Die NATO zieht in den Krieg

Der nächste Telekrieg

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NATO-Generalsekretär Solana hat, wie zu erwarten war, die Einleitung von Luftangriffen auf dei Bundesrepublik Jugoslawien angeordnet, nachdem der amerikanische Sonderbotschafter Holbrooke in Belgrad keine Ergebnisse erzielt hat.

Noch vor dem Angriffsbefehl für die NATO-Truppen wurde in der Bundesrepublik Jugoslawien der Ausnahmezustand ausgerufen und hat Mazedonien die Grenzen für alle Flüchtlinge geschlossen. Die Kosovo-Albaner hatten bereits am Nachmittag auf der Website des Krisenzentrums den Westen aufgefordert, militärisch einzugreifen.

Ziel der militärischen NATO-Angriffe sei es, die gewalttätigen Angriffe der serbischen Armee und der Spezialeinheiten der Polizei zu stoppen und eine "humanitäre Katastrophe" zu verhindern. Die freilich ist schon längst eingetreten durch das lange Zaudern der NATO, da bereits jetzt schon weit über 20 Prozent der Menschen im Kosovo auf der Flucht sind. Man sei jederzeit bereit für eine politische Lösung. Die Kosovo-Albaner und die UCK werden aufgefordert, auf dem eingeschlagenen "Weg des Friedens" zu bleiben und jede provozierende militärische Aktion zu unterlassen.

Solana betonte, daß man nicht gegen Jugoslawien Krieg führe, sondern weiteres menschliches Leiden, Repression und Gewalt verhindern wolle. Überdies habe man handeln müssen, damit sich in der Region nicht Instabilität ausbreitet.

"Wir müssen ein autoritäres Regime stoppen, seine Menschen in Europa am Ende des 20. Jahrhunderts zu unterdrücken. Wir haben eine moralische Pflicht, so zu handeln. Die Verantwortung ruht auf unseren Schultern, und wir werden sie erfüllen."

Zum ersten Mal werden nach dem Zweiten Weltkrieg auch deutsche Soldaten eingesetzt. Zynisch merkte bereits das serbische Informationsministerium an, daß die Deutschen unter Hitler und später die Allierten schon einmal Belgrad bombardiert haben. Die Nachkriegsgeneration wird jetzt also gefordert sein und sich erneut der deutschen Vergangenheit stellen müssen. Dafür werden die Serben schon sorgen, wenn die ersten Bomben aus den Tornados gefallen sind - und die Aktion nicht vom Sicherheitsrat der UN gedeckt ist.

Eine Tele-Pazifismus, wie man ihn gerne hierzulande gepflegt hat, ist sicher Fehl am Platz, wenn man es mit einem Provokateur wie Milosevich zu tun hat. Die Angriffe aus der Luft allerdings werden vermutlich wenig Wirkung haben, auch wenn Jugoslawien nicht so totalitär ist wie der Irak. Zu erwarten ist dennoch eine Art Krieg, wie er derzeit auch im Irak stattfindet: im Prinzip endlos. Es geht nicht mehr um die Eroberung eines Territoriums, und vor allem soll es möglichst keine Verluste von NATO-Soldaten geben, weil sich demokratische Regierungen keinen "selbstlosen" moralischen Einsatz leisten können, bei dem aus "humanitären Gründen" Menschen umkommen und viel Geld ausgegeben wird. Der Telekrieg stellt eine Art Kompromiß dar, aber nur solange, wie die angeblich aus "humanitären" Gründen Handelnden technisch überlegen sind.

Natürlich sind die humanitären Gründe im Fall des Kosovo auch egoistischer Natur, denn Friedenssicherung heißt auch zu verhindern, daß eine Flut von Flüchtlingen über die eigenen Grenzen kommt und dann den inneren Frieden belastet. Gleichwohl gibt es mittlerweile eine globale Verpflichtung, auch wenn sie sehr selektiv gehandhabt wird. Was am Ende des 20. Jahrhunderts ansteht, ist eine globale Innenpolitik auf der Grundlage der Menschenrechte, die zu einer globalen Verfassung werden müßten: gestützt auf einen Internationalen Gerichtshof, aber auch auf ein wirkliches UN-Parlament, das von den Bürgern gewählt wird, und Internationale Sicherheitskräfte - und einer Politik, die für eine gerechtere Verteilung des Wohlstands sorgt. Solange die internationale Gemeinschaft abhängig ist von der Willkür der Nationalstaaten und kein wirkliches demokratisches Weltparlament ist - das sieht man auch bei der EU -, wird es solche Situationen wie in Jugoslawien trotz aller Globalität der Wirtschaft und der Kommunikation immer wieder und immer häufiger geben. Aber all dem stehen so viele Interessen entgegen, daß dieser Jahrtausendfehler wahrscheinlich auch im nächsten Jahrhundert nicht behoben werden wird.