Die Windkraft lernt schwimmen

Seite 2: Gicon: Antriebskörper aus Dresden

Die Dresdner Firma Gicon nutzt einen zylindrischen Auftriebskörper, der von straff gespannten Ketten leicht unter Wasser gezogen und so in Position gehalten wird. Gemeinsam mit Forschern der Bergakademie Freiburg entwickelte Gicon das sogenannte Tension-Leg-System. Firmensprecher Nico Fiedler: "2017 sind wir mit dem US-amerikanischen Ingenieurdienstleister Gloston eine strategische Partnerschaft eingegangen, um die Weiterentwicklung der Tension-Leg-Technologie voranzubringen."

Der Energiekonzern EnBW aus Baden-Württemberg nannte sein Konzept "Nezzy", hier drehen sich gleich zwei Windräder auf einer schwimmenden Plattform. Unweit des ehemaligen Atomkraftwerks Lubmin war eine Modellanlage im Meeresboden der Ostsee verankert. EnBW-Projektleiter Ulf Baak war nach "erfolgreicher Absolvierung des Demonstratorprojektes" voll zufrieden, "Nezzy" soll nun bis zum kommenden Jahr in China in Zusammenarbeit mit einem chinesischen Partner im Maßstab 1:1 aufgebaut werden, um dann seine Eignung neuerlich unter Beweis zu stellen.

Welche Technologie sich durchsetzen wird, sei derzeit schwer zu sagen, urteilt Kimon Argyriadis von der Stiftung Det Norske Veritas: "Jedes Konzept hat Vor- und Nachteile, teilweise werden die Vorzüge der einzelnen Konzepte in anderen auch kombiniert."

"Führend ist aktuell Schottland", urteilt Nico Fiedler von Gicon. Im Meeresgebiet Buchan Deep, rund 25 Kilometer vor der schottischen Küste auf der Höhe von Aberdeen, ist der größte schwimmende Windpark ans Netz gegangen: Die fünf Anlagen liefern Strom für den Jahresbedarf von rund 20.000 Menschen. "Weitere große Flächen in Wassertiefen mit mehr als 60 Metern Wassertiefe wurden jetzt in Schottland ausgeschrieben, um Windparkentwicklungen voranzutreiben", sagt Fiedler, das Bieterverfahren ende im März und in etwa einem Jahr wird bekannt, wie viel schwimmende Offshore-Kapazität in Schottland entwickelt wird.

Neuer Platz für Windkraft

Lange waren die Kosten für den produzierten Strom aus der "schwimmenden Windkraft" sehr hoch. "Die Systeme stehen technologisch kurz vor dem Durchbruch", urteilt nun aber Volker Quaschning von der HTW Berlin. Und das sei auch dringend notwendig, "denn für den Ausbau der Windenergie wird der Platz knapp". Für den Klimaschutz sei der Ausbau aber enorm wichtig, besonders für dichtbesiedelte Staaten sei die schwimmende Technologie eine gute Alternative.

In Japan läuft gerade eine Offshore-Ausschreibung für vier Standorte, bis Ende Mai können Investoren ihre Angebote abgeben. Auch in norwegischen, griechischen, französischen und spanischen Gewässern sollen Schwimmwindparks entstehen. Längst sind auch große Konzerne wie Siemens, Equinor oder Statoil ins Geschäft eingestiegen.

Ein gutes Dutzend Windparks mit hunderten Schwimm-Anlagen ist derzeit in Planung, etwa in der Keltischen See zwischen Irland und Wales, in Südkorea oder in den USA, wo allein vor Kaliforniens Küste Windräder mit 10.000 Megawatt Leistung schwimmen sollen. Scheint so, als ob die ziemlich verrückte Idee jetzt Realität wird.

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