Die Zeit der Monster
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Ein Kommentar zu den Ursachen und Folgen des Falls der nordsyrischen Stadt Afrin an das Erdogan-Regime
Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren: Es ist die Zeit der Monster.
Antonio Gramsci
Der fundamentale Unterschied zwischen der basisdemokratischen kurdischen Selbstverwaltung in Nordsyrien und den sonstigen Kriegspartien wurde am vergangenen Wochenende evident. Während jene islamistischen Mordmilizen, die das türkische Regime bei seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg als Kanonenfutter nutzte, niemals zögerten, eine Stadt zum Kampffeld und die Zivilbevölkerung zu Geiseln zu machen, entschieden sich die kurdischen Volksverteidigungskräfte für die Evakuierung der Zivilbevölkerung Afrins. Während der Islamismus den Tod sucht, versucht die kurdische Linke, Leben zu retten.
Damit stehen die Kurden Syriens ziemlich allein da in dem geschundenen Bürgerkriegsland, das zum Kampffeld von Monstern wurde, die nun ihre große Zeit gekommen sehen. Eine unheilige regionale Allianz autoritärer Regime sieht in Rojava eine politische Bedrohung entstehen, die ihre theokratischen Regime und Kleptokratien destabilisieren könnte.
Rojava steht folglich nicht nur das faschistische Regime der Türkei feindlich gegenüber, das europäischen Nationalismus und Chauvinismus mit sunnitischen Islamismus amalgamiert und auf den Trümmern Syriens und des Irak sein Neo-Ottomanisches Imperium errichten will.
Was wäre das Monster Erdogan ohne Wladimir Putin, in dessen syrischer Einflusssphäre Afrin liegt (Afrin: Erdogans Werk und Putins Beitrag)? Die Annäherung zwischen Ankara und Moskau, die mit Waffen- und Energiedeals einhergeht, findet auf Grundlage der ethnischen Säuberungen und der Massaker in Afrin statt.
Wladimir Putin hat Erdogan in einem klassisch imperialistischen Deal die Kurden Afrins und weite Teile Idlibs zum Fraß vorgeworfen, um die Türkei aus dem westlichen Bündnissystem zu lösen. Putin benutzt Syrien als Verhandlungsmasse, er verscherbelt Teile des Landes an die Türkei, um geopolitische Ziele zu erreichen. Annäherung durch ethnische Säuberung - dies ist das Motto russisch-türkischer Politik.
Die Kurden Syriens sind das Opfer, das der Westen wie Russland dem türkischen Faschismus zu bringen bereit waren
Das Machtmonster im Kreml hat aber in den Monstrositäten, die die abgetakelte westliche Wertegemeinschaft hervorbringt, seine Meister gefunden. Der Westen tat alles, um die Strategie des Kremls scheitern zu lassen - indem er nichts tat und Erdogan gewähren ließ. Von den selbsternannten liberalen Menschenrechtlern, bis zu den rechtspopulistischen Ismlamistenjägern wie Donald Trump - alle hielten den Mund, als türkische Islamisten die letzte unversehrte Region Syriens verwüsteten und ethnisch säuberten.
Die Kurden Syriens fanden sich somit zwischen den Fronten zunehmender geopolitischer Spannungen. Sie waren das Opfer, das der Westen wie Russland dem türkischen Faschismus zu bringen bereit waren. In den vergangenen zwei Monaten übte sich die westliche Öffentlichkeit und Politik folglich vor allem im angestrengten Wegschauen, in Verharmlosung, oder in der Skandalisierung dubioser Giftmorde.
Unter dem, was der deutsche Medienbetrieb zu Afrin produzierte, ragt der Bericht des Türkeikorrespondenten von Spiegel Online (SPON), Maximilian Popp, noch weit hervor. Popp schaffte es tatsächlich, mit viel Phantasie die kurdische YPG für Erdogans Kriegsverbrechen in Afrin verantwortlich zu machen - indem er behauptete, kurdische Milizen würden die Zivilisten an der Flucht aus Afrin hindern. Dies zu einer Zeit, als die Evakuierung Afrins bereits lief.
Hinzu kam, vor allem in Deutschland, die staatliche Repression der verzweifelten kurdischen Community, die in ihrer Servilität gegenüber dem Erdogan-Regime schon postdemokratische Züge annahm. Während Deutschland Mordgerät an die Türkei lieferte, wurden in reinster Schikane sogar kurdische Nationalfarben bei Demos verboten. Großbritannien beispielsweise machte mit Erdogan ebenfalls seine dreckigen Deals und ließ ihn gewähren, doch konnten dort die Menschen ihre Wut wenigstens frei artikulieren. In Deutschlands Staatsapparat scheinen hingegen Erdogans repressive Methoden, zuerst an kurdischen "Ausländern" erprobt, als ein modernes Zukunftskonzept gehandelt zu werden.