Die Windkraft lernt schwimmen
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Rotoren im Meer aufzustellen geht bislang nur dort, wo die Ozeane flach sind. Doch diese Standorte sind rar, weshalb die Industrie nach neuen Konzepten sucht
Es klingt nach einer ziemlich verrückten Idee: schwimmende Windräder. "Beispielsweise in Indien, in Taiwan, in Japan oder Portugal geht es vor der Küste schnell sehr steil in die Tiefe", sagt Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin. Sehr steil bedeutet gleich mehrere hundert Meter. Für herkömmliche Offshore-Windräder ist das viel zu tief, sie müssen im Meeresboden verankert werden. "Offshore-Windkraft ist aber enorm wichtig beim Umbau zu einer klimafreundlichen Stromversorgung", urteilt Volker Quaschning. Also muss die Windkraft schwimmen lernen.
In Nord- und Ostsee ruhen die Windräder weit draußen vor der Küste auf Fundamenten, auf sogenannte Tripods, Jackets oder Monopiles: Tripods sind Dreibeine, die in den Meeresboden gerammt werden; Jackets sind fachwerkartige Stahlkonstruktionen, die unter Wasser das Windrad halten - sie sehen ein bisschen aus wie die Unterteile von Hochspannungsmasten. Kommt ein Monopile zum Einsatz, hält ein einziges festes Fundamentrohr die Anlage im Wind.
Je größer die Windgeschwindigkeit, desto großer die Energieausbeute eines Windrades, was die Technologie so attraktiv macht: Auf dem Meer weht der Wind nicht nur beständiger, sondern im Durchschnitt auch deutlich stärker.
Allerdings können solche Fundamente nur in Wassertiefen von 30, maximal 60 Metern aufgebaut werden, weltweit aber gibt es nur wenige Küstengewässer, die solche Gründungen für Windräder zulassen. "Deutschland und andere Ostsee- und Nordsee-Anrainer haben Glück: In ihren Gewässern gibt es solche Wassertiefen", sagt Quaschning. Deshalb liegt Deutschland mit 1.300 Offshore-Windrädern in seinen Hoheitsgewässern hinter Großbritannien bei der Technologie auch auf Platz zwei. Weltweit aber sind solche Standorte selten, zwei Drittel aller Offshore-Räder drehen sich in Europa.
Zum Beispiel Japan: Mit fast 39.000 Kilometern Küstenlinie besitzt das Land ein gewaltiges Offshore-Windpotenzial, allerdings fallen die Küsten in der Regel so schnell in Wassertiefen unter 500 Meter ab, dass herkömmliche Offshore-Technik vor den Küsten nicht möglich ist. Deshalb rief das japanische Wirtschaftsministerium 2012 das "Forward Project" ins Leben, um Strom mit schwimmenden Windrädern zu produzieren.
Seit 2013 speiste die kleinste der drei Versuchsanlagen mit zwei Megawatt Leistung Strom ins japanische Netz ein, nach dem Schwimmkörper mit einem Sieben-Megawatt-Kollos ging 2017 ein drittes Windrad mit Fünf-Megawatt-Windrad in Betrieb.
Schwimmende Windräder auch vor Norwegen
Die Japaner sind nicht die einzigen, die schwimmende Windräder erforschen. In Norwegen etwa dreht sich seit 2009 ein Versuchswindrad mit fünf Megawatt Leistung. Vor der bretonischen Küste erzeugt seit 2018 ein Windrad auf einem Betonschwimmer Strom, "Floatgen" nennt sich das Projekt.
"WindFloat" heißt der erste schwimmenden Offshore-Windpark in Südeuropa, den unter anderem der spanische Energiekonzern Repsol vor der portugiesischen Küste betreibt. Auf drei Spezialpontons sind jeweils 8,4 Megawatt-Rotoren montiert, die 20 Kilometer vor der Küste bei Viana do Castelo in Gewässern mit einer Tiefe von über 100 Metern schwimmen. Die Anlage liefert seit Sommer letzten Jahres Strom.
Schwimmende Windräder treiben auf Schwimmkörpern und sind nur auf dem Meeresgrund vertäut. "Als Inspiration dienen den Ingenieuren Plattformen der Erdöl- und Erdgasindustrie", sagt Quaschning. Ein entscheidender Vorteil: Noch an Land werden die Anlagen mit der Windturbine zusammengebaut, Schlepper ziehen sie dann raus aufs Meer, dorthin, wo sie Strom erzeugen sollen.
Weil das einfacher ist als eine Installation bei Wind und Wellen, hoffen Ingenieure, dass die Methode Zeit und Geld sparen wird. Zudem sind schwimmende Systeme umweltfreundlicher: Die Rammarbeiten für das Setzen der Fundamente an den meeresboden-gebundenen Offshore-Standorten fallen weg, Naturschützer kritisieren diese immer wieder, weil sie etwa Schweinswale vertreiben.
Bei einem Rückbau kann die Schwimmvariante zudem ohne Rückstände einfach wieder abgezogen werden. Und noch einen Vorteil haben die schwimmenden Kraftwerke: Auch Länder, die keine Küste haben für fest installierte Offshoreparks, könnten sie in internationalen Gewässern betreiben.
Allerdings sind die Anforderungen an die Technik gigantisch: Die Gondel eines Windrades wiegt um die 450 Tonnen, dazu kommt das Gewicht der Rotorblätter. Die Ingenieure müssen schwimmende Plattformen entwickeln, die ein solches Gewicht in 150 Metern Höhe stabil halten, obwohl es sich - je nach Windrichtung - um die eigene Achse dreht.
Und als wäre diese Ingenieursleistung nicht schon anspruchsvoll genug: Die Kraftwerke im Meer müssen ihren Dienst auch bei 19 Meter hohen Wellen sicher erfüllen, wie sie zum Beispiel an der norwegischen Versuchsplattform "Hywind" vorkommen.
Im Wesentlichen gibt es drei konkurrierende Konzepte. Das Spar-Buoy-System wird auch als "tanzender Turm" bezeichnet. Es besteht aus einem Stahlzylinder, der als Schwimmer und Turm für die Windkraftanlage dient. Zudem gibt es das tauchende Konzept, bei dem die Plattform meist von senkrecht stehenden Tauchzylindern gehalten wird.
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