Die neue Seidenstraße von Chongqing nach Duisburg
Eine eurasische Landverbindung als Alternative zum Seeweg
Der Begriff "Seidenstraße" geht zurück auf den deutschen Geografen Ferdinand Freiherr von Richthofen, der ihn im Rahmen seiner Studien über das chinesische Kaiserreich im 19. Jahrhundert geprägt hat. 1877 veröffentlichte Richthofen eine vor der Gesellschaft für Erdkunde gehaltenen Vortrag unter dem Titel "Über die centralasiatischen Seidenstrassen bis zum 2. Jahrhundert nach Christus". Außerhalb der Fachöffentlichkeit bekannt wurde der Begriff dann im Zusammenhang mit der Seidenstraßenexpedition von Sven Hedin im vergangenen Jahrhundert.
Unter der Seidenstraße verstand man nicht nur eine einzelne Straße, sondern ein ganzes Netz von Karawanenrouten von Ostasien bis zum Mittelmeer. Auf diesen Routen fand jedoch kein durchgehender Handel über die gesamte Distanz statt. Die Händler waren immer nur auf einzelnen Teilstrecken tätig, die sich teilweise überschnitten. Neben Handelsgütern wie Gewürzen wurden auf diesen Wegen auch Wissen und Religionen übermittelt. Daneben folgten auch Krankheiten wie die Pest diesen Handelswegen nach Europa. Nach dem Zweiten Weltkrieg und in der Zeit des Kalten Krieges blieben große Teile der von den Zweigen der Seidenstraße durchzogenen Gebiete im Windschatten der Entwicklung (und damit auch der allgemeinen Aufmerksamkeit).
Nach dem Zerfall der Sowjetunion und dem wirtschaftlichen Aufstieg Chinas zu Beginn der 1990er Jahre rückten die ehemals peripheren Sowjetrepubliken Zentralasiens verstärkt in den Blick westlicher Geopolitik. In den USA wurde - basierend auf den Ideen von Zbigniew Brzeziński - der Silk Road Strategy Act entwickelt, der jedoch bislang von keinem Präsidenten der Vereinigten Staaten unterzeichnet wurde. Inzwischen tauchen zahlreiche Elemente dieses Strategieansatzes unter dem Namen New Great Game wieder auf. Während die Seidenstraße in der Vorstellungswelt der amerikanischen Militärstrategen in erster Linie ein Zielgebiet für mögliche Interventionen zur Ausweitung ihrer Einflusssphäre zwischen Russland und China darstellt, haben andere offensichtlich eher die Entwicklung von durchgehenden Verkehrsverbindungen zwischen Asien und Europa im Blick.
So wird von der Transportabteilung der in Bangkok angesiedelten UN-Organisation UNESCAP schon seit vielen Jahren die Entwicklung eines überregionalen Fernstraßennetzes vorangetrieben, das für eine verbesserte Integration der eurasischen Transportwege sorgen soll. Das Asia-Highway-Projekt geht auf das Jahr 1959 zurück, lag dann lange Zeit brach und wurde vor etwa zehn Jahren wieder zum Leben erweckt. Wie es bei der ursprünglichen Struktur der Seidenstraße mit ihren lokalen Teilstücken Praxis war, sucht man auch heute mit dem regionalen Ausbau der Verkehrswege die Belebung der Wirtschaft in der Gesamtregion anzukurbeln. Eine direkte Autobahnverbindung zwischen China und Europa steht dabei nicht im Vordergrund. Selbst eine direkte Busverbindung zwischen Freiburg und Shanghai gibt es nur alle paar Jahre und hat ausschließlich touristischen Reiz. Der Personentransport auf der Fernstrecke ist bislang mit dem Flugzeug sowohl vom Zeitaufwand, als auch von den Kosten deutlich günstiger.
Anders sieht die Situation im Bereich der Fracht aus. Hier sind die Preise für den Transport per Schiff zwar kaum zu schlagen, aber die beim fernöstlichen Hersteller schon längst bezahlte Ware ist etwa fünf Wochen unterwegs, was die Finanzierungskosten nach oben treibt. Luftfracht ist zwar viel schneller, jedoch auch deutlich teurer. Der Transport von Fracht per Bahn benötigt weniger als die Hälfte der Zeit, die ein Schiff braucht, und kostet nur etwa die Hälfte der Luftfracht. Das Trans-Asian-Railway-Netzwerk umfasst heute eine Gesamtstrecke von 117.500 Kilometern in 28 Staaten. Davon dient der größte Streckenanteil dem lokalen und regionalen Transport und nur ein verhältnismäßig kleiner Teil dem Ferntransport. Dieser scheint sich für die beteiligten Bahngesellschaften jedoch zu lohnen.
Neben den schon stark ausgelasteten Bahnfernverbindungen über die Transsibirische Eisenbahn, auf welcher der Trans-Eurasia-Express etabliert werden soll, hat sich - von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt - eine feste Bahnverbindung zwischen Chongqing, einer Stadt in Zentralchina mit Duisburg etabliert, dem weltgrößten Binnenhafen. Seit dem Sommer 2011 fährt der bis zu 650 Meter lange Zug der YuXinOu Logistics Company Ltd. (einem Joint Venture zahlreicher Bahngesellschaften) mit bis zu 50 Normcontainern die etwa 11.200 Kilometer lange Strecke von China über Kasachstan, Russland, Weißrussland und Polen nach Deutschland und benötigt dafür 16 Tage. Auf der Strecke muss jeder Zug aufgrund der abweichenden russischen Spurbreite zweimal umgespurt werden. Derzeit fährt der Yuxinou dreimal die Woche und transportiert unter anderem elektronische Produkte für Hewlett Packard, Foxconn oder Acer. Für die Zukunft ist eine tägliche Verbindung geplant.
Welche Zukunft die Kontinentalverbindungen per Eisenbahn wirklich hat, hängt nicht zuletzt von den beiden auf Initiative der USA derzeit diskutierten Freihandelsabkommen Trans-Pacific Partnership (TPP) und TTIP ab. Für China und Russland, neben der EU die wichtigsten Handelspartner an der Neuen Seidenstraße, ist bei beiden Freihandelsabkommen kein Platz vorgesehen, was kein Versehen, sondern Absicht sein dürfte.
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