Das Ende der Globalisierung
Der eskalierende Handelsstreit zwischen den USA, China und der EU deutet auf ein drohendes Auseinanderbrechen der globalisierten Weltwirtschaft
Im Streit um die enormen globalen Handelsungleichgewichte stehen die Zeichen auf Eskalation. Der neue Wirtschaftsberater des rechtspopulistischen US-Präsidenten Donald Trump, Larry Kudlow, griff noch vor seiner offiziellen Ernennung die Europäische Union und China scharf an.
Die EU betreibe eine "sehr schlechte protektionistische Politik", China habe "seit langem nicht nach den Regeln gespielt", so der innerhalb der Republikaner gut vernetzte Kudlow, der Gary Cohn als ökonomischer Chefberater des Präsidenten ablöst. Cohn hat sich mit Trump gerade in der Streitfrage protektionistischer Politik überworfen, nachdem der US-Präsident erste Zölle für Stahl und Aluminium ankündigte.
Inzwischen warnt auch China, das sich bisher in dem Handelsstreit eher zurückhielt, vor weiteren protektionistischen Maßnahmen der USA, die nicht unbeantwortet bleiben würden. Man habe sich große Mühe gegeben, "einen Handelskrieg zu vermeiden, aber wenn einer ausbricht, ist Appeasement keine Option", zitierte Spiegel Online aus einem Leitartikel der staatlichen Zeitung Global Times. Amerika müsse die Ärmel aufkrempeln und endlich lernen, hart zu arbeiten, hieß es in dem parteinahen Organ:
Wenn die USA ihr Handelsdefizit reduzieren wollen, müssen sie die Amerikaner dazu bringen, härter zu arbeiten. Und sie müssen Reformen in Einklang mit der internationalen Marktnachfrage durchführen, statt den Rest der Welt aufzufordern, sich zu ändern.
Global Times
Damit scheinen die Fronten verhärtet. Der designierte Präsidentenberater Kudlow - derzeit als Fernsehmoderator tätig - sprach in ersten Stellungnahmen ausdrücklich davon, eine protektionistische Allianz zu bilden, um koordiniert gegen Peking vorzugehen. Er möge zwar keine Zölle, aber China habe "eine harte Antwort" verdient.
Washington: Ungleichgewichte abbauen
Pekings dramatische Warnungen, ein Handelskrieg zwischen den wichtigsten Wirtschaftsräumen würde die Weltwirtschaft in ein "Desaster" führen, verhallten somit in Washington ungehört. Es gebe keine Gewinner in einem handelspolitischen Schlagabtausch, erklärte der chinesische Handelsminister Zhong Shan kurz nach der Bekanntgabe der Trumpschen Strafzölle, mit denen der rechtspopulistische Präsident sein Wahlkampfversprechen einer Reindustrialisierung der Vereinigten Staaten realisieren will.
Das Problem besteht somit offensichtlich darin, dass man in Washington durchaus der Ansicht ist, einen Handelskrieg führen und gewinnen zu können. Washington sitzt schlicht am längeren Hebel, wie ein Blick auf die Handelsbilanzen verrät. Die USA verzeichneten gegenüber China 2017 ein gigantisches Handelsdefizit von 375 Milliarden US-Dollar. Gegenüber dem Autoland Bundesrepublik - das Trump mit Zolldrohungen gegenüber Daimler und BMW aufschreckte - betrug das amerikanische Defizit immerhin noch 64 Milliarden US-Dollar.
Den Befürwortern protektionistischer Politik in der Trump-Administration scheint somit der Handelskrieg als ein Nullsummenspiel abzulaufen. Bei dem handelspolitischen Schlagabtausch würden diesen Vorstellungen zufolge in der Tendenz die Ungleichgewichte abgebaut. Für die USA bedeutete dies einen Abbau des Defizits, für Länder wie BRD und China bedeutete dies, dass ihre Überschüsse abschmelzen würden.
Die Vereinigten Staaten erscheinen so als unvermeidlicher Profiteur eines Handelskrieges. Was hierbei nicht berücksichtigt wird - und worauf offensichtlich die Mahnungen Pekings anspielen - ist der allgemeine konjunkturelle Einbruch, der durch die wechselseitigen Handelsbeschränkungen ausgelöst werden könnte. Und hiervon sind tatsächlich alle "Kriegsparteien" bei einem Handelskrieg bedroht.
Deswegen hat die Ankündigung chinesischer Vergeltungsmaßnahmen im beginnenden Handelskrieg mit den USA auch einen kräftigen Einbruch an den US-Börsen ausgelöst.
