Die Nationale Raketenverteidigung der USA

Das 'Mini-SDI Projekt' der USA spaltet den Westen, provoziert die RF und China und stellt die Weichen in Richtung einer neuerlichen globalen Rüstungsrunde

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Im Jahr 1983 war die ideologische Orientierung im Kalten Krieg trotz fortgesetzter Entspannungspolitik für Präsident Reagan noch unzweideutig intakt. Die Sowjetunion war das 'Reich des Bösen' und seine 'visionäre' Rede im März 1983 verhieß durch die Strategische Verteidigungsinitiative SDI ein Abgehen von der bis heute gültigen nuklearstrategischen Doktrin der gesicherten gegenseitigen Massenvernichtung durch einen nuklearen Holocaust, eine Doktrin des gesicherten eigenen Überlebens der USA. Die naive militärische und technische Utopie bestand darin, dass bis zur Entwicklung der Kernwaffen und der ballistischen Raketen niemals bedrohte 'US-homeland' wieder in den Zustand seiner insular-kontinentalen Nicht-Bedrohbarkeit zurückversetzen zu wollen. In Paraphrase zu Michail Gorbatschows berühmtestem Theorem könnte man rückblickend urteilen: "Wer zu früh kommt, den bestraft die Technikgeschichte".

The rocket in flight was successfully intercepted and destroyed in field testing at the Army's High Energy Laser Systems Test Facility, White Sands Missile Range, N.M. Bild: TRW, Inc.

Von den damals skizzierten utopischen Waffensystemen, die auf der Erde und im Weltraum stationiert werden sollten, nämlich Laserwaffen chemischer und nuklearer Art, Teilchenstrahlwaffen, Abfangraketen und ‚simple' orbitale Kollisionskörper, konnte bis heute kaum etwas zu einer funktionierenden einzelnen Waffe oder gar zu einem Waffensystem zusammengefügt werden1, obgleich seitdem etwa 70 Milliarden Dollar in Forschungs- und Entwicklungsprojekte investiert wurde.

Diese jedoch sind als Dividenden technologischen Vorsprungs für die USA zurückgeflossen und produzieren von Seiten des militärisch-industriellen Komplexes Handlungsbedarf. Die Fähigkeit der USA zur Echtzeit-Aufklärung von relevanten Ereignissen auf der Erdoberfläche und zu einer taktischen weltraumgestützten Kriegsführung, was sich im Irak- und Kosovo-Krieg gezeigt hat, ist ua. darauf zurückzuführen. Auch sind die USA als verbliebene Supermacht der einzige Staat, der eine explizite militärische Doktrin zur Weltraum-Kriegsführung2 entwickelt hat. Dabei handelt es sich nicht mehr um Fiction aus Hollywood, sondern um Realpolitik.

Das derzeit zur Entscheidung anstehende System der USA ist von seiner technischen Architektur wesentlich bescheidener angelegt als SDI. Es soll nur "einige wenige zehn" bis "mehrere zehn" Interkontinentalraketen von sogenannten 'Schurkenstaaten' - dieser Terminus wurde zwar im Juni des Jahres aus atmosphärischen Gründen von der US-Außenpolitik aus der offiziellen Sprachregelung gestrichen, vom US-Verteidigungsministerium jedoch beibehalten - noch vor der Wiedereintrittsphase im Weltraum mit bodengestützten Abfangraketen zerstören können.

Tactical High Energy Laser Shoot-Down, Bild: TRW, Inc.

