Die Zukunft aus der Sicht der 1970er Jahre

HI-Versammlung in "Dreht Euch nicht um, der Golem geht rum oder das Zeitalter der Muße"

Im 23. Jahrhundert herrscht die kybernetische Weltregierung - Die Arbeit wird von Sträflingen und hochgezüchteten Affen erledigt und gereist wird per Rakete

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Der Zweiteiler "Dreht Euch nicht um, der Golem geht rum oder das Zeitalter der Muße" wurde im Jahre 1971 unter der Regie von Peter Beauvais gedreht. Das Drehbuch stammt vom Ende 1971 verstorbenen Dieter Waldmann. Er war das erste Fernsehspiel des damaligen Südwestfunks und spielt in Köln im 23. Jahrhundert.

Von Köln sieht man allerdings nur ab und an ein Bild des Doms, denn die Menschen leben in einem weitgehend geschlossenen Hallensystem. Die Bürger arbeiten teilweise noch eine Stunden pro Woche, zumeist jedoch gar nicht mehr, weil die Arbeit von der Technik übernommen wurde oder von verurteilten Gesetzesbrechern verrichtet wird, die äußerlich durch eine Gesichtsverzerrung und einen gekrümmten Gang als Verbrechersklaven kenntlich gemacht wurden. Die sogenannte "Weltfreizeitzentrale" sagt mit ihrer Computerstimme an, wie der Tag zu verlaufen hat.

Freizeitzwang statt Arbeitszwang

An die Stelle des früheren Arbeitszwanges ist nun ein neuer Freizeitzwang getreten. Die einzige Abwechslung vom gewohnten Freizeittrott bietet die Beteiligung an einer Lotterie, bei der man auf den nächsten Todesfall wetten kann. Selbstmord wird erst nach zwei erfolglosen Versuchen als Tod im Sinne der Lotterie anerkannt. Und mancher Spieler versucht seinem Lottoglück mit Mord nachzuhelfen.

Weltbürger Nummer DARK 7035 7201 trägt den bürgerlichen Namen Sigi Prun. Er ist eine der Hauptfiguren des Films und war aufgefordert worden, seinem Leben ein Ende zu setzen. Mit dieser Maßgabe sollte die herrschende Überbevölkerung reduziert werden. Sigi Prun ist jedoch seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, weil er seinen Sohn sucht. Und da fangen die Probleme an. Denn mit der Zeugung von Botho hatte sich Prun gegen die Gesetze der kybernetischen Weltregierung gestellt.

Keine Fortpflanzungsgenehmigung

Nach einem Test in Rom, zu dem er gemeinsam mit seiner Wohngemeinschaft kurzfristig per Rakete gereist war, hatte ein Computer hatte ihm das Recht auf Vaterschaft abgesprochen, weil sein Intelligenzquotient zu niedrig sei. Im Gegensatz zur Lage bei den drei weiblichen Wohngenossinen erreicht er nicht die Intelligenznorm, die zur Zeugung eines Kindes notwendig wäre. Er enthält daher keine Fortpflanzungsgenehmigung. Da Sigi Prun unbedingt ein Kind will, setzt er sich über das Zeugungsverbot hinweg und zeugt mit seiner Frau Ehmi einen Sohn, den sie Botho nennen.

Da dieser als Schwarzgeburt nicht ordnungsgemäß registriert ist, muss er von seinem Vater versteckt werden. Weil Sigi Prun zu viele anderweitige Freizeit-Verpflichtungen hat, wird Botho von Willi, einem Halbintelligenzler, kurz HI, aufgezogen. Bei den HIs handelt es sich um hochgezüchtete Affen, welchen man einen Intelligenzbremser eingezüchtet hat. Die HIs tragen alle den gleichen gelben uniformen Arbeits-Overall. Sie erledigen die Arbeit, welche nicht von den Maschinen und nicht von den Sträflingen erledigt wird.

Zen-Hobeln

Zu Beginn geht das ganz gut, aber Botho kann mit 21 Jahren noch nicht mit Messer und Gabel essen, entwickelt sich sonst sehr gut und übertrumpft Willi schon bald. Ja er ist sogar schlauer, als ein extra für ihn von einem Wissenschaftler entwickelter Lerncomputer, der ihm den Zugang zur höheren Muße verschaffen soll. Sigi Prun, der noch die Zeiten der Sechs-Stunden-Woche erlebt hatte, will seinem Sohn etwas Vernünftiges beibringen, was in der Gesellschaft eher jedoch als überflüssig betrachtet wird.

Eines Tages reißt der neugierige Sprössling aus, durchstreift zusammen mit Willi die Stadt und stößt auf einen verborgenen Zugang zum Dom, dessen Bedeutung nicht mehr bekannt ist und der damals abgerissen werden soll. Dort entdeckt er Carlo beim Hobeln, was eine unter der kybernetischen Weltregierung eine illegale Beschäftigung ist. Botho ist beeindruckt von dieser Zeitvergeudung und fragt den Hobler, woran er denn arbeite. Er will wissen, was das darstellen soll, wenn es fertig ist. Als Antwort bekommt er die simple Aussage, dass die Tätigkeit darin bestehe, aus dem Holz Holzspäne zu machen. Damit hat er seinem Leben wieder einen Sinn gegeben, muss allerdings die Späne immer im Schutze der Nacht entsorgen.

Spätkybernalismus

Der HI Willi hat sich unerlaubterweise ebenfalls mit dem Lerncomputer beschäftigt und offensichtlich den Intelligenzbremser überwunden. Unter den Bürgern von Köln kommt der Wunsch "Sachen zu machen" auf und führt zur Forderung nach der Öffnung der Archive, weil sie wissen wollen, wie es früher war. Die Weltregierung erlaubt den Kölnern einen kurzfristigen Einblick in die Archive.

Die HIs proben dann auch den Aufstand und und gründen die Interessengemeinschaft HI, um den Kampf gegen den Spätkybernalismus zu organisieren. Botho hilft den HIs dabei. Sigi Prun wird gegen Ende des Film einer Gehirnoperation unterzogen und dann als gebückter und gesichtsentstellter Sklave zurück in die Gesellschaft entlassen. Er trifft dort auf eine Versammlung der HIs, die sich unter dem Vorsitz von Willi und der Unterstützung durch Both anschicken, die Weltherrschaft zu erobern.

Den Film gibt es seit beim Mitschnittservice des heutigen Südwestdeutschen Rundfunk in der Form von zwei DVDs zum Stückpreis von 99 Euro. Amazon.de bietet den Film in einer 1-Disc-Version aktuell für 14,95 an.

Der Autor war als Komparse in der Rolle eines HI in einer der Schussszenen bei den Dreharbeiten im Freiburger "Schlossbergbunker". Die in den 1960er-Jahren ausgebauten "Zivilschutzanlage Schlossbergstollen", der damals größte Atomschutzbunker in Baden-Württemberg, ist inzwischen nicht mehr in Betrieb und kann aufgrund des massiven Schimmelbefalls nur noch mit Atemschutzgeräten betreten werden.