Donald Trump und die Zeit des Borderliners
Mit dem Wahlsieg Trumps erfährt der krisenbedingt anschwellende Irrationalismus des Weltsystems seinen manifesten Durchbruch
Zurück in die Vergangenheit. Dies ist eigentlich das grundlegende Motto, das die Rhetorik des zukünftigen US-Präsidenten kennzeichnet. Donald Trump möchte Amerika "wieder groß machen", die Zeit zurückdrehen und den sozialen, wirtschaftlichen wie imperialen Abstieg der einstigen Führungsmacht der westlichen Welt revidieren.
Diese Sehnsucht nach einer heilen und idyllischen Vergangenheit, die selbstverständlich nur in der Erinnerungswelt so existierte, ist ein grundlegendes Element rechter und rechtsextremer Ideologien. Entsprechende reaktionäre politische Strömungen reagieren damit auf soziale und wirtschaftliche Verwerfungen, denen die Rechte mit einer dumpfen politischen Regression begegnet. Die Uhren sollen einfach zurückgedreht werden - obwohl es evident ist, dass dies unmöglich ist.
Der egomanische Multimillionär konnte weit in die einstmaligen Stammwählerschichten der Demokraten einbrechen, da er die Deindustrialisierung der USA, die zunehmende Verarmung und Prekarisierung der Arbeiterschaft und die rasche Erosion der Mittelschicht zumindest thematisierte.
Die tiefe systemische Krise, die Trump ins Weiße Haus spülte, wurde von seinen liberalen Gegenspielern im politischen Establishment Washingtons hingegen schlicht ignoriert. Hier lautete die Parole, dass es einfach so weitergehen könne wie bisher. Niemand symbolisierte diese landesweit verhasste neoliberale Kontinuität stärker als Hillary Clinton, die nur durch massiven Wahlbetrug zur Kandidatin der Demokraten gekürt werden konnte.
Das "Zurück zur Vergangenheit" des Donald Trump meint auf der politischen Ebene eine Revision aller partiellen Emanzipationserfolge der vergangenen Jahre in den Vereinigten Staaten. Es droht eine Rückkehr zum ungeschminkten und staatlich legitimierten Rassismus, zur blanken Herrschaft des angst- und hasserfüllten weißen Mannes, zur Segregation.
Die Große Amerikanische Mauer soll die Krise draußen halten
Die USA sollen wieder "weiß" werden: die Arbeitsmigration aus dem verelendeten und bürgerkriegszerfressenen Süd- und Mittelamerika will Trump durch millionenfache Abschiebungen revidieren, die eigentlich nur durch die Errichtung eines gigantischen Lagersystems realisiert werden könnten. Deswegen unterstützte die extremistische Rechte in den USA den Wahlkampf Trumps. In diesem offen faschistischen Spektrum hofft man darauf, dass es nicht bei bloßer Wahlkampfrhetorik bleibt. Für die Amerikaner südlich des Rio Grande bedeutet Trump vor allem eins: Mauer und Stacheldraht. Die Große Amerikanische Mauer soll das Elend, soll die Krise draußen halten.
Trumps barbarische Wahnsinnsrhetorik hat durchaus Methode. Für die Krise der USA, für den industriellen Niedergang des Landes, werden keine inneren gesellschaftlichen Widersprüche, sondern finstere äußere Kräfte verantwortlich gemacht - und dies ist ja ebenfalls typisch für politisch rechte Wahngebilde, die Krisentendenzen zuverlässig externalisieren.
Im Fall des Donald Trump ist sind es die abzuschiebenden südamerikanischen Arbeitsmigranten und das finstere Reich der Mitte, China in seiner Funktion als Werkstatt der Welt, die für das um sich um greifende Elend in den Vereinigten Staaten verantwortlich gemacht werden. Das irrsinnige Ziel einer "Reindustrielisierung" der USA - ein Anachronismus angesichts des global herrschenden Produktivitätsniveaus - soll durch Abschottung erreicht werden. Abschottung gegen Arbeitsmigranten, wie auch Abschottung gegen Konkurrenten auf dem Weltmarkt.
Hiervon dürfte vor allem China, aber auch Deutschland (angesichts der Extremen deutschen Handelsüberschüsse) betroffen sein. Die Rückkehr ins 20. Jahrhundert der industriellen Vollbeschäftigung soll somit letztendlich durch Protektionismus erreicht werden. Innerhalb der irren rechten Ideologie ist dies auch nur zu konsequent: Wenn alles Böse von außen kommt, wenn der "freie" Handel die Ursache der Krise sein soll, dann müssen nur noch die Grenzen dicht gemacht werden, um zurück in die Vergangenheit zu reisen.
Das Problem an dieser Ideologie liegt darin, dass sie nichts mit den realen Ursachen der Krisen zu tun hat. Die Rechte, die zurück in die Vergangenheit will, wiederholt die Fehler der Vergangenheit. Mittels Protektionismus wurde gerade die Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts ins Extrem getrieben - die politischen Folgen der dadurch ausgelösten sozialen Verwerfungen müssten allen rechtspopulistischen Tendenzen zum Trotz noch schemenhaft bekannt sein.