Die Situation an der türkisch-griechischen Grenze ist am Platzen
Seit Sonntag sollen tausend Migranten auf die griechischen Inseln gekommen sein, vermutlich gibt es den ersten Toten, der von griechischen Grenzpolizisten erschossen worden sein soll
Zehntausende Migranten haben sich auf den Weg gemacht, um in die EU zu gelangen. Der schwache Punkt, den die türkische Regierung ausgemacht hat, ist die griechische Landgrenze, wo Tausende warten, während andere versuchen, über den Fluss Evros zu gelangen. Bislang sind nach Angaben der griechischen Regierung seit Sonntag bereits an die tausend Migranten auf griechische Inseln übergesetzt. Dort treffen sie wie auf Lesbos auf Ablehnung, während die Polizei an der Grenze Tränengas und Blendgranaten einsetzt, um die teils aggressiven Migranten vom Grenzübergang fernzuhalten. Schlauchboote werden auf hoher See von der griechischen Küstenwache auch mit Gewalt und Warnschüssen zur Umkehr gezwungen.
Obgleich die türkische Regierung den Ansturm auf die Grenze aus politischem Kalkül organisiert und gewalttätige Anhänger zudem unter Migranten Furcht und Schrecken verbreiten, indem sie diese angreifen und jagen, kuscht die deutsche Regierung und stellt sich hinter den türkischen Präsidenten. Man klebt weiter an dem Flüchtlingsdeal, den Erdogan jetzt offen gebrochen hat, um die EU zu erpressen und sein Kriegsabenteuer in Idlib voranzutreiben.
Was man an Friedrich Merz, der für den CDU-Parteivorsitz kandidiert, als möglichen Kanzlerkandidaten hat, wurde nur durch seine Position deutlich. Einfallslos ruft er den Migranten zu: "Wir können Euch nicht aufnehmen." Es dürfe nicht wieder ein "Kontrollverlust" stattfinden. Während sein Konkurrent Röttgen ebenfalls zur Kooperation mit der Türkei aufruft, um einen neuen Flüchtlingsdeal zu machen, fordert Merz, Deutschland müsse bereit sein, "jede Unterstützung, jede Hilfe auch an die Türkei zu geben, ein einigermaßen menschenwürdiges Unterkommen zu ermöglichen".
Erdogan hat jedoch gerade wieder klar gemacht, dass er zumindest höher pokert: "Die Türkei wird seine Grenztore für Flüchtlinge , die nach Europa wollen, nicht mehr schließen. Der Deal ist beendet."
Zu erwarten ist, dass es an der Landgrenze zu Zusammenstößen kommen wird. Frontex, von Griechenland zu einem schnellen Eingreifen gebeten, erwartet realistisch eine Massenmigration.
Nach türkischen Medien ist an der Grenze der erste Migrant angeblich durch einen Schuss eines griechischen Grenzschützers getötet worden. Gezeigt wird ein Video, auf dem ein junger Mann zu sehen ist, der leblos auf dem Boden liegt und eine Verletzung am Mund zu haben scheint. Männer tragen ihn fort, die Menge ruft: "Allahu Akbar".
Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag scheint überzeugt zu sein, dass die Nachricht stimmt:
Die EU-Grenze zeigt mal wieder ihr mörderisches Gesicht. Griechische Grenzschützer schrecken nicht mehr davor zurück, auf die Schutzsuchenden an der griechisch-türkischen Grenze zu schießen. Wir beklagen heute den ersten Toten, der beim Versuch der Überwindung der Grenze durch griechische Sicherheitskräfte erschossen wurde. Schlauchbooten werden auf hoher See von der griechischen Küstenwache zurückgewiesen. Ein Kind ertrank heute beim Kentern eines Bootes vor Lesbos. Auch hier wird der Tod von Schutzsuchenden billigend in Kauf genommen, um den schändlichen Deal mit dem Erdogan-Regime mit brutaler Gewalt am Leben zu halten. Wer angesichts dieser humanitären Krise an den Grenzen Europas mit der Forderung nach Stärkung des EU-Türkei-Deals reagiert, hat seine Humanität gleichzeitig mit seinem politischen Verstand eingebüßt.
Ulla Jelpke
Stelio Petas, der Sprecher der griechischen Regierung, bezeichnet die Meldung als "Fake News" der "türkischen Propaganda": "Das Video, das einen Toten an der griechisch-türkischen Grenze zeigt, ist eine Fake News. Wir rufen jeden zur Vorsicht auf, Nachrichten zu verbreiten, die die türkische Propaganda unterstützen."
Der BBC-Reporter Mughira Al Sharif bestätigte den mutmaßlich ersten Toten an der griechischen Grenze. Es handele sich um den syrischen Flüchtling Ahmed Abu Emad aus Aleppo, "der heute von griechischen Grenzwachen beim Versuch getötet wurde, mit Hunderten von Flüchtlingen nach Griechenland zu kommen." Getötet worden sei er um 9:07 in der Nähe von Ipsala.