Die Religionsunternehmer

Seite 2: Reichtum als Zeichen der Gunst Gottes

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Neben den Einkünften aus dem Fernsehgeschäft, aus Verlagen, Zeitungen, Radiosendern, Reiseagenturen, Banken und Immobilien ist es der Zehnte, den alle Sektenmitglieder an Macedo abführen müssen, der der Universal-Kirche den finanziellen Spielraum verschafft, enormen politischen Einfluss zu gewinnen.

Die Neo-Pfingstler pflegen eine aggressive Spendenkultur, die die Gläubigen verpflichtet, mindestens zehn Prozent ihrer Einkünfte an die Kirchenführung abzugeben. Hinzu kommen "weitere Opfer", zu denen die Gläubigen immer wieder aufgefordert würden, berichteten US-Medien. Die oft mit Einschüchterungen angereicherten Spendenaufforderungen können demnach bis zu einem Drittel der Zeit eines Gottesdienstes in Anspruch nehmen.

Es würden Bibeln herumgereicht, die von den Gläubigen mit "Bargeld, Schecks, Uhren, Juwelen" bedeckt werden müssten. Das Ganze gleiche oft einer religiös verbrämten "Erpressung", so ein Insider. Gläubige würden bei Exorzismen Satan mit tiefer Stimme imitieren, um die Höllenqualen für all diejenigen auszumalen, die nicht genug Opfer gebracht hätten. In dem in São Paulo befindlichen Hauptquartier der Universal-Kirche befände sich praktischerweise ein Förderband, das die während der Gottesdienste erbrachten frommen Gaben direkt in einen sicheren Raum transportieren würde.

Die sehr erfolgreiche, religiös verbrämte Ideologie, die den evangelikalen Religionsunternehmern immer neuen Schäfchen zutreibt, wird als "Theologie des Wohlstands" oder "Theologie der Prosperität" bezeichnet. Der wirtschaftliche Erfolg eines Gläubigen, sein Reichtum und seine Machtfülle, sie werden als Zeichen der Auserwähltheit durch Gott gedeutet. Die Akkumulation von Reichtum durch die Gläubigen wird folglich aktiv gefördert, so das Wirtschaftsmagazin Forbes.

Persönlicher Reichtum wird somit als diesseitiges Zeichen der Liebe Gottes gedeutet. Und wer bei dem Gottesdienst viel spendet, der kann sich seiner Gottesgefälligkeit versichern - Gott müsse den Reichen Gönner auserkoren haben, so das Dogma. Religion sei "schon immer ein profitables Business" gewesen, kommentierte Forbes dieses religiöse Geschäftsmodell. "Und wenn du ein evangelikaler Prediger in Brasilien bist, dann sind die Chancen, den himmlischen Jackpot zu knacken, derzeit ziemlich hoch."

Für viele Brasilianer scheint diese "materialistische" Religion eine hohe Anziehungskraft zu genießen, da hier praktischerweise das diesseitige und jenseitige Wohl des Gläubigen in eins fallen: das übliche Streben nach Reichtum im kapitalistischen Diesseits und das ewige Leben im Jenseits. Die evangelikale Sängerin Aline Barros fasste laut Forbes diese religiösen Überzeugungen, die sich perfekt in den kapitalistischen Produktivitätskult einfügen, in folgenden Appell:

Was hast du für das Königreich Gottes getan? Was hast du für Gott produziert? Wenn du noch lebst, wenn du noch den Atem des Lebens verspürst - produziere!

Aline Barros

In solcher Ideologie schient der Kapitalismus als eine Art säkularisierter Religion zu sich zu kommen. Die Politikerin Monica Francisco erläuterte gegenüber dem Deutschlandfunk diese diesseitigen Reize der "Wohlstandtheologie" im verarmten Brasilien:

Der Wunsch, sozial aufzusteigen, der Misere zu entfliehen, das greifen die auf mit ihrem Wohlstandsevangelium, das perfekt zum kapitalistischen System passt. Es geht nicht um Nächstenliebe, nicht darum, das Leben der Gemeinschaft im Hier und Jetzt zu verbessern oder gegen soziale Ungerechtigkeit zu kämpfen, sondern um den persönlichen, auch finanziellen Erfolg. Je mehr man besitzt, je mehr man verdient, umso höher steht man in der Gunst Gottes.

Monica Francisco

Raffen für Mammon - das scheint der schnöde Kern der Geldreligion erfolgreicher evangelikaler Kirchen in Brasilien und in anderen Ländern des globalen Südens zu sein. Dabei sind selbstverständlich nicht alle evangelikalen Gemeinden den Weg des schnellen Geldes gegangen. Monica Francisco engagiert sich beispielsweise in den Favelas von Rio - und sie ist Mitglied einer evangelikalen Gemeinde, die das Evangelium des Wohlstandes ablehnt und sich an der Theologie der Befreiung orientiert.

Obwohl die meisten evangelikalen Politiker stockkonservativ seien, gebe es auch eine kleine, aktive Gemeinschaft progressiver Evangelikaler, berichtete das Magazin Foreign Affairs. Diese Gruppen, die sich im Wahlkampf aktiv gegen Bolsonaro positionierten, verfügten nicht über die "finanziellen Ressourcen", um ihre politischen Forderungen wirksam zu propagieren.

Gruppen und Zusammenhängen wie "Linke Christen" oder "Christen gegen Bolsonaro" sei es nicht gelungen, gegen das Narrativ in den Massenmedien anzukommen, wonach alle Evangelikalen dieselben konservativen Ansichten bei kontroversen sozialen Fragen teilten. Deswegen würden diese progressiven Evangelikalen derzeit "am Rand des religiösen politischen Aktivismus" verbleiben.

Mammon hat das Diesseits nun mal so eingerichtet, dass diejenigen, die an ihn alltäglich anbeten, auch über die "finanziellen Ressourcen" verfügen, um ihre Sicht der Dinge im Massenbewustsein zu etablieren - nicht nur in Brasilien.