Die Tage auf der Erde werden immer länger
Wissenschaftler haben mit einer neuen Methode rekonstruiert, wie das Verhältnis von Erde und Sonne vor 1,4 Milliarden Jahre war
Die Untersuchung der Erd- und Sonnensystemgeschichte von dem Geowissenschaftler Stephen Meyers von der University of Wisconsin und von dem Astronomen Alberto Malinverno von der Columbia University geht davon aus, aus den geologischen Spuren der Milanković-Zyklen in Sedimenten und Fossilien die sich verändernde Sonneneinstrahlung näher zu erforschen. Mit dieser Astrochronologie lassen sich erdgeschichtlich die natürlichen Klimaschwankungen besser verstehen, die durch astronomische Einflüsse entstehen. So hängt die Sonneneinstrahlung von der sich ändernden elliptischen Umlaufbahn der Erde um die Sonne, von der ebenfalls sich verändernden Neigung der Erdachse oder der unterschiedlichen Präzession der Erdrotationsachse ab. Alle diese Zyklen verändern sich periodisch.
Bislang ließen sich die geologischen Auswirkungen der Zyklen etwa 50 Millionen Jahre auf ihre geologischen Spuren zurückverfolgen, weiter zurück kann man aber aufgrund wachsender Unsicherheit, etwa durch das chaotische Verhalten des Sonnensystems, und fehlenden radioisotopischen Daten kaum mehr etwas dazu sagen. Erschlossen werden sie etwa durch Gezeitenablagerungen oder dem Wachstum von wirbellosen Fossilien oder Stromatoliten, durch Mikroorganismen entstandene Sedimentgesteine, während der letzten 2,4 Milliarden Jahre. Die Wissenschaftler sagen in ihrem Beitrag für PNAS, dass für eine Geschichte des Planeten Erde, die Milliarden Jahre zurückreichen sollte, vieles in diesen Zyklen noch nicht berücksichtigt wurde, darunter auch das sich verändernde Verhältnis von Erde und Mond.
Die Wissenschaftler führten nach dem Bayes Theorem eine statistische Rückwärtsinduktion durch, um, wie sie sagen, quantitativ die astronomische Theorie mit geologischen Beobachtungen zu verbinden, wodurch sich nach Angaben der Wissenschaftler astronomische Zyklen im Proterozoikum, periodische Veränderungen des Sonnensystems, die Präzessionskonstante und die geologische, direkt aus stratigrafischen Daten abgeleitete Zeitskala rekonstruieren lässt. Stephen Meyers hat dazu die Methode timeOptMCMC entgwickelt. Letztes Jahr hatte Meyers bereits gezeigt, wie sich das chaotische Verhalten des Sonnensystems anhand einer 87 Millionen Jahre alten Felsschicht zeigen lässt. Dort hatten sich Spuren einer Resonanztransition zwischen Mars und der Erde erkennen lassen.
Der Mond entfernt sich von der Erde
Bei der Berechnung des Verhältnisses Erde-Mond zogen die Wissenschaftler Informationen über die etwa 1,4 Milliarden Jahre alte Xiamaling-Gesteinsschicht aus Nordchina und dem 55 Millionen Jahre alten Walfischrücken im Südatlantik zum Vergleich heran, um daraus mittels TimeOptMCMC die Entfernung von Mond und Erde und die Variationen der Erdumlaufbahn abzuschätzen.
Nach LLR-Messungen (Lunar Laser Ranging) wird der Abstand Erde-Mond derzeit jährlich um 3,8 cm größer, wobei die Gezeitenreibung die Rotation der Erde bremst. Würde man das zurückrechnen, so wäre der Mond vor 1,4 Milliarden Jahren der Erde so nahe gekommen, dass die Schwerkraft der Erde den Mond auseinandergerissen hätte, sagt Meyer. Der Mond aber ist 4,5 Milliarden Jahre alt, also muss man die Geschichte anders rekonstruieren.
Nach den Berechnungen ergab sich, dass sich das Verhältnis von Erde zu Mond beträchtlich verändert hat. So soll ein Tag vor 1,4 Milliarden Jahren keine 24, sondern nur 18.68 Stunden (± 0.25) lang gewesen sein. Jedes Jahr verlängert sich der Tag damit um unmerkliche 0.00001542857 Sekunden.
Die Tage werden deswegen länger, weil sich der Mond ebenso kontinuierlich und unmerklich von der Erde entfernt. Derzeit schwankt die Entfernung zum Mond zwischen 356.565 km und 406 464 km (mittlere Entfernung um die 384.000 km), vor 1,4 Milliarden sollen es demnach 340.900 ± 2,600 km gewesen sein. Die Präzessionszyklen lagen nach den Berechnungen vor 1,4 Milliarden Jahren bei 14.000 Jahren (jetzt mehr als 25.000 Jahren) und die Exzentrizitätszyklen bei 131.000 Jahren (jetzt 100.000 Jahre). Der Einfluss der Gezeitenreibung soll geringer gewesen sein.
Die geologischen Schichten sind ein astronomisches Observatorium für das frühe Sonnensystem. Wir betrachten seinen pulsierenden Rhythmus, der im Gestein und in der Geschichte des Lebens aufbewahrt ist.
Stephen Meyers