinzipien der Marke Fußballer lautet Imagetransfer: Ein Fußballer wirbt für ein weltweit bekanntes Produkt und wird im Zuge dessen zu einem ebenso weltweit bekannten Superstar. Einige Beispiele: Cristinao Ronaldo (27) räkelt sich oberkörperfrei im grünen Gras (Jeanswerbung); Michael Ballack (29) hält vor einem Fernsehapparat einen roten und einen blauen Tennisball in die Luft (Technikwerbung); Ronaldinho (47) strahlt mit weiß blitzenden Zähnen in die Kamera (Zahnpastawerbung); Lukas Podolski (17) rennt aus der Mitte einer wildaussehenden Gruppe von Männern in hohem Tempo auf den Betrachter zu (Sportartikelwerbung). Die Aufzählung ließe sich quasi endlos fortsetzen.
Fußballer tauchen in den kuriosesten Markenszenarien auf. Nicht nur Sportartikel- und Modefirmen, sondern auch Zahnpastahersteller, Krankenkassen und Versicherungen sind ihnen als Sprungbretter zum globalen Stardom dienlich – ein Image wäscht das andere. Natürlich funktioniert das nicht nur in eine Richtung. Auch die Fußballer übertragen ihren Glanz auf das jeweilige Produkt. Und so sind beide bisweilen kaum mehr von einander zu trennen. Zwei extreme Fälle wären: David Beckham (45), der mittlerweile seine eigene Duftnote auf den Markt gebracht hat, und besagter Ronaldinho, der für „Play Station“-Fußballspiele Modell gestanden hat; man sagt, dass er selbst zu den größten Usern dieser Computerspiele gehört. Und zu den besten. Die Spielfigur, die er vorzugsweise für den virtuellen Kick wählt: Ronaldinho.
Geschäftsmodell Starkicker
In diesen unübersichtlich gewordenen Zeiten, legt die deutsche Firma BBDO Consulting eine Studie vor, die nicht weniger verspricht, als eine quasi naturwissenschaftliche Ordnung in die Markendämmerung am Fußballhorizont zu bringen. Standards, Kriterien, Werte – all das sollte her und es heißt, ein gehöriger Aufwand wurde getrieben, um ein Ranking der Top 20 des internationalen Fußballs zu erstellen. Zur Ermittlung wurden sowohl verhaltenswissenschaftliche Werte wie Markenbekanntheit, Markenimage, Markensympathie und Markenloyalität als auch finanzwirtschaftliche Daten herangezogen. Dies ist insofern ein besonderer Ansatz, als dass die Perspektive des Markenmanagements mit der der Finanzwirtschaft für gewöhnlich nicht in Einklang gebracht werden.
Was aber genau wurde bei der Ermittlung berücksichtigt? Die Einkünfte etwa wurden in zwei Bereiche kategorisiert: Das Einkommen aus Spielerverträgen und den so genannten Promotionbereich, zu dem beispielsweise Werbeverträge und Lizenzvergaben für Sportartikel, Parfums und Mode gehören. Anhand der typischen Einnahmequellen wurde für jeden Fußballspieler ein persönliches „Geschäftsmodell“ nachgebildet. Hierbei wurde bedacht, dass im Gegensatz zu Produkt- und Unternehmensmarken der Markenname eines Fußballspielers nur relativ kurz nutzbar ist, bedingt durch die zeitlich begrenzte Karriere des Kickers – Ausnahmen wie „Kaiser“ Franz Beckenbauer bestätigen diese Regel. Ein weiterer Bewertungsfaktor waren die zukünftig erwarteten Zahlungsströme. Die verhaltenswissenschaftliche Seite des Markenbewertungsmodells wurde derweil aus einer empirischen Untersuchung mit über 400 internationalen Markenexperten gespeist.
Das Ergebnis ist eine zwanzigzeilige Tabelle: 20 Namen und dazugehörige Millionen-Beträge. Die ermittelten Ziffern, oben bereits hinter den Spielernamen jeweils in Klammern vermerkt, zeigen Ronaldinho auf dem ersten Rang und Podolski auf Rang 19, kurz vor Andrej Schewtschenko, der mit abgerundet 14 Millionen, den letzten belegt. Ballack, der andere deutsche Spieler, der es in diese Charts geschafft hat, thront auf Rang 10. In England wurde diese Reihenfolge mit großer Aufregung wahrgenommen. Immerhin galt David Beckham lange Zeit als die unumstrittene Nummer eins. Jetzt belegt er nur noch den zweiten Platz.
