Die Träume des Empires
Neue Feinde braucht die Welt
Zwei Häufungen sind im aktuellen Kino zu beobachten: Römer- und Alienfilme geben einander die Klinke in die Hand. Zufall oder Ausdruck einer Zeitstimmung?
Vor einigen Jahren veröffentlichen Antonio Negri und Michael Hardt Empire,einen vorläufigen Bericht zum Stand und zu den Aussichten des aktuellen Kapitalismus. Unter anderem war darin zu lesen, dass das "Empire" in seiner derartigen Form im Grunde kein "Außen" mehr kenne, weil die Techniken der Rekuperation und Vereinnahmung so ausgefeilt seien, dass ein "Außen", ein ernstgemeinter Dissens im eigentlichen Sinne, gar nicht mehr möglich sei.
Wenn das stimmt, dann gibt es für die Sachwalter des Empires, wie immer man sie definieren will, ein Problem, denn ohne äußere Feinde sind nicht nur die internen Spannungen des weltgesellschaftlichen Kontinuums fein nach außen abzuleiten; es fehlt auch ein bisschen das Salz in der Suppe, wenn es statt einer Frontier nur noch Management gibt. Die letzte Darstellungsform der Frontier hat sich seinerzeit im "Kampf der Kulturen" gezeigt, und seit der nicht mehr so aktuell ist wie einst, sucht man händeringend nach Neuerem.
Schwierig, wenn die ganze Welt auf der Suche danach bereits mehr oder weniger verbraucht ist. Aber wo die Gefahr der Stagnation dräut, wächst das Rettende des neuen Kampfs auch, und wenn man das Kino als öffentlichen Traum des Kapitalismus begreift, dann ist diese Rettung schon sehr nah.
In den letzten Jahren sind verstärkt Römerfilme in das Kino gekommen, die exakt die Fragestellung diskutiert haben, wo das Imperium aufhört und die Barbarei beginnt, die saudumme Schwarte King Arthur zählt ebenso dazu, wie der überraschend gute Centurion und der seit Anfang März in deutschen Kinos laufende Adler der neunten Legion (im Orginal Eagle).
Erstaunlich reflektierte Barbarenfilme
In einem erweiterten Sinne könnte man durchaus auch den sehr beunruhigenden und pessimistischen Valhalla Rising dazu zählen, wenn man die dort portraitierten christlichen Wikinger als Imperiums-Sachwalter versteht und die Kultur, auf die sie treffen, als "die Barbaren". Ja sogar "Avatar" kann 1:1 auf dieses Schema abgebildet werden, wenn es auch vom Nihilismus von "Valhalla Rising" nicht weiter entfernt sein könnte.
Es ist bemerkenswert, dass all diese Filme nicht als reine Propaganda angesehen werden können. Selbst eine so dröge Schwarte wie "King Arthur" ist immerhin in der Lage, einen mehrdimensionalen Charakter als Identifikationsfigur anzubieten, auch wenn der Film ansonsten vor blöden Klischees nur so strotzt. Und "Centurion", der beworben und angepriesen wurde wie ein reines Hack & Slash-Abenteuer in Sandalen, entpuppt sich als erstaunlich reflektierte und gleichzeitig spannende Saga über die Hohlheit spätimperialer Ansprüche - wobei die Barbaren kein Stück idealisiert werden.
Der Endpunkt dieses Diskurses ist "Valhalla rising", der alles Gefasel von Ehre, Zivilisation und Christentum, aber auch vom tapferen Beharren auf dem Eigenen der Autochthonen demaskiert, bis nichts übrig bleibt als die universale Herrschaft der Gewalt. Wenn auf diese Weise kein Ausweg, kein sinnstiftender Konflikt in der Vergangenheit gefunden werden kann, kein Heil im Krieg der anständigen Zivilisation gegen die rückständige Barbarei oder der kernig-ursprünglichen Edelwilden gegen das dekadente Spätrom, wenn die Pikten, die Indianer, die Naturmenschen verschwunden sind (und in der gehasst-geliebten Form nie existiert haben), wo kommt der neue Gegner her?
Lederstrumpf der Zukunft aus dem Weltall
Aus dem Weltraum natürlich. Und da haben wir jetzt eine ganze Reihe Filme, die so tun, als hätten die Fünfziger des letzten Jahrhunderts nie aufgehört, ebenso wenig wie der Kalte Krieg gegen das Reich des Bösen, oder als habe der edle Wilde als Projektionsfläche dekadenter Heilswünsche nie demissioniert. "Avatar" gab uns den Lederstrumpf der Zukunft, Skyline bietet einen minderwertigen Aufguss minderwertiger Alienschmonzetten von vor sechzig Jahren an, und Battle: Los Angeles vervollständigt diese Reihe geistiger und ästhetischer Niederlagen, indem es in seinem lächerlichen pseudodokumentarischen Anspruch diese Brücke in die Vergangenheit zu den tereminbegleiteten rotierenden Untertassen auch noch plotmäßig aufgreift, frei nach dem Motto: Wenn schon peinlich, dann richtig.
Wenn "Valhalla rising" der intelligente, völlig desillusionierte Endpunkt des Imperium/Barbarei-Diskurses ist, dann stellt Cowboys & Aliens die Crème des Schwachsinns dar, wenn es um die Wiedererichtung der Frontier geht. Filme, die ganz in ihren Titeln enthalten sind, tendieren dazu, entweder kompletter Müll oder genial zu sein; Trailer und Abstract von "Cowboys & Aliens" (deutscher Kinostart am 15. September 2011) berechtigen zu der begründeten Vermutung, dass Genie hier nicht im Spiel war.
Im Unterschied zu den klugen und weniger klugen Filmen aus Antike und Mittelalter über den Kampf zwischen Imperium und Barbarei sind die Peinlichkeiten über die vergangenen und kommenden Alieninvasionen Propaganda der ganz schlichten Art. In einer interessanten Verkehrung bieten Filme über das ganz Andere/die Zukunft nur die breitgetretetenen Plattheiten der filmgeschichtlichen Vergangenheit an, während die aktuellen Filme, die ihre Stoffe aus Antike und Mittelalter nehmen, durchweg moderner wirken. Moderner nicht in dem Sinn, dass hier die Filmkunst neu erfunden wir - aber wenigstens in Bezug auf die Reflexionshöhe.
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