Die neue Allianz für Ernährungssicherung - das lukrative Geschäft mit dem Essen der Ärmsten

Gegen Monsanto sammelt sich mehr und mehr Widerstand. Ein Gericht in Brasilien hat nun klagenden Bauern recht gegeben.

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das Ziel ist klar und ambitioniert: In zehn Jahren sollen 50 Millionen Menschen in Afrika aus Armut und Hunger befreit werden. Bereits im Mai dieses Jahres haben die G8 und Russland auf ihrem Treffen in Camp David, angestoßen durch US-Präsident Barack Obama, die "Neue Allianz für Ernährungssicherung" gegründet.

Mit am Tisch saßen neben den großen Industriestaaten und einiger Vertreter verschiedener NGOs selbstverständlich auch das Who-is-Who der Saatgut- und Pestizidproduzenten. Für die Bundesregierung ist diese Allianz ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Viele NGOs sehen hinter dieser Allianz jedoch weniger die Stärkung der kleinteiligen Landwirtschaft der Dritten Welt als vielmehr die Sicherung der Märkte für die großen Agrarunternehmen.

"Die 'Neue Allianz für Er­näh­rungs­sicherung' der G8 bringt afri­ka­nische Re­gie­rungen, Privat­unter­nehmen und die G8 an einen Tisch." Das sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Gudrun Kopp, am Rande des ersten Treffens des neuen Leadership Counsil der G8-Allianz in New York, Anfang September dieses Jahres. Deutschland nehme seine internationale Verantwortung für Ernährungssicherung konsequent wahr, so die Staatssekretärin weiter.

Insgesamt 22. Milliarden US-Dollar sollen in den Jahren 2010 bis 2012 für dieses ambitionierte Ziel aufgebracht werden. Deutschland ist dabei nach den USA der zweitgrößte Geldgeber und steuerte 2011 rund 10,45 Milliarden Euro bei. "Die Welt muss auch zukünftig eine noch stärker wachsende Weltbevölkerung ernähren und dafür gilt es, gemeinsam gezielt wirksame Initiativen zu fördern", so Kopp.

Eigentumsrechte und Saatgutproduktion

Auch private Unternehmen haben sich verpflichtet im Rahmen dieser Allianz Investitionen in Afrika zu tätigen. 45 internationale Konzerne werden 3 Milliarden US-Dollar in die landwirtschaftliche Wertschöpfungskette investieren. Allein der schweizer Saatguthersteller Syngenta plant in den kommenden Jahren Investitionen von 500 Millionen US-Dollar in die afrikanischen Agrarmärkte.

Viele NGOs sehen diese Allianz dagegen deutlich weniger positiv. Die Allianz, so der Landwirtschaftsreferent des Food First Informations- und Aktionsnetzwerkes (Fian), Roman Herre, gegenüber der Taz, lege in ihrem Strategiepapier für Mosambik fest, dass die "Verteilung von frei verfügbarem und nicht verbessertem Saatgut systematisch beendet werden" solle. Ausnahmen sollten nur in Notsituationen und für einige Grundnahrungsmittel gelten.

Darüberhinaus solle mit der Allianz dafür gesorgt werden, dass die Regeln der Eigentumsrechte an Saatgut umgesetzt würden, um damit die Privatinvestition in die Saatgutproduktion zu fördern. Für Fian ist damit klar: Den Landwirten der Dritten Welt soll die Möglichkeit genommen werden, nicht mehr so einfach wie bislang an Saatgut heranzukommen, das sie ohne Lizenzgebüren benutzen können. Letztendlich, so Herre, blieben den Landwirten dann fast ausschließlich noch Produkte der großen Saatgutproduzenten wie Monsanto oder Syngenta.

Zwei Mal zahlen

Mark Schäfer, Pressesprecher von Monsanto in Deutschland sagte auf Anfrage gegenüber Telepolis:

Wir finden es sehr bedauerlich, dass diese Initiative genutzt wird, um Zusammenhänge herzustellen, die in keiner Weise plausibel noch nachvollziehbar sind. Gesellschaftliches Engagement ist ein Kernaspekt des Monsanto Wertekodex.

Allein 50 Millionen US-Dollar wolle das Unternehmen in den kommenden 10 Jahren für die Unterstützung der Neuen Allianz für Ernährungssicherheit beisteuern.

Welche Auswirkungen eine Umsetzung des von der Allianz für Mosambik ausgearbeiteten Strategiepapiers haben kann, kann momentan in Brasilien beobachtet werden. Dort stehen derzeit viele Kleinbauern mit dem Saatgutproduzenten Monsanto auf Kriegsfuß. Grund dafür sind die sogenannten Royalties, sprich die Patentgebühren für das gentechnisch veränderte Soja.

Denn laut Vertrag, den die Bauern mit dem Agrarunternehmen geschlossen haben, müssen sie derzeit zwei Mal Gebühren für die Benutzung des Saatgutes bezahlen. Einmal, wenn sie das Saatgut kaufen. Und ein weiteres Mal, wenn sie ihre Ernte an die Abnehmer abliefern und einen kleinen Teil dieser Ernte für das folgende Jahr für ihre neue Aussaat zurückhalten.

Die Art und Weise, mit der Monasanto die brasilianischen Bauern daran hindert, das Saatgut ohne erneute Zahlung von Royalties auszusähen, sind dabei nicht gerade zimperlich. Silveira Glauber, Vorsitzende der Vereinigung der brasilianischen Sojaproduzenten, sagte gegenüber dem Deutschlandfunk:

Die Landwirte liefern ihre Sojaernte an den Lagerhallen ab, und zwei Prozent davon werden zurückbehalten und nicht ausbezahlt. Erst wird kontrolliert, ob Royalties verwendet wurden und ob man dafür auch bezahlt hat.

Sprich Monsanto hält einen Teil der Erlöse der Ernte als Sicherheit für die Zahlung der Patentgebühren zurück.

Gegen diese Praxis hat nun eine Gruppe von Landwirten geklagt. Dabei hat ein Gericht in Porto Alegre den Bauern recht gegeben. Als Begründung dafür nannten die Richter das brasilianische Anbaugesetz, nach dem Saatgut mehrjährig oder in einer nachfolgenden Generation verwendet werden dürfe. Dieses Urteil könnte nebenbei bemerkt für Monsanto und die anderen Saatgutproduzenten durchaus teuer werden.

Denn laut dem brasilianischen Verbraucherschutzgesetz müssen illegale Erhebungen in doppelter Höhe zurückbezahlt werden. Verständlicherweise hat Monsanto daher gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Eine Stellungnahme zu den Vorgängen in Brasilien war von Monsanto allerdings nicht zu erhalten. Zu laufenden Gerichtsverfahren wolle das Unternehmen keine Auskünfte erteilen.