Das Ende einer Ära? Wird sich Ronaldinho lange an der Spitzenposition behaupten können? Wer außer ihm hat Chancen, in die Fußstapfen des „Flankengotts“ (oder, wie es jüngst in der Boulevardpresse hieß: „Zwangsneurotikers“) zu treten? Der Wechsel an der Spitze hat hitzige Diskussionen und zahlreiche Spekulationen über die Zukunft nach sich gezogen. Wenig wurde dagegen über die Methodik der Rangfolgenermittlung gestritten; niemand hat die Angemessenheit der Methoden angezweifelt.
Mangel an Komplexität
Sicher, die BBDO-Studie hat mit der so genannten BEVA-Methode (Brand Equity Valuation for Accounting) einen beispielhaften, weil vielschichtigen Ansatz vorgelegt. Eindimensional wirken dagegen Ranglisten, wie die jüngst vom französischen Magazin „France Football“ veröffentlichte, bei der die Akteure des Fußballs nach ihrem Einkommen sortiert werden – erfolgreichster Deutscher ist dort übrigens Oliver Kahn. Mit ihrer Multidimensionalität führt die BBDO-Studie vor Augen, dass die Marke Fußballer mit anderen Marken nicht vergleichbar ist. Dennoch muss ihr Theorie-Design bemängelt werden. Schließlich kann das „Geschäftsmodell Fußballer“ niemals nur als Ich-AG, sondern muss immer auch als Wir-AG begriffen werden. Fußball – das ist bekanntlich ein Mannschaftssport.
Das bedeutet: Die Marke Fußballer ist ein Bestandteil der Marke Mannschaft. Und damit immer auch als Teil eines größeren Ganzen zu evaluieren. Der neuste Nike-Clip mit der neuen Nummer eins der Top 20 ist dafür das beste Beispiel. Er zeigt die brasilianische Nationalmannschaft in der Umkleidekabine, sich virtuos den Ball zuspielend. Frei nach dem Motto „Nur wenn Du im Orchester spielst, gibt es einen guten Sound“. Schon lange werben Sportartikelhersteller mit der Mannschaft als Ganzes, stellen gelegentlich ihre eigenen Allstar-Teams zusammen, kurz: prägen die Mannschaft als Marke. Auch wenn dort der Einzelne immer wieder in das Spotlight rückt („+10“) – das Team als Modul beim Imagetransfer, beziehungsweise die Teamaffinität der Kicker-Markenidentität werden bei der Ermittlung des Markenwerts von Fußballern sträflicherweise ausgeblendet.
Darüber hinaus bleibt außen vor, dass auch der Verein in siamesischer Verbindung zur Marke Fußballer steht. Er sucht sich die Spieler längst nach Kriterien, wie deren Stellung in den Markencharts, aus. Und hofft durchaus berechtigt auf einen Synergieeffekt: Der Verein bekommt neue Werbeverträge, lockt mehr Fans ins Stadium etc. Bestes Beispiel dafür ist Real Madrid, wo die Einkaufspolitik zu Beginn des 21. Jahrhunderts solche Kriterien sogar über alle anderen gestellt hat. In Zeiten, da Vereinssport durch Institutionen wie die Champions League zum Dreh- und Angelpunkt des Weltfußballs wurde, ist ein Ronaldinho in erster Linie identisch mit dem FC Barcelona. Erst dann identisch mit seinem Heimatland und mit den Produkten, für die er wirbt (und zuletzt identisch mit sich selbst).
Eine Methode, die den Markenwert des Fußballers evaluiert, stellt sich in den Dienst von Konzernen. Es heißt, sie bedürften einer besseren Entscheidungsgrundlage für ihre Investitionen. Eine solche Methode erweist aber auch der breiten Öffentlichkeit einen Dienst, die längst verstanden hat, dass der Fußballer eine Marke ist – nur dass sie es nicht versteht, jene einzuordnen. In diesem Sinne hilft eine Studie, wie die von BBDO Consulting, nicht nur Konzernen beim Shopping, sondern auch der an Sport interessierten Öffentlichkeit beim Verstehen der Star- und Markenmaschine Fußball. Mehr noch: Beim Verstehen des Fußballs an sich. Denn dass diese Sportart von ihrer Kommerzialisierung nicht mehr zu trennen ist, dürfte allen längst klar sein. Es fehlt nur an Standards, Kriterien und Werten, die komplex genug sind, um das System Fußball und die Marke Fußballer zu erfassen.