Die Moral der künstlichen Intelligenz

Seite 2: Politische Manipulation durch KI

Maschinen können schon heute den Menschen routinemäßig beeinflussen; wenn nicht mit direkter Kontrolle, so manipulieren sie doch die Bevölkerung in politischer Hinsicht. Soziale Medien wie Facebook können benutzt werden, um die öffentliche Meinung in politischen Kampagnen zu beeinflussen.

Gefährlicher noch als Facebook – das einst mit der hochgradig manipulativen Cambridge Analytica unter einer Decke steckte – ist die Tatsache, die von Werbetreibenden und politischen Meinungsforschern oft ignoriert wird: dass der menschliche Verstand leicht, wie Informatiker sagen würden, "gehackt" werden kann.

Ferner setzen KI-Tools wie maschinelles Lernen das Problem auf Steroide. Unternehmen, die Algorithmen verwenden, können bereits heute Daten über fast die gesamte Bevölkerung sammeln und die Ansichten der Menschen in einem Ausmaß erfassen und verändern, das noch vor Jahren unvorstellbar war. Und das geschieht mit einer immer größer werdenden Geschwindigkeit und zu immer geringeren Kosten.

Dazu kommt, dass diejenigen, die den Code der Algorithmen für künstliche Intelligenz schreiben, zumeist weiße Männer sind. Man spricht sogar von "einem Meer weißer Typen" [a sea of white dudes]. Und schlimmer noch, dieses Meer der weißen Männer ist auch beim Beteiligungskapital, das die KI-Produktion finanziert, überrepräsentiert.

Sie stellen außerdem sicher, dass KI reibungslos in Unternehmensgewinne umgewandelt wird. Die meisten Risikokapitalgesellschaften, die heute KI finanziell unterstützen, können in drei etwa gleich große geografische Gruppen unterteilt werden:

  1. Silicon Valley – das sich mittlerweile über die Gegend um die San Francisco Bay erstreckt;
  2. der Rest von Amerika; und schließlich
  3. der Rest der Welt.

Für viele der weißen dudes, die im Bereich KI arbeiten, bietet die geschichtenerzählende Ideologin Ayn Rand eine Art halbwegs plausibles Glaubenssystem. In der Welt der KI beziehen sich viele Leser ihres Märchenatlas auf ihre krypto-philosophischen Ausuferungen. Einige KI-Leute glauben in der Tat an Rands egoistische – oder besser "egozentrische" – Halluzination, dass unser moralisches Dasein darin besteht, unserem individuellen Eigeninteresse zu folgen.

Als Folge dieser verschrobenen Ideologie wurden viele KI-Leute bereitwillig zu "Techno-Libertären". Sie lehnen zum Beispiel fast alle staatlichen Regeln und selbst die sinnvollsten Vorschriften ab und glauben, dass die beste Lösung für fast alle Probleme der neoliberale freie Markt sei.

Innerhalb von KI findet Rands Ideologie durch John Perry Barlows "Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace" aus dem Jahr 1996 ihren klarsten Ausdruck. Kurz gesagt ist Barlows Erklärung vielleicht sogar "der" Ausdruck des reinen "Techno-Libertarismus". Auf dieser Grundlage haben sich Techno-Libertäre höchst-selbst davon überzeugt, dass der Staat den Cyberspace nicht regulieren kann und auch nicht sollte. Dafür führen sie drei Argumente an:

  1. sie glauben, dass dies nicht möglich sei, weil digitale Bits nicht physiologisch sind;
  2. gleichzeitig überschreiten Technologieunternehmen nationale Grenzen, sodass sie nicht an nationale Vorschriften gebunden werden können;
  3. selbst wenn Regulierung machbar wäre, würde eine solche Regulierung in ihren Augen die Innovation von KI ersticken.

Es ist ein simpler Katechismus, der den ebenso simplen Regeln des Neoliberalismus folgt. Doch ihr unerschütterlicher Glaube an die Wunder des freien Marktes und die Mythen der Deregulierung (sprich: unternehmensfreundliche Neu-Regulierung) lässt sich auch dann nicht erschüttern, wenn ihnen unangenehme Fakten entgegenstellt werden wie z.B.:

  1. Penizillin wurde von der Universität London erfunden;
  2. DNA von der Universität Cambridge und
  3. der erste Allzweck-Digitalcomputer wurde 1945 an der University of Pennsylvania gebaut.

Schlimmer noch ist für die neoliberalen freien Markt Verehrer, dass selbst die künstliche Intelligenz an Universitäten begann, und zwar an Orten wie MIT, Stanford und Edinburgh. KI wurde nicht von Unternehmen des freien Marktes entwickelt, sondern von staatlich-geförderten Institutionen.

Trotzdem übernahmen irgendwann Konzerne das Geschäft mit KI. Heute sehen wir zum Beispiel, dass der Umsatz von Apple mehr als das BIP von einem Land wie Portugal beträgt. Schlimmer noch, die meisten großen Tech-Unternehmen sitzen auf riesigen Geldhaufen.

Es wird geschätzt, dass US–Unternehmen Gewinne von über eine Billion US–Dollar auf Offshore-Konten halten – ein eher nettes Wort für Steueroasen, in denen die Unmoral zwielichtiger Steuersenkungsprogramme oder, wie Ketzer sagen würden, Steuerbetrug plus Geldwäsche, einhergeht.

Abgesehen von der unmoralischen und halb-kriminellen Seite vieler Technologiekonzerne, die KI entwickeln, ist die Angst vor den "superintelligenten Maschinen", die Menschen übertrumpfen und überwältigen könnten, wohl doch überzogen. Überraschenderweise machen sich viele, die in der KI arbeiten, "fast keine" allzu großen Sorgen um superintelligente Maschinen.

Der britische Moralphilosoph Nick Bostrom befürchtet trotzdem, dass Superintelligenz eine existenzielle Bedrohung für den Fortbestand der Menschheit darstellt. Angenommen, wir wollen die Krebskrankheit besiegen. "Das ist einfach", könnte eine superintelligente KI-Maschine sagen. Wir müssen einfach alle Wirte von Krebs eliminieren. Und so würden die KI-Roboter anfangen, alle Lebewesen zu töten – ein logischer Weg, um das Problem zu lösen.

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