Bislang fanden erst zwei von 19 geplanten Tests unter kontrollierten Bedingungen statt. Der erste 1999 gelang, der zweite im Januar 2000 war ein Fehlschlag. Die Infrarot-Steuerung zur Erkennung von Sprengkopfattrappen funktionierte nicht. Für den 7. Juli ist ein dritter Test geplant und Präsident Clinton hat angekündigt, nach diesem Test zu entscheiden, ob und welche Variante nun in Auftrag gegeben werden soll. Drei verschiedene Optionen werden dabei für realisierbar gehalten3:

(1) Zwanzig Abfangraketen stationiert in Alaska, eine Erweiterung von fünf Frühwarnradar-Stationen in den USA, Großbritannien und Grönland, erweiterte technische Mittel für die Kommando- und Kontroll-Kriegsführung. Stationierung Ende 2005. (2) Wie Version (1) jedoch mit 100 Abfangraketen in Alaska. Stationierung Ende 2007. (3) Bis zu 250 Abfangraketen in Alaska und Nord-Dakota, zahlreiche neue Militärsatelliten, zahlreiche neue Radar-Stationen, u. a. in Süd-Korea. Das Congressional Budget Office, also der ‚Rechnungshof' des US-Kongresses, schätzte die Kosten Ende April für die drei Phasen-Variante auf etwa 60 Milliarden Dollar und für die kleinste Variante auf die Hälfte davon. Selbst das Pentagon teilt diese Einschätzung und spricht bei einer ‚Light-Version' von etwa 30 Milliarden Dollar.

Die politischen Kontroversen über NMD

Präsident Clinton hat angekündigt, anhand von vier Kriterien über die Stationierung des Raketenabwehrsystems entscheiden zu wollen: Verfügbarkeit der Technologie, Auswirkungen auf die Rüstungskontrolle, tatsächliche Bedrohung und Kosten. Nicht nur US-Kritiker, wie etwa von der Federation of American Scientists, argumentieren, dass mit einer realistischen Bedrohung seitens nuklearer Schwellenländer derzeit nicht gerechnet werden muss. Innenpolitisch interessant ist, dass das geistige Klima für die Raketenabwehr erst in den letzten beiden Jahren langsam vom republikanisch dominierten Kongress aufgebaut wurde. Denn die US-Geheimdienste kamen ziemlich gleichlautend in ihren nationalen ‚Intelligence'-Einschätzungen der letzten Jahre zu dem Schluss, dass keine solche Bedrohung in absehbarer Zeit bestehe.

Tactical High Energy Laser Beam Director. Bild: TRW

Ein gewichtiger technischer Einwand ist, dass ein Staat, der die Technologie einer funktionsfähigen Interkontinentalrakete meistert (was bei den verdächtigten ‚Schurkenstaaten' Nord-Korea, Irak und Iran durchaus fragwürdig ist), mit geringem Zusatzaufwand Täuschkörper und Attrappen einsetzen könnte, eine Methode, die die gesamte Funktionsfähigkeit der Weltraumverteidigung in Frage stellen würde. Unabhängige Raketenexperten, wie etwa Dr. Ted Postol vom MIT, werfen dem Pentagon gar vor, die Versuchsanordnung so vereinfacht und manipuliert zu haben, dass die erwünschte Schlussfolgerung, die Zielerkennung des Systems sei in der Lage, zwischen Täuschkörpern und wirklichen Sprengköpfen zu unterscheiden, nicht mehr aufrecht erhalten werden könne.4 Mittlerweile haben 53 demokratische Abgeordnete in einer Petition das FBI aufgefordert, Ermittlungen über diese mutmaßliche Betrugsabsicht bei der Ballistic Missile Defense Organization (BMDO) anzustellen.

Tatsächlich ist das Problem der nationalen Raketenverteidigung wesentlich vielschichtiger und komplexer, als es auf den ersten Blick scheint, da damit eine Reihe von internationalen Rüstungskontrollvereinbarungen tangiert ist, beispielsweise das Regime des Nichtverbreitungsvertrages von Kernwaffen, der ABM-Vertrag von 1972, der der RF und den USA ein strategisches Raketenabwehrsystem verbietet, das über 100 Startgeräte hinausreicht, sowie der START-II-Vertrag zwischen der USA und der RF, der zwar erst kürzlich von der Russischen Duma ratifiziert wurde, aber noch nicht in Kraft getreten ist, da diese ein Implementierungsgesetz beschlossen hat, das die Umsetzung des Vertrages wiederum an Bedingungen koppelt, die von den USA noch nicht erfüllt wurden.

