Die Post-Wagenknecht-Linke

Seite 2: Auf dem Weg zur ökolibertären Partei der urbanen akademischen Mittelschichten

Die Partei Die Linke ist unwiederbringlich auf dem Weg, eine ökolibertäre Partei der urbanen akademischen Mittelschichten zu werden, die anschlussfähig für SPD und Grüne ist. Zwar sprechen die Protagonisten dieser Entwicklung weiterhin viel von "Sozialismus", von "Kapitalismus" und sogar von "Systemüberwindung".

Aber das war bei den Jungsozialisten in der SPD nicht anders, und dies wiederholte sich dann bei den Grünen. Dies sind alles nur Worte, die vergehen. Mit Genugtuung kann denn auch die taz den Ausgang des Parteitags mit den Worten bilanzieren: "Die Post-Wagenknecht-Linke".9

Kipping und Riexinger nahmen als Ergebnis ihrer Amtszeit in Anspruch, dass die Linkspartei in den vergangenen neun Jahren "moderner" geworden und aus der politischen Landschaft nicht mehr wegzudenken sei. "Wir übergeben eine Partei, die für kommende Auseinandersetzungen gut aufgestellt ist", sagte Riexinger in seiner Abschiedsrede.10

Zu solch einer optimistischen Einschätzung kann man aber nur gelangen, wenn man den Niedergang der Partei bei Wahlen ignoriert. Bei nahezu allen Landtagswahlen der vergangenen Jahre büßte die Partei zum Teil erheblich an Stimmen ein.

In Brandenburg fiel sie von 27,2 Prozent im Jahr 2009 auf 18,6 in 2014. Bei der Wahl im September 2019 ging es weiter bergab: Die Linke verlor dort mit 7,9 Prozent mehr als jede andere Partei. Mit 10,7 Prozent blieb ihr am Ende nur noch ein gutes Drittel der Stimmen von 2009.

Auch in Sachsen fiel sie von 20,6 Prozent in 2009 auf 18,9 Prozent in 2014 und schließlich auf nur noch 10,4 Prozent im September 2019 - was einen weiteren Rückgang um nicht weniger als 8,5 Prozent bedeutete - dies kommt annähernd einer Halbierung ihrer bisherigen Wählerschaft gleich!

Die beiden Bundesländer waren keineswegs Ausnahmen: In Sachsen-Anhalt fiel der Anteil von 23,7 Prozent in 2011 auf 16,3 Prozent in 2016. In Mecklenburg-Vorpommern ging es von 18,4 Prozent in 2011 auf 13,2 im Jahr 2016 bergab. Nur in Thüringen gab es ein leichtes Plus von 27,4 Prozent in 2009 auf 28,2 Prozent 2014. Auch in Berlin konnte Die Linke zulegen, ohne allerdings die guten Ergebnisse von 1999 bzw. 2001 wieder erreichen zu können.

Auch in den westlichen Bundesländern sieht die Bilanz nicht viel besser aus. In Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein gelang es während der Amtszeit von Kipping und Riexinger nicht, in die Landtage zurückzukehren.

In Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg sowie in Bayern ist die Linkspartei von der Fünfprozenthürde weit entfernt. Lediglich in Hessen und in den Stadtstaaten Bremen und Hamburg konnte sie leicht zulegen. Mit nur noch 5,5 Prozent fiel schließlich das Ergebnis bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2019 desaströs schlecht aus. Doch über all diese Niederlagen schwiegen Kipping und Riexinger in ihren Reden auf dem Parteitag!

Die Serie der Niederlagen wird sich sehr wahrscheinlich bei der anstehenden Bundestagswahl fortsetzen. Nach den gegenwärtigen Umfragen wird der Linkspartei nur noch ein Ergebnis zwischen sechs und acht Prozent zugetraut.

Vor vier Jahren hatte sie 9,2 Prozent erhalten und lag damit noch vor den Grünen! Ganz anders lauten dagegen die Umfragewerte für die von der Partei kaltgestellte Sahra Wagenknecht. Sie gehört seit Jahren zu den beliebtesten Politikern des Landes.

Andreas Wehr ist Autor von Büchern und Artikeln zu Europa, Philosophie und Geschichte sowie zur aktuellen Politik und Mitbegründer des Marx-Engels-Zentrums Berlin. Mehr über ihn auf der Webseite: www.andreas-wehr.eu.