Die Preise steigen …
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- Erdöl-Anbieter sind nicht gleich Erdöl-Anbieter
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Die EZB-Geldpolitik hat beim Inflationsziel den Plan übererfüllt – und auch an närrischen Narrativen herrscht kein Mangel
Steigende Preise bei Öl, Gas und Strom beschäftigen die öffentliche Debatte. Die Inflation beträgt inzwischen mehr als vier Prozent, vermelden die Experten, wobei die Preissteigerungen sich nicht auf die Abteilung Energie beschränken, sondern so gut wie überall feststellbar sind.
Umso erstaunlicher ist, welche Dummheiten zum einen vonseiten der Zuständigen, also der Fachleute in Politik und Medien, zur Erklärung bemüht werden, und zum anderen, welchen Quatsch sich das Publikum an sinnstiftenden Erzählungen bieten lässt.
Ein finanzpolitisches Irrenhaus
Irritieren müsste ja allein schon der Tatbestand (siehe Für wen Inflation ein Problem ist), dass die Europäische Zentralbank (EZB), die offiziell der Herstellung von Preisstabilität verpflichtet ist, dies mit einem Inflationsziel von rund zwei Prozent verbindet.
Man stelle sich das nur einmal in anderen Sphären vor: Ein Bauleiter plant die Statik eines Hauses so, dass zwei Prozent der tragenden Teile ins Rutschen kommen (sollen). Oder eine gesundheitspolitische Behörde will einen Impfstoff, der in zwei Fällen von hundert die gegenteilige Wirkung hervorruft.
Aber der Irrsinn geht ja noch weiter. Wie man hört, streiten Ökonomen zurzeit, bzw. schon so lange, wie es ihre Disziplin gibt, darüber, ob und wann hohe Inflationsraten schädlich sind. Und wie Wikipedia weiß, sind "die Ansichten darüber, welche Faktoren niedrige bis moderate Inflationsraten bestimmen, unterschiedlich. Es ist ein aktuelles Forschungsthema in der Makroökonomie."
Da soll also, das könnte man mal als Erstes festhalten, eine Wirtschaft über die Geldmenge gesteuert werden - ohne exaktes Wissen und Bewusstsein von der Wirkungsweise der Faktoren. Nach über 200 Jahren Kapitalismus mit Inflation und Krisen rätseln Wissenschaftler, die der Politik mit ihrer Expertise zur Hand gehen, immer noch über diese Sache und forschen nach den Ursachen der von ihnen (mit) in Gang gesetzten Prozesse.
Beim bloßen Glauben belassen es die Experten nicht. Jetzt muss genau gemessen und an anderen Stellschrauben gedreht werden. Dann müssen wieder die neuen Wirkungen erfasst werden. Die spannende Frage heißt: Was sagen "die Märkte" dazu, lassen sich die veränderten Ziele (jetzt weniger statt mehr Inflation) damit erreichen? Über das ominöse Subjekt namens "Märkte" und seine Launen weiß man nämlich nichts Genaues, zumindest nicht im Vorhinein. Nachher ist man schlauer!
Das ist marktwirtschaftliche Logik in ihrer Elementarform - und nichts ist kennzeichnender für den Irrsinn dieser Ökonomie, in der sich die Menschen bewusstlos den Gesetzen eines Marktes unterwerfen, den sie selber geschaffen haben.
Mit den dadurch geschaffenen Problemen klarzukommen ist wichtiger, als diese zu erklären. Dafür darf und soll der wissenschaftliche Pluralismus mit seinen verschiedenen Glaubensrichtungen weitergehen, damit er dann der Politik einen breiten Instrumentenkasten anbieten kann.
Welcher Unsinn auf dies Weise in den öffentlichen Diskurs eingespeist wird, soll hier an einigen herausragenden Beispielen gezeigt werden.
Die Preise steigen, weil sie steigen
Momentan sind vorwiegend die Spritpreise, die enorm in die Höhe schießen, Thema. Als Erklärung bekommen die Verbraucher zu hören, dass diese Preise steigen, weil der Ölpreis steigt: "Die Spritpreise steigen seit Monaten. Treiber ist hauptsächlich der nach dem Corona-Einbruch des vergangenen Jahres gestiegene Ölpreis, der am Montag mehrjährige Höchststände erreichte", so die Süddeutsche Zeitung vor wenigen Tagen.
Das ist eigentlich eine Nichterklärung, weil zur Erklärung der Spritpreise auf einen anderen Preis verwiesen wird, der ebenfalls steigt. Dabei ist die Erklärung noch in anderer Hinsicht seltsam: Preise sind keine Subjekte, die etwas tun oder lassen könnten. Preise werden gemacht, nämlich von Menschen, die mit ihrem Eigentum kalkulieren. Und Eigentum ist hier nicht gleich Eigentum.
Die meisten Menschen besitzen als Eigentum Gebrauchsgegenstände oder Geld für den alltäglichen Konsum und besondere Vergnügen. Es gibt aber auch Menschen, deren Eigentum den Zweck hat, mehr zu werden - wobei in der Regel auch viel für Konsum und Vergnügen des Verfügungsberechtigten abfällt.
Der Eigentümer einer großen Ölmenge braucht diese z.B. nicht in dem Umfang, wie er sie besitzt. Als Geschäftsmittel zur Bereicherung taugt der Gegenstand nur deshalb, weil diejenigen, die ihn brauchen, von der Verfügung über dieses Mittel ausgeschlossen sind.
Deshalb kann der Besitzer von Öl seine Verfügungsmacht über diesen Rohstoff als Erpressungsmittel benutzen, um von Anderen Geld zu verlangen, auf das es ihm bei diesem Besitz ankommt.
Besitz an Waren oder Geld verschafft dem Eigentümer nämlich Verfügungsmacht über andere Figuren im Wirtschaftsleben. Wenn also von den allerorten stattfindenden Preissteigerungen die Rede ist, heißt das im Klartext, dass die Besitzer der verschiedenen Güter in dieser Gesellschaft - systemgerecht - ihre Erpressungsmacht nutzen, um sich zu bereichern.
Von diesem grundlegenden Sachverhalt ist aber nie die Rede, wenn die Teuerung zur Sprache kommt: "Nach dem tiefen Einbruch der Weltwirtschaft im vergangenen Jahr kommt jetzt eine Teuerungswelle. Sie ist heftiger, als die meisten Forscher vorhergesagt hatten", so die SZ.
Das Resultat der Konkurrenz um möglichst viel Gewinn bekommt der Verbraucher als allgemeine Preissteigerung serviert. Geschildert wird dies aber wie ein Fatum oder wie ein Naturvorgang, dem man sich zu stellen hat.
Auch auf diese Weise kann man die Wirtschaftsweise schönreden, die auf lauter Gegensätzen beruht. Ihr sind wir alle - wie letztlich der Natur oder dem Schicksal - ausgeliefert.