Zusätzlich kompliziert wird die gesamte Debatte dadurch, dass in den USA kein innenpolitischer Konsens über die zentralen Fragen der nuklearen Rüstungskontroll- und Nichtverbreitungspolitik mehr besteht. Dies war zwar ein parteiübergreifendes Anliegen der US-Politik von Kennedy bis Clinton, aber der republikanisch dominierte Kongress verweigerte aus rein innenpolitischen Motiven heraus die Ratifizierung des Umfassenden Nuklearen Teststoppvertrages (CTBT), der erst kürzlich wiederum von der Russischen Duma ratifiziert wurde. Die US-Rüstungs- und Militäreliten und ihre Lobbyisten in den politischen Ämtern betreiben seit Mitte der 90er Jahre einen massiven qualitativen Aufrüstungskurs und bewegen sich in Sachen NMD auf einen sicherheitspolitischen Isolationismus, wenn nicht Autismus zu.

Aus mehreren Gründen steht das globale Nichtverbreitungsregime von Kernwaffen womöglich vor einem endgültigen Kollaps, wozu die US-Vision einer nationalen Raketenverteidigung lediglich der letzte, aber entscheidende Anstoß sein könnte:

Erstens ist die Weiterverbreitung von Nuklear- und Raketentechnologie im Gang und sekundäre Mächte können sie begünstigen. Die Nukleartests von Indien und Pakistan 1998 haben demonstriert, dass insbesondere in Ostasien ein Sicherheitsdilemma existiert. Renommierte nicht-regierungsgebundene Wissenschafter haben erst kürzlich den US-Dienststellen vorgeworfen, das Atomwaffenprogramm von Indien und Pakistan verharmlost, dasjenige von Nord-Korea und Iran übertrieben dargestellt zu haben. Chinas Nukleararsenal ist mit etwa 20 Interkontinentalraketen mit Einfach-Sprengköpfen in der Größenordnung des geplanten US-Abwehr-Systems. China wird vermutlich sein Arsenal aufstocken, wenn die USA die Raketenabwehr realisieren, wodurch wiederum Indien als regionaler Rivale Chinas zu weiterer Nuklearrüstung veranlasst werden könnte, mit weiteren Auswirkungen auf das Nuklearprogramm von Pakistan. Die alte ‚Dominotheorie' der nuklearen Proliferation ist für Ostasien noch lange nicht widerlegt.

National Missile Defense, Bild: FAS

Zweitens, als vor fünf Jahren der Nichtverbreitungsvertrag für Kernwaffen unbefristet verlängert wurde, haben die Nuklearmächte den Nichtkernwaffenstaaten in sog. ‚negativen Sicherheitsgarantien' versichert, Kernwaffen nicht gegen diese einzusetzen. Auch hier gibt es ein Umdenken seitens der USA und der RF. In den letzten Jahren wurde vor allem in den USA eine Militärdoktrin der Konter-Proliferation entwickelt, die den Ersteinsatz von substrategischen (taktischen) Kernwaffen gegen (Produktions-) Einrichtungen von biologischen und chemischen Waffen nicht ausschließt.5 Auch die RF hat kürzlich die Schwelle für den Einsatz von Kernwaffen deutlich gesenkt, indem ein Kernwaffeneinsatz zur Abschreckung eines Angriffs "mit anderen Massenvernichtungswaffen und zur Abwehr eines konventionellen Angriffs" gegen die RF als möglich angesehen wird.

Darüber hinaus hat Präsident Putin angekündigt, im Fall der Realisierung der US-Raketenabwehr und einem einseitigen Ausstieg der USA aus dem ABM-Vertrag (halbjährige ‚Kündigungsfrist'), die gesamte bilaterale nukleare Rüstungskontrolle mit den USA aufzukündigen. Man mag dies mit dem Argument vom Tisch wischen, die RF sei unter Putin weder an einem Konfrontationskurs mit dem Westen interessiert, noch in der Lage, sich ohne westliche Finanzspritzen über Wasser zu halten und schon deshalb nicht in fähig, eine weitere selbständige Nuklearrüstung zu betreiben. Dieses Argument hat eine gewisse Plausibilität, aber nicht mehr. Es vernachlässigt die Diskrepanz zwischen den politischen Absichtserklärungen, den militärischen Planungen und den technologischen Entwicklungen auf US-Seite.

