Die Wünsche der Kontrolleure

Ein leitender englischer Polizeibeamter fordert eine umfassende Gen-Datei der Gesamtbevölkerung

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In Deutschland beginnt man erst gerade mit dem Aufbau der bundesweiten Gen-Datei, aber schon gibt es auch hier Stimmen, die fordern, doch nicht zu vorsichtig zu sein, sondern den Kreis derjenigen, deren genetische Identität aufgenommen werden soll, möglichst weit auszudehnen. Alles dient ja nur der Sicherheit der unbescholtenen Bürger, die auch schon massenhaft zum Gentest getrieben wurden, um ihre Unschuld zu beweisen - und damit vielleicht den ersten Grundstock für das zu hinterlegen, was wahrscheinlich durch weitere Gewöhnung kommen wird und was ein leitender Polizeibeamter Großbritanniens laut BBC News vom 5. Mai 1998 denn auch schon eingefordert hat: eine Gendatei der gesamten Bevölkerung anzulegen.

Wenn man schon einmal etwas zur Verfügung hat und die Möglichkeiten geschmeckt hat, dann will man mehr. Das geht nicht nur Kindern, Süchtigen oder überhaupt allen Menschen so, sondern auch den Sicherheitskräften. In Großbritannien hat bereits die genetischen Informationen von mehr als 250000 Menschen in einer Datenbank gesammelt. Man habe festgestellt, daß in vierzig Prozent der Fälle, bei denen man am Ort eines Verbrechens eine DNA-Probe aufgenommen hat, eine Übereinstimmung mit einem genetischen Fingerabdruck hergestellt werden konnte.

Aber, wie der Präsident der Police Superintendent's Association, Peter Gammon, hervorhebt, ist es ein zeitraubender und den Fortgang einer Ermittlung verzögernder Prozeß, die genetischen Proben von Verdächtigen nach einem Verbrechen aufzunehmen und zu analysieren. Man könne Verbrecher schneller fassen, wenn sie das Beweisstück bereits durch die Datenbank lassen könnten, in der sich genetischen Proben von jedem Bürger Großbritanniens befinden. Daher forderte er die Regierung auf, eine wirklich nationale Datenbank zu erstellen.

Natürlich könnte man eine solche Datenbank auch beliebig erweitern. Mittel zur Identifizierung und Überwachung schießen gegenwärtig aus dem Boden. Man müßte nur die Daten verknüpfen und könnte dann Fingerabdrücke, Stimmanalysen, Gesichtsidentifizierung, Bewegungsprofile durch Handy-Signale, GPS-Daten von Autos oder was einem sonst noch einfällt mit dem genetischen Profil verbinden. Einfacher wäre es vielleicht, man würde jeden Einwohner eines Landes - und womöglich auch Touristen oder andere Besucher, die schließlich auch Verbrechen begehen könnten - mit einer nicht entfernbaren, fälschungssicheren elektronischen Identitätsmarke ausstatten, mit der man präventiv oder nachträglich stets kontrollieren kann, wer sich wo zu welcher Zeit aufhält oder aufgehalten hat. Die ersten Versuche laufen bereits mit dem neuen elektronischen Strafvollzug, aber für eine aufmerksame, sicherheitsvernarrte und panoptische Gesellschaft, zu der sich das digitale Zeitalter zu entwickeln scheint, wären wohl am besten alle Gefangene, die man zu ihrer eigenen Sicherheit permanent überwacht.

BBC News zitiert einen Kritiker der polizeilich erwünschten Gen-Datei und weist, wen wunderts, wieder auf mögliche Sicherheitsmängel hin: "Ein entschlossener Krimineller könnte sehr versucht sein, eine derartige Datenbank zu hacken, ihre Einträge zu verändern und ein ultimatives genetisches Alibi für jedes Verbrechen liefern, das er begeht." Sicherheit ist relativ und daher stets in einer Spirale des Wettrüstens befangen. Aber zur Sicherung der Datenbank, die Sicherheit produziert, wird den Sicherheitsbehörden schon auch wieder eine neue Sicherung einfallen ...