Die Wundertätigkeit des Marktes

Seite 2: "Gleichgewicht" des Markts existiert nur als Resultat fortwährender Krisen

Das "Arbeitsgeld" unterscheidet sich vom Geld vor allem dadurch, dass es wie Theaterkarten nach ihrer Einlösung ungültig wird, also nicht selbständig zirkuliert. Darauf beruht, wie oben dargelegt, die Möglichkeit, den Distributionsprozess zu stabilisieren, indem die Summe der Güterpreise an die Menge der ausgegebenen Arbeitszettel angepasst wird.

Im Kapitalismus sieht es dagegen so aus, dass es überhaupt keine Instanz gibt, die die umlaufende Geldmenge bestimmen kann, denn letztere verändert sich jedes Mal, wenn Banken, auch Privatbanken, Geld durch Kreditvergabe "schöpfen".

Staatliche Zentralbanken versuchen die Geldmenge zu beeinflussen und werden dabei regelmäßig der Begrenztheit ihrer Möglichkeiten gewahr. Stabilität gibt es im Kapitalismus nur als die ständige, mehr oder minder destruktive Ausgleichung von Disproportionalitäten, wobei diese Ausgleichsprozesse durch die immer umfassender gewordene wechselseitige Verflechtung zunehmend an Heftigkeit gewinnen.

Schon seit Anfang des 19. Jahrhunderts sind regelmäßig wiederkehrende Wirtschaftskrisen bekannt; die Regelmäßigkeit ihres Auftretens ist ein ökonomisches Gesetz, das aus der immer wiederkehrenden Expansion des Kredits resultiert, da diese jedes Mal zu einem Punkt führt, wo das Vertrauen in all die umlaufenden Kredite schwindet, so dass diese nicht fortgesetzt und dadurch Kettenreaktionen von Zahlungsunfähigkeit ausgelöst werden.

Dies soll hier nicht weiter ausgeführt werden, da wir nur über den Markt als Distributionsinstanz sprechen. Bereits was dazu gesagt wurde, lässt die Marktwirtschaft keineswegs in glänzendem Licht erscheinen. Die allgemein bekannten Erfahrungen von Konjunkturzyklen und Krisen unterstreichen jedoch mit zusätzlicher Deutlichkeit, wie verfehlt die Elogen bürgerlicher Ökonomen auf die segensreichen Wirkungen des Markts sind.

Das "Allokationsproblem"

Folgt man diesen Elogen, so ist es vor allem ein bestimmtes Problem, das zu lösen die große Leistung der Marktwirtschaft sein soll: das "Allokationsproblem". Es besteht im Grunde in nichts anderem als der Frage, wie das, wovon hier laufend die Rede war, bewerkstelligt werden kann: wie gelangen die Güter dorthin, wo sie gebraucht werden?

Darin wird die Leistung des Markts gesehen, und es wird unterstellt, die einzige Alternative dazu würde darin bestehen, dass irgendjemand für die ganze Gesellschaft genau festlegt, welche einzelne Güter produziert werden sollen und wer sie dann bekommen soll, wobei als Ziel unterstellt wird, dass immer alles exakt passt und keine nachträglichen Korrekturen erforderlich werden.

Das leistet die Marktwirtschaft allerdings auch nicht, denn der Markt funktioniert vielmehr so, dass ständig "Fehlallokationen" (wie die VWLer sagen) auftreten und dann – wie oben besprochen – in reichlich ineffizienter, ja destruktiver Weise korrigiert werden.

Das Prinzip dieser Apologie der Marktwirtschaft ist also dies: Man misst Alternativen zur Marktwirtschaft an einem absurden Maßstab, dem auch die Marktwirtschaft nicht gerecht werden kann und der an diese daher von vornherein nicht angelegt wird.

Angesichts solcher Gedankenkonstruktionen fragt man sich, worin das Allokationsproblem eigentlich noch bestehen soll. Es drängt sich der Schluss auf: Das Allokationsproblem ist ein "Problem", das eigens erfunden wurde, um die Marktwirtschaft dafür zu feiern, dass sie es löst.

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