Denn auf dieser Ebene haben die USA, wenn sie sich für NMD entscheiden, ein technologisches ‚Ausbruchspotenzial', das sich in der Wahrnehmung anderer militärischer Eliten als Erreichung oder Optimierung einer strategischen Erstschlagfähigkeit darstellen kann. Die Nukleargeschichtsforschung über den Kalten Krieg fördert Dokument um Dokument die Evidenz zutage, dass eine solche strategische Erstschlagfähigkeit auf beiden Seiten zumindest angedacht wurde. Innenpolitisch bedeutet dieses ‚Ausbruchspotenzial' der USA aus der Logik der strategischen Abschreckung, dass die zögerliche Haltung der Clinton-Regierung, sich vorbehaltlos für die Realisierung von NMD zu entscheiden, im Wahlkampf von den Republikanern mit der Position beantwortet wurde, dieses NMD-Konzept sei wesentlich zu gering dimensioniert und sollte politisch wie auch technisch zu einer umfassenden Raketenabwehr im Sinne des alten SDI-Programms ausgebaut werden.

Auch wenn nahezu alle regierungsunabhängigen Raketenexperten der Auffassung sind, dass dieses jetzt und so geplante NMD-Programm technisch kaum bis gar nicht realisierbar sein wird - was die Geschichte von SDI anbelangt, haben sich ähnliche Kritikpunkte alle als zutreffend herausgestellt -, so haben doch die russischen Analytiker keinesfalls ganz unrecht, wenn sie befürchten, dass mittelfristig durch die NMD ihre strategische Zweitschlagfähigkeit an Bedeutung verlieren könnte. Nicht zufälligerweise ist die ‚Revolution in militärischen Angelegenheiten' (RMA) eine informationstechnische Revolution, die Echtzeitaufklärung als Voraussetzung hat. Die RF ist daher weniger besorgt über die einzelnen Startgeräte, die sie glauben mit vergleichsweise ‚billigen' Gegenmaßnahmen neutralisieren zu können, als über die dabei notwendig aufzubauende Frühwarn-Radar- und Aufklärungskapazität und ihre politischen Implikationen. Technisch betrachtet, haben diese Systeme kein Etikett, auf dem ‚defensiv' steht, sie können auch für offensive Zwecke verwendet werden. Wenn man soweit geht wie manche US-Autoren, die in der Umsetzung der RMA schließlich den finalen Sargnagel der Sowjetunion erkannt zu haben glauben6, darf man sich über die internationale politische Wirkung von NMD nicht wundern.

Drittens schließlich bewegt sich die NATO sowohl durch die US-Pläne der Raketenverteidigung als auch durch die europäische Emanzipation im Bereich der Sicherheitspolitik auf eine ernste mittelfristige Krise zu. Der Kosovo-Krieg der alliierten NATO-Staaten gegen die Bundesrepublik Jugoslawien war der Nukleus dieser Krise sowohl in seiner Wirkung nach innen gegenüber den NATO-Partnern, als auch gegenüber dem Rest der Welt.

Wer ankündigt, künftig Bürgerkrieg, Menschenrechtsverletzungen und ethnische Säuberungen à la Balkan 1991-1999, nach dem Modell des Kosovo-Krieges 1999, mit einseitigen militärischen Maßnahmen unter Umgehung des UN-Sicherheitsrates und der Charta derselben beantworten zu wollen, wird sich der Perspektive gegenüber sehen, dass mindestens zwei Dutzend Staaten bzw. Regime, in denen die Menschenrechtsstandards und Rechte von ethnischen Minderheiten gleich schlecht oder schlechter geschützt sind als in der BRJ, in der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen ein taugliches Mittel sehen könnten, von solchen Militärinterventionen abzuschrecken. Paradoxerweise - und Rüstungsspiralen sind immer paradox, da sie auf teilweise sich selbstverstärkenden paranoiden Wahrnehmungs- und Denksystemen bestehen - werden die wenigen deklarierten Feinde oder Staaten in ähnlicher Befindlichkeit eher zunehmen und sich asymmetrischer Mittel bedienen, nachdem solche Prognosen zuvor von den Bedrohungstheoretikern auf akademischer und militärpolitischer Seite insbesondere in den USA behauptet wurden. Es handelt sich dabei um ein klassisches Beispiel einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung.

