"Die Religion durchwebt fast jedes Buch"
Constantin Schreiber über Schulbücher in muslimischen Ländern
In seinem Buch Kinder des Koran hat der Journalist Constantin Schreiber die Schulbücher verschiedener muslimischer Länder untersucht.
Herr Schreiber, aus welchen Ländern haben Sie sich Schulbücher angesehen und warum?
Constantin Schreiber: Ich habe mir Bücher aus acht verschiedenen mehrheitlich muslimisch geprägten Ländern angesehen. Im Buch habe ich dann jeweils ein Schulbuch aus Afghanistan, dem Iran, Ägypten, den palästinensischen Gebieten und der Türkei besprochen. Ich wollte herausfinden, welches Wissen die Kinder in diesen Ländern an staatlichen Schulen vermittelt bekommen.
Immer wieder waren Lehrer auf mich zugekommen, die über Probleme in ihren Schulklassen mit hohem Migranten-Anteil klagten. Die Fragen wiederholten sich: Warum ist der Begriff der Ehre so wichtig? Warum sind Mädchen so devot? Die Schulbücher geben einen Teil der Antworten.
Konnten Sie in den Büchern ein einheitliches Welt- beziehungsweise Menschenbild ausmachen? Falls ja, wie ist dieses beschaffen?
Constantin Schreiber: Es wird in nahezu keinem Buch Fachwissen vermittelt ohne Bezug zum Islam zu nehmen. Die Religion durchwebt fast jedes Buch, das ich gesehen habe. Entweder im Sinne religiöser Unterweisung, oder aber, um nationalistische Ideen religiös zu rechtfertigen.
Wie steht es in diesen Büchern um die Trennung von Staat und Religion?
Constantin Schreiber: Eine Trennung von Staat und Religion findet kaum irgendwo statt.
Wie werden in diesen Büchern wie Multiethnizität, Andersgläubigkeit, Atheismus, Frauenemanzipation, Demokratie und Menschenrechte behandelt?
Constantin Schreiber: Während wir uns in Deutschland darum bemühen, den Kindern beizubringen, dass Vielfalt etwas Gutes und Wünschenswertes ist, wird in den von mir durchgesehenen Schulbüchern vor allem Homogenität propagiert. Es gibt in den Büchern nur eine richtige Handlungsweise, und die steht im Einklang mit Regeln des Islam. So gibt es nichts anderes für Mädchen, als sich zu verschleiern und dem Ehemann zu gehorchen.
Gibt es in diesen Büchern antisemitische Inhalte?
Constantin Schreiber: Antisemitismus ist mir vor allem in einem afghanischen Buch untergekommen, aber auch in den Büchern, die die palästinensische Autonomiebehörde herausgibt. In einem Lehrbuch für "arabische Sprache" wird beispielsweise von "zionistischen Angreifern" und "zionistischen Banden" geschrieben.
Welchen Einfluss haben diese Bücher nach Ihrer Einschätzung auf die Leser?
Constantin Schreiber: Bleiben wir bei dem palästinensischen Schulbuch. Dort wird kein Unterschied zwischen Juden, Israelis und Zionisten gemacht. Einige der Geschichten, die eigentlich Hocharabisch vermitteln sollen, schüren hauptsächlich den Hass gegen Israel. Ich kann anhand dieses Buches nicht erkennen, wie daraus eine Generation entstehen soll, die einen Friedensprozess voranbringt.
Können Sie sich vorstellen, dass diese Bücher auch Auswirkungen auf die westliche Hemisphäre haben?
Constantin Schreiber: Die Bücher allein sicher nicht. Wichtig ist auch, welche Werte die Kinder zu Hause vermittelt bekommen, ob sie wirklich alles glauben, was dort steht. Aber im Grunde muss man davon ausgehen, dass diejenigen, die zu uns aus einem dieser Länder kommen, mit diesen Inhalten aufgewachsen ist.
Wer finanziert diese Bücher?
Constantin Schreiber: Die Finanzierung ist äußerst undurchsichtig. Aber klar ist, dass ein Land wie Afghanistan auf Hilfe von außen angewiesen ist. Meine Recherche in diesem Fall brachte mich zu dem Schluss, dass auch deutsches Geld, und zwar Entwicklungshilfe, in afghanische Bücher fließt.
Gibt es etwas in diesen Büchern, das Sie positiv überrascht hat?
Constantin Schreiber: Es hat mich beeindruckt, wie früh in einigen Ländern Philosophie gelehrt wird. In Ägypten müssen sich bereits Grundschüler mit griechischer oder chinesischer Philosophie auseinandersetzen, und zwar auf hohem Niveau. Das fand ich sehr positiv.
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