Die Rezession der Neuen Rechten

Kommentar: Der kommende Krisenschub wird durch die Politik des Rechtspopulismus in den USA und Europa beschleunigt

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Auf einmal scheint dem exportgetriebenen Dauerboom in der Bundesrepublik sehr schnell die Luft auszugehen. Es seien "dunkle Wolken", die sich über Deutschlands Industrie zusammenzögen, kommentierte die Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) die jüngsten konjunkturellen Frühindikatoren. Spiegel-Online berichtete, dass es in Europa nicht besser aussehe. Der wirtschaftliche Ausblick der Eurozone habe sich "dramatisch verschlechtert", Ökonomen warnten inzwischen auch einem Abwärtstrend.

Zahlen des Statistischen Bundesamtes zufolge ist der Auftragseingang der deutschen Industrie in vierten Monat in Folge zurückgegangen. Dies sei die "längste Auftragsflaute seit der letzten Finanzkrise", konstatierte die FAZ. Analysten, die eine konjunkturelle Belebung erwarteten, zeigten sich überrascht von dem schwachen Jahresauftakt. Der Auftragsrückgang um 2,5 % im April sei "eine weitere kalte Dusche", erklärte beispielsweise Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Diba-Bank gegenüber der Zeitung. "Die Entwicklung sieht nicht gut aus", kommentierte auch der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. Der "Dämpfer" wurde zumeist mit der "jüngsten Debatte um Strafzölle" erklärt, da die handelspolitischen Konflikte "erhebliche Verunsicherung" in die Wirtschaft hineintragen würden.

Inzwischen entwickle sich der zunehmende nationalistische Protektionismus zu einer regelrechten "Bedrohungslage" für die deutsche Exportindustrie, berichtete die Frankfurter Allgemeine. "Unsere international aufgestellte Wirtschaft droht zwischen die Mühlsteine zu geraten", klagte der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Volker Treier, gegenüber der FAZ. Schlimmstenfalls - bei einer Eskalation zu einem globalen Handelskrieg zwischen den USA, EU und China - drohten der Exportindustrie "irreparable Rückschläge".

Donald Trump: Vorbild und Liebling der AfD

Trumps rechtspopulistische Politik scheint somit bereits Wirkung zu zeigen - noch ehe sie umgesetzt wurde. Die Neue Rechte, die von Trump bis zur AfD von einer glorreichen Rückkehr in den nationalen Mief fabuliert, scheint somit endlich am Ziel: Grenzen dicht! Und alle Lichter gehen aus. Es zeichnet sich bereits jetzt überdeutlich ab, dass die exportabhängige Bundesrepublik samt der austeritätsgeplagten Eurozone besonders stark von den kommenden Handelskriegen in Mitleidenschaft gezogen werden wird, die der Rechtspopulist Trump entfacht.

Dabei stellt der selbstverliebte und zunehmend erratisch agierende US-Präsident auch einen Posterboy der Neuen deutschen Rechten dar, die schon immer darauf hoffte, von seiner Wahl zu profitieren. Es waren nicht nur die Heerscharen rechter Forentrolls, die Trumps Wahlsieg bejubelten, auch Parteigrüßen der AfD zeigten sich begeistert - und kündigten umgehend an, die Methoden des amerikanischen Populisten zu übernehmen.

Der AfD-Landesvorsitzende Petr Bystron zeigte sich nach der Wahlnacht im November 2016 "heiser von den Jubelschreien" für seinen Präsidenten Trump. Bundesvorsitzender Jörg Meuthen sah Trumps Sieg als ein "gutes Signal für die Welt", das eine "Zeitenwende" markiere. Dutzendfach hätten sich AfD-Funktionäre dahingehend geäußert, dass der Sieg Trumps auch ein Sieg "gegen illegale Einwanderung" und für eine "Rückbesinnung auf den Nationalstaat" sei, so die FAZ damals.

In den Reihen der AfD wurde die Hoffnung geäußert, dass dies ein Omen für den "Triumph aller Nationalgesinnten und Einwanderungskritiker" in der Bundesrepublik sei. Die AfD-Fraktion in Sachsen Anhalt verband ihre Glückwünsche an Trump gar mit einer Kampfansage an "Merkels Globalismus". Auch der Rechtsaußen der AfD, Björn Höcke, fand im März 2017 lobende Worte für Trump.