Protektionismus als geopolitischer Hebel
Es stellt sich somit die Frage, wieso sich die Anhänger protektionistischer Politik im Weißen Haus durchgesetzt haben. Wieso geht Washington das Risiko schwerer wirtschaftlicher Verwerfungen überhaupt ein? Zum einen benutzt Washington die Instrumente protektionistischer Politik, um den imperialen Abstieg der USA aufzuhalten oder hinauszuzögern.
Das Handelsblatt bezeichnete dieses Vorgehen schlich als "Erpressung". Mit den Zöllen würden die Verbündeten Washingtons unter Druck gesetzt; sie fungierten als "Hebel", mit dem das Weiße Haus den Partnern seinen Willen aufzwinge. Dies sei eine "höchst plumpe Taktik", klagte das Handelsblatt.
Die US-Strafzölle richten sich folglich auch gegen die EU, insbesondere gegen Berlin, das zunehmend bemüht ist, "seine" EU als einen eigenständigen geopolitischen Akteur zu etablieren und auch in Konkurrenz zu den USA zu agieren. Deutschland ist der größte europäische Stahllieferant der USA. Wie bereits erwähnt: Trump hat jüngst ausdrücklich deutschen Autoherstellern Strafzölle angedroht und die zu niedrigen Militärausgaben der Bundesrepublik in Rahmen der NATO bemängelt.
Die Botschaft ist klar: Berlin engagierte sich nicht stark genug im atlantischen Bündnissystem. Im Fall Deutschlands werden nicht nur die extremen Handelsüberschüsse von Washington angeprangert, der ja schon von der Obama-Administration in zivilisierter Form vergeblich kritisiert wurden.
Im Weißen Haus dürften die geopolitischen Ambitionen der europaweit dominierenden Bundesrepublik zunehmend Unmut erregen: von dem Bemühen, gemeinsam mit Paris die EU als - auch militärische - Großmacht aufzubauen, bis zum harten Brexit-Poker mit dem engen US-Verbündeten Großbritannien.
Bei einem deutschen Handelsüberschuss von rund 64 Milliarden Euro, der beispielsweise größer ist als das gesamte deutsch-russische Handelsvolumen, scheint diese Taktik Washingtons erfolgversprechend. Deutschlands Unternehmerschaft kann ja noch rechnen und reagierte auch umgehend.
Handelserleichterungen gegen politische Zugeständnisse
Schon am 9. März, als Trump seine Zollrede hielt, forderte der DIHK-Präsident im Handelsblatt die Wiederaufnahme der TTIP-Verhandlungen, mit denen die Obama-Administration Europa erfolglos an ein atlantisches Bündnissystem binden wollte - und die ja maßgeblich an deutschen Vorbehalten scheiterten.
Von einem "harten Brexit" gegenüber Großbritannien als dem engsten Verbündeten der USA will die deutsche Wirtschaft nun ebenfalls nichts mehr wissen. Laut Spiegel Online vom 13. März sprach sich der BDI dafür aus, Briten "künftig wie Norweger" bevorzugt zu behandeln.
Der ökonomische Nachteil eines starken Handelsdefizits wird somit von Washington in ein geopolitisches Machtinstrument transformiert, nicht nur im Fall des Exportweltmeisters Bundesrepublik. Handelserleichterungen gegen politische Zugeständnisse - dieses Muster einer neuen amerikanischen Politik, die Protektionismus als machtpolitischen Hebel benutzt, scheint sich zu verfestigen.
Ausnahmeregelungen für "Verbündete"
Die Financial Times berichtete am 9. März von "Türen für Ausnahmen", die Washington offen lasse, um den wachsenden Befürchtungen zu begegnen, der US-Präsident würde "Amerikas engste internationale Partner verprellen". Deswegen werde Washington seinen Verbündeten erlauben, sich um Ausnahmeregelungen zu bemühen. Die US-Administration wolle überdies einen Prozess in Gang setzen, der die "Exklusion bestimmter Produkte und Länder mit engen Sicherheitsbeziehungen zu den USA" vom Zollregime zulasse, so die Financial Times.
Inzwischen konnte Australien als einer der engsten Bündnispartner der Vereinigten Staaten im pazifischen Raum sich entsprechende handelspolitische Ausnahmebestimmungen sichern. Australien spiele "geschickt seine geostrategische Bedeutung aus", jammerte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am 11. März, um so "eine Befreiung von den Strafzöllen" von der Trump-Administration zu erhalten.
