"Die Regierung des Volkes"

Seite 2: Es geht um die Ausländer

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Der Einfluss rechtspopulistischer Bewegungen auf konservative Parteien ist enorm. Sowohl im kontinentalen Verhältniswahlrecht, als auch im britischen Mehrheitswahlrecht, des "The Winner Takes All". Zwar blieben die zeitweiligen 15-20% rein virtuell, die Farages Brexit-Partei in Umfragen hatte, anders als etwa die Stimmanteile der AfD oder der FPÖ, aber trotzdem konnte er die Agenden der Conservatives mitbestimmen.

Zu Beginn der 20er Jahre des 21.Jahrhunderts ist das von Farage mitpropagierte Deutungsmuster, dass alle Probleme letztlich auf Migration zurückzuführen seien, schier unüberwindlich. Auch in eingefleischten Labourwahlkreisen wie in den Midlands oder in Wales, betonen die Passanten auf der Straße, dass Labour die Bedeutung der Migration unterschätzen würde. Jobs, Lebensstandard, Zukunftsaussichten seien durch die Fremden getrübt und Johnson wolle eben die Zuwanderung "kontrollieren" - wohlgemerkt nicht beenden. So klingt die liberale und scheinbar weltoffene Version meist schnöder Xenophobie.

Diese in Medien und weiten Teilen der Politik geschürten Ressentiments konnten nicht einfach durch eine Wiederbelebung der "Klassenfrage" ausgehebelt werden. Vielmehr erschien letztere als rückwärtsgewandt und die Bevölkerung nahm Labour die Geschichte von der Stärkung der Arbeiter einfach nicht mehr ab. Aktuell scheint es für sozialdemokratische oder sozialistische Parteien in Europa keine Erzählung zu geben, die verfängt. Alle Versuche, Hoffnung zu geben und eine bessere Gesellschaft zu entwerfen, in der mehr Menschlichkeit waltet, zerschellen an der als trist und perspektivlos erlebten alltäglichen Gegenwart.

Wenn dann zugleich Gefahren durch Finanzkrise, Klimawandel und Weltpolitik von linken Parteien angesprochen werden, dann verstärkt dies nur das rechte Deutungsmuster, das nach notfalls gewaltsamer Abschottung ruft.

Konflikte schüren und Rache nehmen

Es steht zu befürchten, dass die nächsten Jahre vergeudet sein werden in Bezug auf die entscheidenden politischen Fragen. Johnson wird sich, wie alle Rechtspopulisten, nicht um ein besseres Zusammenleben zwischen alteingesessenen Briten und Migranten bemühen. Er würde sich damit nur selbst das Wasser abgraben. Viel eher wird er Konflikte schüren, die es ihm erlauben, als "Starker Mann" durchgreifen zu können. Mehr Polizei, mehr Gefängnis und mehr öffentliche Verleumdungen und Bloßstellungen. Wenn nicht einmal die Tränen der Angehörigen der Opfer des letzten Anschlags auf der London Bridge, die Johnson anflehten, den Tod ihrer Lieben nicht zu instrumentalisieren, ihn aufhielten, dann ist fraglich, was es je könnte.

Andere Fragen wie den Klimawandel wird Johnson schlicht ignorieren. Eine schwammige Ankündigung, irgendetwas würde sich bis 2050 geändert haben, reicht ihm hier vollkommen aus. Die Taktik, blumige Versprechungen mit enorm weitem Zeithorizont zu machen, um sich damit schlicht der Umweltproblematik zu entledigen, ist leider eine bei konservativen Parteien übliche Praxis. An einer Debatte der Parteivorsitzenden über die Gefahren des Klimawandels wollte Johnson, ebenso wie Nigel Farage, nicht einmal teilnehmen. Klimaziele werden sich mit dem Großbritannien Boris Johnsons somit kaum durchsetzen lassen.

Weil Johnsons Politikansatz enorm personalisiert ist, wird er die Zeit wohl lieber für Rache nutzen. Gerichte und Medien, die ihm das Leben schwer gemacht haben, hat er bereits mit Drohungen bedacht, wie etwa die Überprüfung von Sendelizenzen, oder die Ankündigung, das Verhältnis zwischen Gerichten und Regierung einmal "überdenken" zu wollen. Auch plant er den Austritt aus dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Für Johnson ist das Drehbuch rechtsautoritärer Machtübernahme sicherlich wichtiger als (überstaatliche) gesetzliche Ordnung und eine freie Medienberichterstattung.

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