Das Weiße Haus zeigte sich erkenntlich angesichts so viel Bewunderung - und lud im Februar 2018 AfD-Größen zum sogenannten nationalen "Gebetsfrühstück" mit dem Präsidenten in Washington ein. Volker Münz von der AfD erklärte, er freue sich auf das Treffen mit mehr als 3000 einflussreichen Teilnehmern. Er hoffe auf "wertvolle Gespräche und Kontakte mit interessanten Persönlichkeiten aus den USA und aus den eingeladenen Delegationen." Auch der neue US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, agiert de facto als Unterstützer der AfD.

Der egomanische Rechtspopulist, dessen Protektionismus den Exportweltmeister Deutschland nun ins Mark zu treffen droht, wurde von den "Patrioten" der AfD als eine Art Messias gefeiert - gerade weil Trump und AfD tatsächlich die Grundzüge ihrer rechtspopulistischen Politik teilen. Die nationalistische Deutschtümelei stellt einen Eckpfeiler der Rhetorik und des Programms der neuen deutschen Rechten dar - zumeist garniert mit der Sorge um die "Souveränität" einer Bundesrepublik, die in der vergangenen Dekade die Politik Europas dominierte. Auch der Protektionismus findet sich im Wahlprogramm der AfD - gemeinsam mit neoliberalen Dogmen.

Rückkehr zur Nation und die Globalisierung

In der historischen Periode der Globalisierung die Ursache für die aktuellen Krisen und Verwerfungen erblickend, propagiert die Neue Rechte in den USA wie in Europa eine Rückkehr zur Nation. Die Rückbesinnung auf die nationale Volkswirtschaft, auf dem souveränen Nationalstaat wird als ein Gegengift zu der Auflösung nationaler Identitäten in einer krisenhaften globalisierten Weltwirtschaft propagiert. Das Zurückdrehen der Uhr ins 20. Jahrhundert, die ethnische Homogenisierung der Gesellschaft, sie sollen die Krise überwinden, die oftmals als das Produkt einer Verschwörer-Clique von "Globallisten" halluziniert wird.

Dabei ist es gerade diese durch den Rechtspopulismus befeuerten protektionistische Tendenzen, die den Krisenprozess noch zusätzlich verschärfen und in neue Dimensionen zu eskalieren drohen. Anstatt der erhofften Rückkehr zur heilen heimatlichen Scholle im engen nationalen Mief droht ein euer Krisenschub, der in seiner Intensität den der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts - als zuletzt viele Nationalstaaten mit Protektionismus auf eine Weltwirtschaftskrise reagieren - übertreffen könnte.

Doch wieso entfaltet eigentlich der Protektionismus, der dumpfe rechtspopulistische Drang zur Rückkehr zur nationalen Volkswirtschaft, eine solch verehrende Wirkung? Globalisierung bildet nicht die Ursache des Krisenprozesses mit seinen Verwerfungen, wie Finanzmarktblasen und zunehmenden Flüchtlingsströmen, sondern seine historische Verlaufsform.

Die Globalisierung war vor allem eine Globalisierung der Verschuldungsdynamik, die in den vergangenen Dekaden sehr viel schneller anstieg als die Weltwirtschaftsleistung - und folglich als ein wichtiger Konjunkturmotor durch Generierung kreditfinanzierte Nachfrage fungierte. Dies wird gerade aufgrund der aktuellen handelspolitischen Auseinandersetzungen evident, da die USA nicht mehr bereit sind, ihr enormes Defizit hinzunehmen, da es zu Deindustrialisierung und Pauperisierung führt und eben solche politischen Gestalten wie Trump hervorbringen kann. Umgekehrt wird auch evident, dass exportorientierte Volkswirtschaften wie die Bundesrepublik von diesem Schuldenexport in die USA abhängig sind. Die gesamte spätkapitalistische Weltwirtschaft lebt somit auf Pump.

