Die Menschen reden nur - sie handeln nicht!
Ein Kommentar zur Atomdebatte: das Point-and-Click-Adventure "A New Beginning"
„Habe ich wirklich mal geglaubt, ich könnte die Welt retten?“, fragt sich Bent Svensson, nachdem er das Tuch entfernt hat, das er über seinen Arbeitsplatz im Keller warf, als er in den Ruhestand ging. Zwar kann der ehemalige Wissenschaftler jetzt eigentlich nur noch über seine Ideale von damals lachen, doch wenige Minuten später sieht die Sache schon ganz anders aus: Svensson bekommt von einer Frau namens Fay Besuch, die sich ihm als Zeitpilotin aus der Zukunft vorstellt. Sie sucht ihn auf, weil seine früheren Forschungsergebnisse die letzte Chance seien, um die Welt zu retten …
Selbstverständlich fühlt sich Svensson im ersten Moment veräppelt; womöglich spinnt diese Tussi. Zu allem Überfluss hat ihn seine einstige Vorstellung von der Rettung des Planeten bereits die Beziehung zu seiner Ehefrau gekostet. Dieser Konflikt war sogar dermaßen heftig, dass Svensson eine Psychologin aufsuchte. Und die ruft sogar auch noch an, als Fay gerade wegen eines Schwächeanfalls zusammenzubrechen droht. Manipulativ fordert die Therapeutin den Wissenschaftler auf, ihr nachzusprechen: „Ich bin nicht für die ganze Welt verantwortlich.“
Das geschieht alles noch während des Prologs des Spiels, sagt aber schon weitaus mehr über die Produktion aus, als man zunächst glauben mag. Man stellt sich im Nachhinein nämlich die Frage, wozu Ideale eigentlich gut sind, wenn man sie irgendwann über Bord wirft. Ja, belächeln wir vielleicht Menschen, die sich allzu hohe Ideale setzen? Sagen wir, das sei bloß Unfug? Unrealistisch? Tatsächlich aber braucht die Welt Menschen, die an ihren Idealen festhalten. Denn nur wer sich ehrgeizige Ziele setzt, erreicht auch etwas – meistens zumindest.
Das Ziel, das Fay und ihre Kollegen verfolgen, bewegt sich auf diesem hohen Niveau: Sie kommen aus der Zukunft, um einen Fehler in der Vergangenheit zu korrigieren. Sie wollen den Super-GAU vermeiden. So ganz einfach ist das Unterfangen jedoch nicht. Fay und Co. müssen erst einmal die exakte Zielzeit festlegen, sich also mit den technischen Begebenheiten des neuen Jetzt arrangieren. Ein nerviger Terminal, der Fay lieber das aktuelle E-Learning-Angebot präsentiert als ihr den Zugriff auf die wichtigen Daten zu gewähren, ist hierfür ein gutes sowie amüsantes Beispiel.
In puncto Aufmachung hat sich das Entwicklerteam sichtlich Gedanken gemacht. In erster Linie ist A New Beginning ein traditionelles Point-and-Click-Adventure im 2-D-Gewand, doch wesentliche Aspekte der Geschichte erzählen die Macher in Form eines Comics, dessen Einzelbilder Stück für Stück den Bildschirm füllen, so, als würde man Bilder neben- und untereinander an eine Wand hängen. Diese Art der Inszenierung peppt das Spiel auf; und das ist auch gut so, schließlich beschäftigt sich der Spieler in diesem Fall mit einem bierernsten Thema.
Umso größer die Frage, was einen überhaupt motiviert, nicht nach zwei Stunden den Rechner auszuschalten. Da ist zum einen der skeptische Svensson, dem Fay beweisen muss, dass sie ihn nicht hinters Licht führen will, und zum anderen Fays miesepetriger Kollege Salvador, der im wahrsten Sinn des Wortes über Leichen geht. Darüber hinaus muss man im späteren Verlauf Svensson aus einer misslichen Lage befreien, wodurch das Spiel mehr und mehr einen Krimicharakter erhält. Das Wichtigste aber ist und bleibt die Botschaft: Die Menschen reden nur – sie handeln nicht!
Am besten wäre es, wenn sich Frau Merkel und auch so manch einer ihrer Kollegen dieses Spiel von Anfang bis Ende anschauen, denn A New Beginning kommentiert die aktuelle Atomdebatte sehr deutlich und bringt viele zentrale Aspekte auf den Punkt. Das sollte allerdings niemanden darüber hinweg täuschen, dass sich manches Rätsel des Spiels schwer lösen lässt; etwa hatte ich Probleme, einen Generator wieder in Gang zu bringen. Aber irgendwie kann man auch das so verstehen, als wäre es eine Anspielung auf die elende Diskussion um die Abschaltung der Kernkraftwerke: Es dauert, bis alles endlich in Gang kommt …