Die deutsche Erpressungspolitik gegen Griechenland geht weiter
Seite 2: Warum sich Yanis Varoufakis disqualifiziert hat
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Die Verschuldung ist eine Methode, um Länder unter Kuratel zu stellen und zu entscheiden, welche Politiker dort noch eine Zukunft haben und welche nicht. Daran beteiligen sich auch regierungsnahe Journalisten wie Wilfried Loth, der in der FAZ kürzlich das neueste Buch des kurzzeitigen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis rezensierte, das den Titel trägt: Die ganze Geschichte. Meine Auseinandersetzung mit Europas Establishment.
Dabei verschweigt Loth in der Rezension nicht, was die Absicht der deutschen Politik war.
Varoufakis’ Vertrauen in die Stärke des Schwachen ist umso erstaunlicher, als er deutlich sah, dass Wolfgang Schäuble als einer seiner stärksten Gegenspieler mit voller Absicht auf den Grexit zusteuerte. Ein Ende mit Schrecken war dem deutschen Finanzminister lieber als ein Schrecken ohne Ende: Nur so würden sich die anderen Krisenländer der Eurozone auf einen Stabilitätskurs verpflichten lassen.
Mit der Einschätzung, dass das Maßnahmenpaket nicht tragfähig war, das die Troika Ende Juni vorlegte, stimmte er ironischerweise mit Varoufakis überein. Nur zog er daraus eben den Schluss, dass Griechenland jetzt eine "Auszeit" von der Währungsunion nehmen müsse, während Varoufakis immer noch hoffte, dies verhindern zu können.
Rüdiger Loth, Allein gegen die Troika
Doch Loth kritisiert nun mit keinen Wort dieses antidemokratische Diktat sondern Yaroufakis, weil er nicht die nötige Demut gegenüber dem deutschen Protektor gezeigt hat.
Schade eigentlich. Varoufakis’ enormer finanzpolitischer Sachverstand, der in dem Bericht auch aufscheint, sein Erfindungsreichtum und seine Energie im Kampf gegen griechische Oligarchen und griechischen Klientelismus könnten bei der Überwindung der griechischen Schuldenkrise immer noch hilfreich sein. Die Polemik, mit der er seinen Bericht umrahmt, disqualifiziert ihn freilich für eine solche Rolle.
Rüdiger Loth, FAZ
Geschichtsvergessene Einmischung in die Politik eines anderen Landes
Da ist das Bedauern herauszuhören, dass ein Mann mit einer solchen Begabung wie Varoufakis nicht oder zu wenig für die deutschen Interessen arbeitet. Dass er es auch noch wagt, deutsche Politiker und ihre Hiwis von der Troika zu kritisieren, disqualifiziert ihn in den Augen von Loth für ein politisches Amt in Griechenland. Auf den Gedanken, dass darüber doch eigentlich die griechischen Wähler entscheiden müssten, kommt Loth gar nicht.
Was für eine Geschichtsvergessenheit gegenüber einem Land, das die deutsche Besatzung mit besonderer Grausamkeit zu spüren bekommen hat! Von Deutschlands Schulden wegen nicht gezahlter Reparationen und nicht zurückgezahlter Kredite wagt in Griechenland schon gar niemand mehr zu reden. Das blieb den wenigen Wochen im Frühjahr und Frühsommer 2015 vorbehalten, als die neugewählte griechische Regierung in Einklang mit der Bevölkerungsmehrheit und bestätigt durch Wahlen und ein Referendum es wagte, sich dem europäischen Hegemon Deutschland zu widersetzen.
Mittlerweile haben sich viele aus der enttäuschen griechischen Bevölkerung wieder nationalistischen Themen zugewandt und gehen massenhaft dafür auf die Straße, dass sich das Nachbarland Mazedonien nicht so benennen darf (siehe Namensstreit um Mazedonien: Ausnahmezustand wegen Großdemonstration in Athen). Und die in der Demonstration mit marschierenden Nazis greifen anschließend linke Zentren an.
Dieser Anstieg der Rechten ist auch ein zumindest in Kauf genommener Effekt des Austeritätsdiktats der EU-Troika. Kurz nach der Regierungsübernahme von Syriza wurde ein Troika-Vertreter aus dem Land geschickt. Das war ein Zeichen von Souveränität. Als die Troika-Vertreter zurückkamen, war die Niederlage von Syriza besiegelt. Doch wer klagt jene EU-Politiker - die aus Deutschland an erster Stelle - an, die sich seit Jahren bis heute in die Politik eines souveränen Staates Griechenland einmischen und die Wahlergebnisse ebenso ignorieren wie Ergebnisse von Referenden?
In den USA wurden nun russische Einzelpersonen und Institutionen wegen Einmischung in die Politik des Landes angeklagt .Was ihnen vorgeworfen wird, ist harmlos gegenüber der Einmischung der EU-Troika und besonders Deutschlands in die griechische Innenpolitik.
Diese Mächtigen denken gar nicht daran, dass Griechenland in der Lage sein könnte, diese Politiker und Bürokraten anzuklagen. Und welches Gericht würde eine solche Anklage annehmen? Schließlich ginge es ja hier um die Anklage einer jahrelangen politischen Praxis und wäre nicht Teil eines Theaters wie die Klagen gegen Russland in den USA.