Die Politserie, die Emmanuel Macron jetzt sehen muss
Seite 2: Innenansichten aus dem Maschinenraum des Politischen
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"Baron Noir" ist großartig darin, wie die Serie diesen politischen Betrieb zeigt. Die Serie funktioniert als Einführung in das alltägliche "langsame Bohren dicker Bretter", als das Max Weber den Alltag des Politikers beschrieben hat - wobei Philippe Rickwaert auch schon mal die Kettensäge oder den Flammenwerfer ansetzt, wenn er nicht schnell genug durchkommt.
Denn Timing ist auch in der Politik alles: Wer ist der Erste? Wer ist wann wo? Und wenn Rickwaert gelegentlich (einmal sogar im Parlament) Blaumann trägt, dann auch deswegen, weil er selbst ein Handwerker des Politischen ist, ein Arbeiter, der keine Angst davor hat, sich die Hände schmutzig zu machen und der sich auch danach den Dreck unter den Fingernägeln nicht sorgfältig wegmaniküren lässt. Ein Aufsteiger, der keine Scheu davor hat, als solcher sichtbar zu sein.
"Baron Noir" liefert unglaublich präzise und schöne Innenansichten aus dem Maschinenraum des Politischen. Sie stammen vor allem aus dem Lager der Linken, die aus dieser Serie sehr viel lernen könnte - wenn sie nur will. Ein Beispiel aus der vierten Folge, in der sich gegen die Bildungsreform der neuen Regierung Studentenproteste erheben, die Rickwaert verbündet mit dem linken Flügel der PS unterstützt.
Zunächst sieht man hier, wie die dummen linken extremistischen Splittergruppen, sich immer wieder auf Abwege führen lassen, wie sie nicht begreifen (wollen oder können), dass Politik zur Hälfte aus Organisation und aus Verfahrenstricks besteht, aus dem richtigen Timing und aus Bündnissen mit Gegnern, dagegen überhaupt nicht aus Inhalten.
"Genug mit revolutionären Geschwätz - willst du der Regierung eine Niederlage beibringen? Ja oder Nein?", fragt Rickwaert, aber sie verstehen nichts - ganz im Unterschied zu den Rechten, die der Macht deshalb schon immer verbundener waren.
"Es gibt Freunde und Feinde - der Rest ist Literatur"
Dann später bekommt man eine Lektion darin, wie sich das Anliegen einer Massen-Demonstration zerstören lässt: Diese Demonstration wird von ihren Gegnern nämlich nicht etwa bekämpft und kritisiert. Sondern mit Hilfe eingeschleuster Parteigänger wird sie vorangetrieben - damit es nicht genug Zeit zur Vorbereitung gibt -, sie wird auf das Datum eines großen Fußballspiels gelegt, bei dem wiederum eine große Hooligan-Schlägerei inszeniert wird - warum?
Damit Polizei damit zu tun hat und nicht genug Polizeikräfte da sind, um das gleichfalls inszenierte Eskalieren der Proteste zu stoppen. Gewalt und zerstörte Schaufenster sind die Folge - der Protest ist damit moralisch diskreditiert. Natürlich nicht wirklich. Aber in den Augen der Öffentlichkeit. Und die allein ist, was zählt. Was lernen wir? Das Wichtigste für einen Berufsrevolutionär ist Disziplin.
Solche Episoden gibt es viele. Ebenso viele Merksätze (manchmal auch Kalendersprüche) für Politiker: "Politik ist wie Sumo - nutze die Kraft des Gegners."; "Lächle, lächle, bleibt im Zen-Modus."; "'Mir sind die Hände gebunden.' - 'Dann binden sie sie los.'" Oder: "Diese ganzen Entschuldigungen 'er ist ein Opfer, er kann nicht anders', das ist Psychologie der Scheiße und nur Zeitverlust. Es gibt Freunde und Feinde - der Rest ist Literatur."
Parteifeinde und Präsident
Dieser Satz stammt von Präsident Francis Laugier. Der Präsident und Phillippe, sie sind die Erzrivalen, sie wollen aneinander Rache nehmen und sind sich doch so nahe wie keine zwei anderen Figuren in dieser Serie. Gelegentlich werden sie parallel montiert, die Ähnlichkeit und Zeitgleichheit ihrer Gedanken wird hervorgehoben.
Francis Laugier ist erkennbar Francois Mitterand nachempfunden. In seinen schlechtesten Seiten wie dem Bespitzeln von Mitarbeitern und in seinen besten Seiten - der hohen Bildung, den literarischen Metaphern, der Ruhe und den Momenten des Nachdenkens. Einmal sieht man für einen tollen Film-Augenblick den Präsidenten allein im Garten des Elysee - "un promeneur du parc."
So ließe sich dieses Polit-Drama von epischen Dimensionen noch lange nacherzählen. Es ist weit weniger niedlich als "Borgen", wo das Politische noch in Gut und Böse unterteilt wird, während hier Grauzonen bevorzugt werden, es ist auch weit weniger privatistisch, denn was soll das Privatleben der Politiker, das wenige, das sie haben, mit ihrer Politik zu tun haben?
Auf derartige Verkitschungen und billige Psychologisierung verzichtet diese Serie. Auch wenn dies eine Geschichte aus Hass, Rache und Obsession ist, ist es eine politische Geschichte. Der Plot ist nicht unterkomplex, sondern wird seinem Gegenstand gerecht. Auch in den Büros, den öffentlichen und privaten Orten, die er zeigt.
Wir müssen uns die Macher - die Autoren Eric Benzekri und Jean-Baptiste Delafon, Regisseur Ziad Doueiri - als Optimisten vorstellen. Denn "Baron Noir" glaubt noch an die Veränderbarkeit der Dinge und an das Veränderungshandeln, das wir Politik nennen. Emmanuel Macron sollte diese Serie sehen. Da kann er lernen, was auf ihn zukommt.
Serie von Canal +, beim Sony Channel und auf DVD