Der Riss in der NATO vollzieht sich genau entlang dieser Bruchlinie, wobei noch unklar ist, ob es sich dabei um eine von den Europäern beabsichtigte Sollbruchstelle zwischen Europa und den USA handeln wird, oder ob wieder einmal eine große Menge diplomatischen Klebstoffs darüber gekleistert werden wird. Die US-amerikanischen nuklearen Zielplanungen dünnten sich in den frühen 90er Jahren aus. Es gab trotz strategischer Abrüstung zu wenig Ziele für zu viele Nuklearsprengköpfe. Seite Mitte der 90er Jahre wurde die Zieldatenbank der US-Kernwaffen auf zahlreiche Staaten der ‚südlichen Hemisphäre' ausgeweitet.7 Ganz anders in Europa. Hier wurden von den beiden autonomen Nuklearmächten Frankreich und Großbritannien der Kurs in Richtung einer strategischen ‚Minimalabschreckung' eingeschlagen. Auf die Beibehaltung einer strategischen Triade von land-, luft- und seegestützter Abschreckung wurde verzichtet. Die Hauptkomponente ist seegestützt. Auch haben sich die europäischen NATO-Staaten der nuklearen Bedrohungshysterie der USA durch dritt- und viertklassige Mächte bislang nicht wirklich angeschlossen, jedenfalls nicht so weit, dass daraus irgendwelche Änderungen der nuklearen Zielplanung erfolgt wären.

Die NMD-Diplomatie der näheren Zukunft

Ganz gleich, ob die Clinton-Adminstration jetzt zaudert und zögert und somit das Problem einer definitiven Entscheidung über den Baubeginn im Frühjahr 2001 der nächsten Regierung überlässt, so NMD steht im Raum und wird massiv von den Republikanern, deren Präsidentschaftkandidaten George Bush und der Rüstungslobby forciert. Selbst Boing hat angekündigt, eine massive NMD-Kampagne zu lancieren.8

Die Europäer wissen, dass die Amerikaner wissen, dass NMD in der jetzt geplanten Form nur unter Einbeziehung von Frühwarn-Radars in Großbritannien, Grönland und wahrscheinlich auch Norwegen zu realisieren sein wird. Die Russen wissen das auch. Ihr letzter diplomatischer Schachzug war die Drohung, im Fall der Realisierung von NMD auch den IMF-Vertrag zu kündigen, der in den späten 80er Jahren die Zerstörung der SS-20 Raketen auf sowjetischer Seite und der Pershing-2 auf NATO-Seite, Nuklearwaffen mittlerer Reichweite, die nur gegeneinander gerichtet waren, vereinbarte.

Auch wenn diese Perspektive zu alarmistisch erscheinen mag, ist absolut nicht einzusehen, weshalb Europa sich zehn Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges zu einem neuen strategischen Rüstungswettlauf, der eindeutig von den USA ausgeht, zwingen lassen sollte. Dies wäre auch eine Chance der gemeinsamen Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik, also auf der Plattform der EU, ein klares ‚Nein' zu äußern und eine technische Kooperation a priori zurückzuweisen. NMD ist kein ‚Win-Win-Szenario'. Es ist vorläufig ein ‚Win-Loose-Loose-Szenario'. Die Gewinner sind die US-Rüstungsindustrie und die Isolationisten. Die Verlierer: die Europäer, die RF und der Rest der Welt.

Dr. Georg Schöfbänker ist Leiter des Österreichischen Informationsbüros für Sicherheitspolitik und Rüstungskontrolle in Linz