Die Mieterbewegung stellt die Eigentumsfrage
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Man kann kritisch fragen, ob die Ziele von "Deutsche Wohnen und Co." kurzfristig zu mehr Wohnraum führen. Es wird aber wieder darüber diskutiert, ob Kapitalismus und Demokratie vereinbar sind
Die transnationalen Mietendemonstrationen, die am 6. April in ganz Europa stattgefunden haben, zeigen, dass die neue Mietenbewegung zu einer sozialen Bewegung wurde, die eine Kontinuität entwickelt hat. Das ist in einer flexiblen Gesellschaft schon beachtlich.
Es ist eben nicht mehr so, dass die Mieter die Proteste aufgeben, wenn ihr scheinbar individuelles Problem mit "ihren Eigentümern" nicht mehr aktuell ist, sei es, dass sie aus ihren Wohnungen vertrieben worden oder doch noch eine Lösung gefunden wurde. Es sind einerseits individuelle Eigentümer, mit denen es die Mieter zu tun haben.
Doch die Mieter erkennen, dass es sich eben um kein individuelles Problem handelt, wenn sich Menschen bis in die Mittelschicht hinein nicht mehr die Miete in bestimmten Gegenden leisten können. Das führt dann dazu, hohe Mieten als strukturelles Problem begriffen werden. Konkret geht es um das Problem, dass Miete zur Ware wird und dass es Investoren gibt, die aus Wohnungen Profit machen.
3,50 Euro Miete pro Quadratmeter ist möglich
Hohe Mieten sind eben kein Schicksal, wie es die wirtschaftsnahen Kreise immer erklären, sondern sind systembedingt. Das wurde auf einem Mieterspaziergang im Friedrichshainer Nordkiez am Freitagabend deutlich, der im Rahmen der Mietenaktionstage in Berlin stattgefunden hat. Dort berichtete die Bewohnerin der Rigaer Straße 77, dass die Mieter des Hauses kürzlich eine Mietminderung bekamen. Die Bewohner zahlen eine Miete von 3,50 Euro pro Quadratmeter.
Die für viele Nachbarn unglaubliche Nachricht ist möglich, weil in dem Haus niemand mehr Profit aus der Miete zieht. Der günstige Mietpreis macht es möglich, dass die nötigen Instandhaltungen und Reparaturen getätigt werden können, aber eben niemand mehr Gewinn daraus schlägt. Die Wohnungen in dem Haus sind nur dadurch dem Profitstreben entzogen, weil das Anfang der 1990er Jahre besetzte Haus in Genossenschaftseigentum überging.
Das macht deutlich, dass die Eigentumsfrage stellen muss, wer gegen hohe Mieten kämpfen will. Diese Eigentumsfrage gestellt zu haben, ist das eigentliche Verdienst der Initiative "Deutsche Wohnen und Co. Enteignen". Das zeigen die wütenden Reaktionen von Kapitalkreisen und ihren Parteien darauf. Die Experten, die jetzt immer mit Warnungen vor den Folgen der Enteignung zitiert werden, sind wirtschaftsnah.
Wenn jetzt die FDP fordert, dass die Grundlage der Enteigungsforderungen, auf die sich das Volksbegehren bezieht, aus dem Grundgesetz gestrichen werden soll, zeigt sich nur einmal mehr das instrumentelle Verhältnis von kapitalfreundlichen Parteien zum Grundgesetz. Natürlich darf dort aus ihrer Sicht nichts geändert werden, was Kapitalmacht einschränken könnte.
Wenn allerdings mit Bezug auf das Grundgesetz Eigentümerrechte eingeschränkt werden sollen, dann muss nicht nur für die FDP das Grundgesetz geändert werden. Denn ihr eigentliches Grundgesetz ist das Wohlbefinden von Kapital und Markt. Daran, dass in den letzten Wochen verschiedene Kapitalverbände wegen der Enteignungsdiskussion vor Zuständen wie in der DDR oder gleich wie in Venezuela in Berlin warnen, zeigt sich, wie unruhig das Kapital reagiert, wenn seine Macht auch nur etwas reguliert werden soll.
Demokratie und Kapitalismus - ein Widerspruch?
Wenn dann noch gewarnt wird, dass Berlin durch die Ratingagenturen eine Herabstufung droht, dann wird auch deutlich, wie schnell das Kapital die Instrumente zeigt, wenn ihm Grenzen gezeigt werden sollen. Insofern ist die Enteignungsdebatte in Berlin auch ein Lehrstück über das Verhältnis von Kapital und Demokratie.
Das Missverständnis, dass Demokratie eher in einer kapitalistischen Gesellschaft als in einer nichtkapitalistischen Gesellschaft gedeihen kann, zieht sich auch durch das von Hannes Giessler Furlan kürzlich im Verlag Zurklampen herausgegebene Buch Verein freier Menschen? - Idee und Realität kommunistischer Ökonomie.
So prägnant Hannes Giessler Furlan blinde Flecken im Verhältnis nichtkapitalistischer Gesellschaften, Ökonomie und Demokratie benennt, so schwach bleibt er, bei der Benennung des Widerspruchs zwischen kapitalistischen Verwertungszwang und Demokratie.
Er benennt durchaus einige Probleme, aber man hat doch den Eindruck, dass er den Widerspruch zwischen Kapital und Demokratie für Alle nicht als Antagonismus sieht. Dabei zeigt die monatelange Debatte um die Enteignungen von Deutsche Wohnen und Co. diesen Antagonismus sehr gut auf.
Auch ein anderer Aspekt dieser Debatte soll erwähnt werden.