Australien sei Teil eines informellen geopolitisches Bündnisses "mit Japan, Amerika und Indien", das Chinas Machtentfaltung blockieren solle, so die FAZ. Diese geopolitische Position spiele Canberra "nun gegenüber den Amerikanern aus". Um ähnliche Ausnahmeregelungen bemühen sich derzeit auch Südkorea und Japan, die ebenfalls an der antichinesischen Eindämmungsstrategie Washingtons - mit wechselndem, nun sicher wieder neu aufflammenden Eifer - mitwirken.
USA: Machtpolitische Nötigung in Zeiten des Verlustes der Hegemonie
Dennoch ist der Trumpische Protektionismus ein Zeichen der Schwäche. Letztendlich versetzt diese geopolitische Instrumentalisierung protektionistischer Politik Washington nur in die Lage, seinen imperialen Abstieg zu verzögern. Die große ökonomische Schwäche der USA, das extreme Handelsdefizit, dient dazu, die auf Globalisierung geeichten Konkurrenten der USA unter Druck zu setzen.
Die hochverschuldeten USA gleichen einem waffenstarrenden Griechenland, das die Weltleitwährung kontrolliert und die Spielregeln der Weltwirtschaft nun rabiat umbaut - und mit dem Berlin nicht so umspringen kann wie 2015 mit Athen.
Die USA haben ihre Hegemonie schon verloren. Ein Hegemon muss sein Bündnissystem nicht mit Zwangsmaßnahmen und Drohungen vor dem Zerfall bewahren, wie es Washington nun praktiziert - die gegenwärtige Situation ist die bloßer machtpolitischer Dominanz, bei der die USA ihre westlichen "Partner" durch die Androhung von Strafzöllen noch zu Kooperation im westlichen "Wertesystem" nötigen wollen.
Ein Hegemon muss nicht permanent seine Machtmittel einsetzen, da die in seinem Bündnissystem organisierten Mächte hiervon ebenfalls profitieren - und dieses folglich akzeptieren.
Und dies ist in der gegenwärtigen Etappe der Krise des kapitalistischen Weltsystems nicht mehr gegeben. Es ist folglich nicht nur die auf militärischer Überlegenheit aufbauende Kontrolle der Weltleitwährung, die die Hegemonie der USA aufrechterhielt. Das enorme Handelsdefizit, das die Vereinigten Staaten im 21. Jahrhundert ausbildeten, bildete die ökonomische Grundlage der US-Hegemonie, die gerade deswegen akzeptiert wurde, weil sie vielen Ländern einen schuldenfinanzierten Absatzmarkt verschaffte.
Die sich immer weiter in ihrer eigenen Weltleitwährung verschuldenden USA wirkten somit stabilisierend auf die gesamte, unter struktureller Überproduktion leidende Weltwirtschaft. Im Rahmen der Globalisierung wurde somit vor allem eine Verschuldungsdynamik mit den USA in ihrem Zentrum globalisiert, bei der im Rahmen von Defizitkreisläufen Exportländer wie China zu den größten Gläubigern der USA aufsteigen.
Bei diesen Defizitkreisläufen wurden etwa chinesische Exporte mit amerikanischen "Wertpapieren" beglichen. Ähnlich verhielt es sich bis zum Ausbruch der Eurokrise in Europa mit den deutschen Überschüssen gegenüber der Eurozone.
Verelendung und Protektionismus
Dieses langfristige, strukturelle Defizit der USA hat diese sozioökonomisch verwüstet, was der Rechtspopulist Trump durch eine nationalistische Politik des Protektionismus und der "Reindustrialisierung" zu revidieren versprochen hat.
Trump ist ja gerade deswegen gewählt worden, nachdem das Establishment der Demokraten durch Manipulationen und Betrug dem linken Kandidaten Bernie Sanders den Sieg in den Vorwahlen nahm.
Inzwischen gleiche das (Über-)Leben in den Vereinigten Staaten für einen großen Teil der pauperisierten Bevölkerung dem Überlebenskampf in der Dritten Welt, so lautete das Fazit einer 2017 publizierten Studie. Die einstmals große amerikanische Mittelklasse sei im Gefolge der Deindustrialisierung des Landes in den vergangenen Dekaden stark abgeschmolzen, rund 80 Prozent der Bevölkerung seien verschuldet und leiden unter der prekären Existenz in ungesicherten Arbeitsverhältnissen.