Der Rechtspopulismus liefert die neue "nationale" Ideologie für die anstehende Krise

Die Globalisierung, die dieser gigantischen globalen Ungleichgewichte hervorbrachte, ist somit mitnichten ein Produkt einer Verschwörer-Clique von Globallisten, sondern eine Systemreaktion, eine Flucht nach vorn vor den zunehmenden inneren Widersprüchen der kapitalistischen Produktionsweise, die an ihrer eigenen Produktivitätsentfaltung erstickt. Die hyperproduktive kapitalistische Warenproduktion kann somit nur noch dank der globalen kreditfinanzierten Nachfrage ihre beständig anschwellenden Warenberge absetzen, für deren Produktion sie immer weniger Arbeitskräfte benötigt. Was die Kappung dieser Verschuldungsdynamik auslöst, konnte am Beispiel Griechenlands nachvollzogen werden, das Wolfgang Schäuble vermittels "Sparpolitik" in den sozioökonomischen Kollaps trieb.

Und genau diese Methode wendet nun der Rechtspopulist Trump auf globaler Ebene an. Er kappt die globale Verschuldungsdynamik aus einem bornierten nationalistischen Kalkül, was zu heftigsten sozioökonomischen Verwerfungen führen wird, sollte diese Entscheidung nicht doch noch revidiert werden. Die Neue Rechte geht somit begeistert voran, während die krisengeschüttelte Weltwirtschaft - die eigentlich einer radikalen Transformation in ein postkapitalistisches System bedürfte - ohnehin am Abgrund steht. Der Rechtspopulismus liefert somit de facto die neue "nationale" Ideologie für die anstehende Krisenverschärfung im Gefolge des Zusammenbruchs der Globalisierung, wenn autoritäre nationalstaatliche Krisenverwaltung das um sich greifende Elend in Schach zu halten versuchen wird.

Obwohl der Rechtspopulismus mit seinen neonationalen Tendenzen diesem Krisenprozess maßgeblich beschleunigt, dürfte er dessen ungeachtet hauptsächlich von ihm profitieren. Die Idee, die Rechte mit ihren anachronistischen Konzepten scheitern zu lassen, um hierdurch Lernprozesse auszulösen, scheitert an deren geschlossenen Wahnsystem. Die ökonomische Krise, die durch die "Rückkehr zur Nation" ausgelöst würde, könnte ohne weiteres in eine neue Verschwörung von irgendwelchen - zumeist jüdisch konnotierten - Weltbösewichtern gegen die sich zur Souveränität aufraffenden Völkerschaften halluziniert werden.

Ein Paradebeispiel hierfür lieferte etwa der AfD-Rechtsextremist Björn Höcke bei einer seiner berüchtigten Reden im Mai 2018. Hierbei schwadronierte Höcke von der Globalisierung als einer Neuen Weltordnung, hinter der ein ultimativer "Geheimbund", ein "exklusives Grüppchen von Verschwörern", stehen könne, die jeder national gesinnte Deutsche als den "Feind", den "Endgegner", das "Böse auf der Welt" begreifen müsse. Die NWO-Verschwörung sei es, die auf die "Auflösung der Staaten, der Völker, der Kulturen, ja sogar, der und das ist, glaube ich, die perverse Spitze (...): der Geschlechter" hinarbeite.

Die Parallelen zur NS-Ideologie mit ihrem Wahn von der jüdischen Weltverschwörung sind unübersehbar. Diesem im Verborgenen agierenden Geheimzirkel stellt Höcke nun die erwachenden Völkerschaften der Welt gegenüber, als deren Speerspitze die Neue Rechte agiere. Sie werden die Globalisierung beenden und ein neues nationales Zeitalter einleiten, so der Fiebertraum des Goebbelsdarstellers der AfD:

"Die Zukunft gehört den Völkern. Diese Völker werden - und das ist meine tiefste innere Überzeugung und da lasse ich keinen Zweifel gelten und keinen Zweifel aufkommen - diese Völker werden wieder aus ihrem Dämmerzustand erwachen. Sie werden ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen und sie werden die Geschichte weiterschreiben, wie wir die Geschichte Deutschlands, unseres geliebten Vaterlandes weiterschreiben werden."

Doch was passiert, wenn die den Völkern gehörende Zukunft in den wirtschaftlichen Zusammenbruch führt, da die Ursachen der Krise buchstäblich alltäglich von den Insassen der "Deutschland AG" erarbeitet werden? Für einen Höcke dürfte die Sache klar. Die allmächtige Weltverschwörung wird auch dafür verantwortlich sein. Die Hetzjagd auf die Komplizen der "Globallisten" wäre dann eröffnet.

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