Die meisten Journalisten sollten unsicher sein und dies auch kommunizieren
Seite 3: Hate-Speech, Fake-News Kampagnen und Regulierungsversuche im Internet
- Die meisten Journalisten sollten unsicher sein und dies auch kommunizieren
- Der Raum des Sagbaren schränkt sich ein
- Hate-Speech, Fake-News Kampagnen und Regulierungsversuche im Internet
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Wo kriegen Sie die gute Information her?
Michael Meyen: Wir haben heute mehr Möglichkeiten als je zuvor Informationen zu bekommen und sollten deshalb wachsam sein, dass uns das nicht kaputt gemacht wird über Hate-Speech, Fake-News Kampagnen, über Regulierungsversuche im Internet. Das ist eine Gefahr, die da ist. Netz-DG war der Anfang, da muss man aufpassen, dass uns nicht die Möglichkeiten genommen werden, die wir haben, dass uns der Raum der Informationsfreiheit eingeschränkt wird.
Macron/Merkel oder Kim Jong-Un/Trump: Warum ist Russland besonders prädestiniert für das Medienkino?
Michael Meyen: Naja, Nordkorea ist zu klein. Da gibt es Hollywood-Filme, wo Nordkoreaner ins Capitol eingefallen sind, wo man sich dachte, wisst ihr denn nicht, wie da die ökonomischen Möglichkeiten sind.
Russland ist die achtgrößte Ökonomie der Welt, noch schwächer als Italien. Wo sollen die Ressourcen herkommen, dass die Wahlkämpfe manipulieren können, oder alles Mögliche auf der Welt verändern können, aber es ist offensichtlich von allen denkbaren Feindbildern, die man auf Staaten projizieren kann, offenbar der größte.
Ist das die Lust am Spektakel auch? Dass Journalisten bestimmte Bilder bedienen?
Michael Meyen: Es gibt die soziale Identitätstheorie: Zu wem gehören wir? Was ist unsere Gruppe? Zu dieser Theorie gehört, dass zu einer In-Group auch eine Out-Group gehören muss, also von Menschen, die anderen Werten folgen. Insofern mag es bei uns ein Bedürfnis geben, eine Out-Group zu haben. Man muss natürlich immer fragen, ob man das so machen muss, wie es gerade passiert, dass man täglich Angst haben muss, dass ein Regime-Change nach Teheran auch in Moskau versucht werden soll.
Da wäre ein Perspektivwechsel gar nicht schlecht.
Michael Meyen: Ein Perspektivwechsel ist immer gut. Man sich immer klar machen, dass die Wahrheiten, die wir bekommen, von bestimmten Standpunkten aus produziert werden, und wir möglichst verschiedene Standpunkte vergleichen müssen, um der Wahrheit, so es die denn gibt, näher zu kommen.
Gibt es andere Stränge, auf die jemand, die oder der außer der Tagesschau noch Nachrichtensendungen anschaut und mehre Medien nutzt, besonders achten kann? Andere Themen, Motive? Wie wird man hellhörig und wachsam, wie erkennt man die Narrative?
Michael Meyen: Wenn neue Themen kommen, achte ich auf die Formulierung, auf die Sprachregelung. Sprachregelung ist in Deutschland ein verdorbenes Wort, aber ich achte auf die Sprache, mit der uns bestimmte Themen geliefert werden, dann schaut man auf die Elemente der Medienlogik: Gibt es da Superlative, wie sieht das Narrativ aus? Wird psychologisiert, wird personalisiert?
Medienlogik ist die Brille, mit der Journalisten uns auf die Welt schauen lassen
Die Medienlogik - ist das ein Zwangskorsett? Oder gibt es Journalisten, die aus der Logik ausbrechen? Inwiefern ist das ein Muss?
Michael Meyen: Medienlogik ist die Brille, mit der Journalisten uns auf die Welt schauen lassen: Was wird ausgewählt? In welcher Weise wird das aufbereitet? Wie kommt das zu uns? Ich habe das in München bei einer anderen Veranstaltung vorgestellt und jemand aus dem Publikum meinte: Nenn das nicht Logik! Das klingt so, also ob die Tagesschau das so machen müsste, wie sie es macht! Das ist doch nicht logisch, dass wir Samstagabend fünf Minuten Fußball-Bundesliga bekommen, wenn in der Welt wichtige Themen zu besprechen wären.
Medienlogik erklärt nicht, dass es zwingend so sein muss, sondern erklärt, wie Journalisten arbeiten. Das ist ein bestimmtes Konstruktionsprinzip, das sich auch ändert. Das ändert sich mit den Konkurrenzverhältnissen, hat auch viel mit Mediengesetzgebung zu tun.
Was ich mir wünsche, wäre eine Debatte über die Qualität im Journalismus, wie sie die Schweiz hatte. Das ist ja das Tolle an den Volksabstimmungen: Weniger das Ja/Nein am Ende, sondern das, was davor passiert. Dass Menschen, weil sie am Ende Ja oder Nein sagen müssen, gezwungen werden, sich mit Themen zu beschäftigen.
Das hat da wunderbar funktioniert, wenn man sich die Debatten angeschaut hat, was da für Argumente Pro und Contra öffentlicher Rundfunk auf den Tisch kamen, sowas hätten wir in Deutschland, wenn wir in Deutschland Volksabstimmungen hätten.
Könnten wir aber auch so haben, weil das für uns alle in diesem Raum interessant ist. Wir zahlen einen Haufen Geld jeden Monat, bekommen dann was, was uns alle nicht zufrieden stellt, sonst wären Sie heute ja nicht hier. Also müssten wir da was machen.
Media Future Lab: Projekt für eine neue Medienlandschaft
Was gefällt Ihnen an der Diskussion in der Schweiz am besten? Wie könnte ein Forum dazu in Deutschland ausschauen?
Michael Meyen: Vielleicht mache ich an dieser Stelle eine kleine Werbung: Ich fange am ersten Juli ein Projekt an. Es nennt sich Media Future Lab. Das ist ein Projekt, bei dem wir zB in so einem Rahmen wie hier, mit Leuten wie Ihnen diskutieren wollen, wie wir uns Qualität im Journalismus vorstellen, wie wir uns eine Medienlandschaft vorstellen, mit der wir zufriedener sind, als mit der heutigen.
Das soll hinauslaufen, innerhalb von vier Jahren, auf ein Bürgergutachten. Aus mehreren solcher Labs sollen sich Leute, die wahrscheinlich auch selber Lust haben, sich ein halbes Jahr mit Experten zusammen, also mit einem Experteninput, an einem Bürgergutachten zu schreiben, und so mal einen Standard zu setzen, an dem sich Medien und Politik orientieren kann. Das ist das Schöne an Bayern, dass diese Projekt bezahlt wird vom Wissenschaftsministerium und ich hoffe, dass wir da was machen können, das uns der Antwort auf Ihre Frage näher bringt.
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