Und es ist ja gerade diese breite Verelendung, die ebenso den Wunsch nach Wandel, den Bernie Sanders personifizierte, beförderte wie auch den rechtspopulistischen Wahn eines politischen Borderliners wie Donald Trump.
Die Selbstdarstellung der USA als Opfer "unfairer Handelspraktiken", die von Trump kultiviert wird, scheint somit einen wahren Kern zu enthalten. Die Beggar-thy-Neighbor-Politik, wie sie vor allem Deutschland gegenüber der Eurozone mit verehrender Effizienz praktizierte, führt zu Verschuldung, Deindustrialisierung und letztendlich Massenelend in den Zielländern dieser Exportoffensiven: in der südlichen Peripherie des "deutschen Europa" ebenso wie in dem Rust Belt der USA.
Der Kapitalismus ist zu produktiv
Und dennoch trügt Trumps rechtspopulistischer Blick auf das Krisengeschehen, der so gerne überall simple, einfache "Wahrheiten" sehen will. Die zunehmenden globalen Ungleichgewichte in den Handelsbilanzen, bei denen exportorientierte Länder wie die Bundesrepublik durch Exportüberschüsse zur Deindustrialisierung und Verelendung in Importländern beitragen, die nun zum Mittel des Protektionismus greifen, sind Ausdruck einer objektiven, systemischen Krisentendenz: der zunehmenden Verschuldung des gesamten kapitalistischen Systems, das nur noch auf Pump läuft, quasi durch die Verfeuerung zukünftiger Kapitalverwertung im Hier und Jetzt.
Die Gesamtverschuldung der globalisierten "One World" steigt viel schneller als die Weltwirtschaftsleistung. Die hierdurch generierte, kreditfinanzierte Nachfrage ist notwendig, um eine kapitalistische Warenproduktion überhaupt noch funktionsfähig zu erhalten, die bereits zu produktiv für die kapitalistischen Produktionsverhältnisse geworden ist. Der Kapitalismus ist längst zu produktiv für sich selbst, was sich in Schuldenbergen und Spekulationsblasen manifestiert.
Es verschulden sich aber nicht alle Volkswirtschaften und Staaten gleichmäßig. Exportorientierten Ländern wie der Bundesrepublik, Süd Korea oder China stehen die Defizitländer gegenüber, die mit zunehmender Verschuldung die Handelsüberschüsse aufnahmen. Die subjektive Verdrängungskonkurrenz zwischen den Standorten exekutierte somit eine objektive Tendenz zunehmender, globalisierter Verschuldung des gesamten Systems.
Diese globalisierte Verdrängungskonkurrenz, bei der durch subjektive Standortkonkurrenz auf dem Weltmarkt entschieden wird, welchem Land die objektive Verschuldungsdynamik aufgebürdet wird, findet in den gegenwärtigen, nationalistischen handelspolitischen Auseinandersetzungen bloß ihre Zuspitzung.
Dennoch sollte die Ursachensuche nicht mit einer populistischen Sündenbocksuche verwechselt werden. Deutschland beispielsweise mag diese Konstellation unbewusst ausgenutzt haben (Agenda 2010), um vermittels Handelsüberschüssen und Schuldenexport auf Kosten Europas die Illusion einer heilen kapitalistischen Arbeitsgesellschaft aufrechtzuerhalten, doch stellt diese Beggar-thy-Neighbour-Politik nur eine Reaktion auf den objektiven, sich marktvermittelt hinter dem Rücken der Subjekte entfaltenden Krisenprozess dar.
Es gibt hier keine Schuldigen, die diese Krise "verursacht" hätten (Schuld wurde bei der Instrumentalisierung der Krise auf sich geladen, etwa als ein Wolfgang Schäuble im neudeutschen Machtwahn halb Europa in das Elend der Austerität trieb.
Der Krisenprozess ist hingegen Ausdruck der dem Kapitalverhältnis innewohnenden Widersprüche: Der Tendenz des Kapitals, sich durch konkurrenzvermittelte Rationalisierungen seiner eigenen Substanz, der wertbildenden Arbeit in der Warenproduktion, zu entledigen. Globalisierung und globaler Schuldenturmbau stellten somit Systemreaktionen auf diese zunehmenden inneren Widersprüche des Kapitals dar.
Und diese Krisenphase neigt sich nun ihrem Ende entgegen - gerade weil die USA als größte Defizitwirtschaft ihr gigantisches Handelsdefizit nicht mehr tragen wollen. Es sind die beschriebenen sozioökonomischen Folgen dieses Krisenprozesses, die dem Rechtspopulismus genügend Auftrieb verschafften, um einen seiner Vertreter ins Weiße Haus zu spülen.
