Die israelische Friedensbewegung ist zurück

Die neu gegründete "Israelisch-Palästinensische Aktionsgruppe für Frieden" will einen umfassenen Friedensplan vorlegen

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Am Wochenende verfolgte die Weltöffentlichkeit gespannt, ob die palästinensischen Widerstandsgruppen eine Kampfpause ausrufen würden, und so blieb ein anderes Ereignis völlig unbemerkt, das dem Frieden in der umkämpften Region vielleicht mehr dienen könnte als die wackelige Waffenstillstandserklärung: Rund 200 Friedensaktivisten, Personen des öffentlichen Lebens und Intellektuelle - je zur Hälfte Israelis und Palästinenser - haben sich in Ramallah getroffen und eine "Israelisch-Palästinensische Aktionsgruppe für Frieden" gegründet.

Seperationsmauer in Qalqiliya

In den 90er Jahren bildeten die Friedenswilligen in Israel eine Massenbewegung; die Organisation Peace Now konnte Hunderttausende Israelis für Friedensdemonstrationen mobilisieren. Doch mit Ausbruch der zweiten Intifada vor knapp drei Jahren ging es mit der Friedensbewegung rasant bergab. Einzig die kleine, aber sehr aktive Organisation Gush Shalom (Friedensblock) schaffte es hin und wieder in die Schlagzeilen, dank ihres charismatischen Gründers Uri Avnery (79), der 2001 den Alternativen Nobelpreis erhielt.

Doch nun meldet sich die Friedensbewegung zurück, wenn auch in anderer Form als in den Neunzigern. Anders als "Peace Now" seinerzeit legt die neugegründete Aktionsgruppe Wert darauf, die palästinensische Seite von Anfang an einzubinden. Der umtriebige Uri Avnery, der auch in der neuen Gruppe eine zentrale Rolle spielt, sagte am Dienstag auf telefonische Nachfrage, die Aktionsgruppe habe nicht nur den Segen von Palästinenserpräsident Yasser Arafat und Ministerpräsident Mahmud Abbas (Abu Masen), sondern auch von zahlreichen palästinensischen Intellektuellen.

Bereits 1.500 Personen hätten das Gründungsmanifest der Aktionsgruppe in den vergangenen zwei Monaten unterschrieben. Die meisten von ihnen seien unabhängige Intellektuelle, je zur Hälfte Palästinenser und Israelis, betonte Avnery. "Peace Now" ist bezeichnenderweise nicht mit von der Partie. "Als Massenfriedensorganisation existieren die auch praktisch gar nicht mehr", erklärte Avnery.

Während im Rahmen der Verhandlungen um die Road Map über jeden Quadratzentimeter Land einzeln geschachert und um die Räumung jedes noch so abgelegenen Siedler-Außenpostens gefeilscht wird, will sich die neue Aktionsgruppe nicht mit kleinen Brötchen zufrieden geben. Avnery strebt Großes an:

Wir suchen nach einer Lösung für alle Probleme. Wir planen einen Gesamtentwurf für den Frieden.

Ein Komitee soll in den kommenden drei Monaten einen vollständigen Entwurf für einen Friedensvertrag ausarbeiten. Avnery zeigte sich optimistisch, dass dieser Entwurf schnell zustande kommen werde, denn über die Grundlagen sei man sich innerhalb der Gruppe bereits einig: Ein freier Staat Palästina innerhalb der Grenzen von 1967 neben einem freien Staat Israel, Jerusalem als Hauptstadt beider Staaten, Auflösung aller israelischen Siedlungen im Gaza-Streifen und Westjordanland und eine Lösung der Flüchtlingsfrage, basierend auf den entsprechenden UN-Resolution. Das ist meilenweit von dem entfernt, was eine israelische Regierung je zu bieten bereit war.

Einfach dürfte es auch nicht werden, die israelische Öffentlichkeit von dieser Lösung zu überzeugen. Um seine Ziele zu erreichen setzt Avnery auf eine Mobilisierung der Zivilgesellschaften in Israel und Palästina; er will das Ruder nicht allein den Regierungen überlassen. Dementsprechend räumt er der Road Map keine allzu großen Erfolgsaussichten ein:

Wir sind zwar für die Road Map, solange sie eine einstweilige Verbesserung der Lage bringt, aber wir habe keine große Hoffnung in sie.

Der Aktionsgruppe schwebt gemäß ihrer ersten Pressemitteilung auch die Einrichtung einer "Wahrheits- und Versöhnungskommission" vor, nach dem Vorbild der südafrikanischen Institution von Bischof Desmond Tutu. Avnery nennt als weiteres Vorhaben die Schaffung eines palästinensisch-israelischen Parlaments.

Die dringendsten Aufgaben seien im Moment aber der Kampf gegen die Siedlungen und vor allem gegen die so genannte "Trennungsmauer", welche die israelische Regierung derzeit errichten lässt, um das israelische Kerngebiet vom Westjordanland abzuschirmen - die Mauer verläuft zum Teil kilometerweit innerhalb des palästinensischen Gebietes.

Dass sie aber noch einen langen und mühsamen Weg vor sich haben, wurde den Friedensaktivisten am Wochenende von der israelischen Armee vor Augen geführt: Erst unter großen Schwierigkeiten schafften es die israelischen Teilnehmer, die Straßensperren auf dem Weg von Israel nach Ramallah zu passieren. Auf dem Rückweg nahmen israelische Soldaten dann die Personalien der israelischen Teilnehmer auf und drohten mit einer Anzeige wegen Verstoßes gegen eine Militärverordnung: Seit nunmehr drei Jahren ist es Israelis verboten, autonome palästinensische Städte (die sogenannte A-Zone) zu betreten.