Die Ökonomisierung des Sports
- Die Ökonomisierung des Sports
- Wirtschaftsideologie im Fußball
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Am Beispiel des deutschen Fußballs
Dass es beim Fußball längst nicht mehr nur um sportliche Vergleiche geht, ist ein Gemeinplatz. Wie tief die unternehmerische Logik bereits in diese Sportart eingedrungen ist und das Denken und Handeln von Sportlern, Trainern, Funktionären und Vereinen bestimmt, soll im folgenden Essay vor Augen geführt werden. Dass der Leistungssport damit die soziale Spaltung der Gesellschaft vorantreibt, ist nur eine der Folgen dieser Entwicklung.
Fußball als Unternehmen
Der Spitzensport und insbesondere der Fußball sind in den letzten Jahren mit zunehmender Geschwindigkeit kommerzialisiert worden. Dies kann man etwa an den Auseinandersetzungen um milliardenschwere Ausstrahlungsrechte im Fernsehen ablesen, an der Umwandlung vieler Fußballmannschaften in Aktiengesellschaften seit den 1990er Jahren oder am "Handel" mit Spitzensportlerinnen und Spitzensportler, die für Millionen Euro hin und her gekauft werden.
Die Durchökonomisierung manifestiert sich an allen Ecken und Enden des deutschen Fußballs. Der Erfolg von Vereinen im sportlichen Wettbewerb ist zu einem großen Teil dem Erfolg von konkurrierenden Privatunternehmen gewichen. Wer viel in fußballerisches "Humankapital" investieren kann, hat die besten Chancen auf lukrative Siege im Wettbewerb.
Bereits bei einem Klick auf die Internetseite des Deutschen Fußball-Bundes1 springen einem 13 Logos von Konzernen ins Gesicht, darunter das Logo des Hauptsponsors (Mercedes-Benz) auf der Höhe und in derselben Größe des DFB-Logos (s. Abbildung 1).
Zehn der zwanzig größten Fußballstadien in Deutschland tragen die Namen von Privatunternehmen, welche als Sponsoren fungieren oder direkt finanziell an den Vereinen beteiligt sind. Die Frauen-Bundesliga trägt sogar den Namen eines privaten Versicherungskonzerns (Allianz).
Eine große Welle der Kommerzialisierung rollte im Fußball hierzulande bereits 1999 los mit dem ersten Börsengang des Fußballvereins Borussia Dortmund. Heute sind eine Reihe von Vereinen Aktiengesellschaften, lassen also andere mit ihrem Erfolg oder Misserfolg spekulieren. International ist der Trend zur Ökonomisierung des Fußballs zum Teil noch stärker ausgeprägt.
Erster börsennotierter Fußballverein in Europa war 1983 der Londoner Club Tottenham Hotspur - passend zum neoliberalen Umbau des Königreichs durch Margaret Thatcher seit 1979. Seither sind Worte wie CashFlow, Kennzahlen, Börsenwert, Rendite oder wachstumsbeschleunigende Investitionen zunehmend in den Vordergrund getreten und heute Normalität im Fußball.
Der Wettbewerbscharakter des Fußballs bezog sich einst auf die unterschiedliche regionale Herkunft von Vereinen. Heute ist dies zwar oberflächlich betrachtet noch immer so, tatsächlich befinden sich aber nicht Regionen im sportlichen Wettbewerb, sondern Marken bzw. Fußball-Wirtschaftsunternehmen: Spieler bzw. Produktionsmittel werden zum Marktwert eingekauft und eingesetzt.
Durch die erfolgreiche Teilnahme an Wettbewerben werden Finanzmittel erwirtschaftet, welche dann wiederum in neue Spieler investiert werden. Die Vereine, die über die größten Geldressourcen verfügen, sind in der Regel auch die erfolgreichsten.
Durch eine Regelung über das Stimmrecht soll in Deutschland mit der sogenannten 50+1-Regel immerhin die Entscheidungshoheit in der Hand der Fußballvereine selber verbleiben.
Es gibt aber Ausnahmeregelungen für Vereine, die von Wirtschaftsunternehmen seit über 20 Jahren gefördert werden. An solche Unternehmen kann eine Mehrheit der Stimmrechte übertragen werden. Eine solche Sonderregelung besteht für Betriebsvereine wie Bayer 04 Leverkusen, auch wenn sie de facto gar keine Betriebsvereine mehr sind. Überhaupt lässt die 50+1-Regel die Ökonomisierung des Fußballs eher unberührt.