Vom Neoliberalismus zum Neonationalismus
Die Geschichtsepoche der Globalisierung und des Neoliberalismus neigt sich ihrem Ende entgegen. Vor dem Hintergrund der geschilderten Krisendynamik wird aber auch klar, dass der sich nun ankündigende Neonationalismus keine systemimmanente Perspektive mehr bieten kann. Der Motor der Globalisierung lief hauptsächlich dank dem Schmiermittel der amerikanischen Verschuldung in der eigenen Weltleitwährung, die Trump nun beenden will.
Das Eskalationspotenzial ist schwindelerregend: Es ließe sich etwa fragen, wieso die Konkurrenten der USA noch den US-Dollar als Weltleitwährung akzeptieren sollten, wenn Washington ihnen den Zugang zu seinem Markt verwehrte. Die würde aber auch bedeuten, dass auch die USA sich nicht mehr frei verschulden könnten - und tatsächlich zu einer Art hochgerüsteten Griechenland sich wandelten.
Der rechtspopulistische Protektionismus Trumps wird - sollte er nicht doch noch irgendwie gestoppt werden - folglich eine massive Krisenverschärfung mit sich bringen. Gerade in Ländern mit hohen Exportüberschüssen, die ja von der globalisierten Verschuldungsdynamik besonders profitierten. Die wirtschaftlichen Verwerfungen und Schockwellen, die eine hochgradig globalisierte Weltwirtschaft treffen würden, könnten diejenigen der 1930er Jahre des 20. Jahrhunderts übertreffen.
Ein Zeitalter autoritärer, nationalistischer Krisenverwaltung kündigt sich somit an, bei dem die Staaten - sofern sie noch nicht zerfallen sind - mittels einer autoritären Formierung ihrer Machtapparate die sozialen Folgen des rasch um sich greifenden Elends in Schach zu halten versuchen werden. Zugleich kündigt sich ein ideologischer Umbruch an: Das Neoliberale Zeitalter der Globalisierung weicht dem Neonationalismus, der von den Rechtspopulisten aller Länder propagiert wird.
Die Ideologieproduktion in vielen kapitalistischen Kernländern ist längst von diesem Wandel ergriffen. Die Abschottungsbestrebungen des Neonationalismus, mit denen die Krise in einem infantilen Reflex "Draußen" gehalten werden soll, streben logischerweise zu einer Politik der geschlossenen Grenzen.
Entweder sollen die Grenzen gegenüber Menschen, oder für den Warenverkehr geschlossen werden - je nachdem, wie die Krise in dem betroffenen kapitalistischen Kernland hauptsächlich in Erscheinung tritt, die sich ja in Flüchtlingswellen ökonomisch überflüssiger Menschenmassen, und/oder in Deindustrialisierung und Verelendung manifestiert.
Der aufkommende Neonationalismus ist somit irrationaler Ausdruck der sich global krisenbedingt zuspitzenden Widersprüche, an denen die Globalisierung zu zerbrechen droht. Die globalisierte Verschuldungspolitik droht auszulaufen und offen repressiven, mitunter ordinär diktatorischen Formen der Krisenverwaltung Platz zu machen.
Die in allen kapitalistischen Kernländern instinktiv betriebene Hochrüstung des Überwachungs- und Polizeiapparates hat gerade in der Ahnung der kommenden sozialen Verwerfungen ihre tiefere Ursache.
Der vom Rechtspopulismus propagierte Neonationalismus ist die neue, dominante Ideologie der kommenden, finsteren Krisenzeit. Das neoliberale Gequake über die "Chancen der Globalisierung" weicht dem daumendick aufgetragenen Heimatkäse, der die ausartenden sozialen Widersprüche in den krisengeschüttelten Metropolengesellschaften zukleistern soll.
Ideologie als objektiv falsches Bewusstsein dient somit dazu, die kommenden Verwerfungen mit einem falschen Sinn zu versehen. Der Rückfall ins buchstäbliche nationale Elend nach dem Zusammenbruch des globalisierten Schuldenturmbaus wird dann überhöht zur Rückkehr in die verlorene nationale Heimat früherer, idealisierter Epochen: der 1970er, der 1950er, oder gleich der 1930er Jahre. Was ist also der Rechtspopulismus mit seiner Tendenz zur Grenzschließung und Protektionismus? Ein sozioökonomischer Selbstmord, begangen aus Angst vor dem Tod des Kapitalismus.