Insgesamt findet sich bei fast allen Erstliga-Vereinen ein Gewirr an Beteiligungen und Sponsoren sowie Abhängigkeiten von Konzernen. Auch sind die meisten Vereine in Deutschland zumindest in Teilen privatwirtschaftlich organisiert. Vereine in Vereinsform sind eher selten; aber auch sie sind durchgehend von Sponsoren abhängig.
Auf Unternehmenslogos auf Trikots verzichtet keiner von ihnen, auch wenn die Einnahmen durch Kartenverkäufe und Übertragungsrechte sicherlich ausreichend für die Bezahlung der Fußballerinnen und Fußballer wären.
Fußball und Privatunternehmen
Eine weitere Stufe der Ökonomisierung des Fußballs in Deutschland stellte 2009 die Gründung des Vereins RB Leipzig dar, der seither schnell durch die Ligen aufstieg. Der scheinheilige Name des Vereins "Rasen Ballsport (RB)" versucht nur halbherzig zu verschleiern, dass der Verein vom Limonaden-Imperium Red Bull gepusht, gesponsert und finanziert wird, der Name ist kein Zufall.
Der Gesellschafter ist natürlich auch die Red Bull GmbH, die Heimarena heißt Red Bull Arena. Das Logo des Hauptsponsors prangt auf allen Trikots und Fanartikeln. Es handelt sich bei RB Leipzig quasi um einen inoffiziellen Unternehmensverein unter den Fittichen eines Weltkonzerns, der überhaupt nicht aus der Region Leipzig stammt.
Das Unternehmen Red Bull passt zur Ökonomisierungsideologie, stellt es doch körperliche Höchstleistung in seiner PR- und Werbestrategie stets in den Vordergrund. Der große, weltweite Erfolg des übersüßten Kunstgetränks lässt sich aber sicherlich auch erklären mit dem Erfolg einer Marketingstrategie, die sich kongenial in die neoliberale Leistungsgesellschaft einzubetten vermag.
In Werbeanzeigen für das Getränk heißt es etwa: "Konzentriert bei Prüfungen" oder "Die spezielle Formel und die einzigartige Kombination von Inhaltsstoffen wurde speziell für Zeiten erhöhter geistiger und körperlicher Anstrengung entwickelt". Die Werbung passt gut in ein Umfeld von Überforderung, Überstunden und dem Tanz auf dem schmalen Grat am Abgrund zum Burnout.
Neben Red Bull sind auch andere Sponsoren aus der Lebensmittel- und Lifestyle-Industrie - wie Coca-Cola, Ferrero oder McDonald's - höchst zweifelhaft in ihrem gesellschaftlichen und vor allem gesundheitlichen Nutzen. Im Zuge der Fußball-Europameisterschaft (EM) 2016 wurde die Nationalmannschaft für eine Werbeaktion gemeinsam mit Sponsoren kritisiert, bei der sie für ungesunde Lebensmittel warb; und das mit einer zum Teil minderjährigen Zielgruppe.
Damit wirkte die Mannschaft ihrem Vorbildcharakter entgegen, denn schließlich soll Sport ja ein gesundes Leben verkörpern und vermitteln. Die NGO Foodwatch warf der Fußballmannschaft vor, ihrer Vorbildrolle nicht gerecht zu werden. Die Diabetes Gesellschaft (DDG) rief die Mannschaft dazu auf, ihre Werbeverträge mit Coca-Cola zu kündigen.
Die Forderungen prallten am Deutschen Fußballbund (DFB) ab; man benötige eben die "wirtschaftliche Unterstützung" der "Sponsoren und Partner" (Siehe Telepolis: Werbekampagne für "Ungesundes": Foodwatch wirft DFB und Nationalspieler Doppelmoral vor). Laut Aussage des Kochs der Nationalmannschaft wird pikanterweise für die Fußballer selber "überwiegend stilles Wasser und Tee" zubereitet.
Nicht nur Unternehmen, auch einzelne Personen der ökonomischen Elite mischen im Fußball mit, so etwa osteuropäische Oligarchen, die ganze Clubs kaufen. Dies ist international betrachtet eine weitere Dimension der Transformation des Fußballs nach den Prinzipien des kapitalistischen Wirtschaftssystems.
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