Die positiven Signale aus der Türkei

Eine Lösung der Kurdenfrage ist nicht in Sicht. Kommentar und Hintergrund

Außenminister Heiko Maas sprach nach seinem kürzlichen Besuch in Ankara von "positiven Signalen aus der Türkei". Auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zeigte sich nach dem Besuch des türkischen Verteidigungsministers Hulusi Akar in Berlin zuversichtlich, dass sich das Verhältnis zwischen der türkischen Regierung und der Bundespolitik entspannen könnte.

Betrachtet man die Innen- und Außenpolitik der Türkei in der Zeit nach den Konsultationen der Minister, stellt sich die Frage, um welche positiven Signale es sich handelt.

Militäroperation im Nordirak

In den letzten Tagen bestimmte die Militäroperation "Adlerkralle 2" in den Gare-Bergen im Nordirak die türkischen Medien. Nach 4 Tagen brach die Türkei ihre Operation überraschend ab.

Verteidigungsminister Hulusi Akar hatte die Militäroperation anfangs damit begründet, man wolle Angriffen der PKK vorbeugen. Später hieß es, man wollte türkische Gefangene befreien. Die "Befreiungsaktion" wurde von einem tagelangen Bombardement von mehr als 40 türkischen Kampfflugzeugen begleitet. Die taz brachte es mit einem Zitat aus einer Mitteilung der Nachrichtenagentur Firat News auf den Punkt: "Das sei keine 'Rettungsaktion', sondern eine 'Zerstörungsaktion' gewesen."

Gleich zu Beginn des Militäreinsatzes am 11. Februar warnte die PKK das türkische Militär, dass sich in den Höhlen der Gare-Berge eines ihrer Gefangenenlager mit türkischen Soldaten, Polizisten und Geheimdienstangehörigen befinde. Sie forderte deshalb die Türkei auf, die Angriffe zu stoppen.

Auch Angehörige der Gefangenen appellierten an den türkischen Staat, die Angriffe sofort zu stoppen. Stattdessen wurden die Angriffe durch Bodentruppen mit schwerem Kriegsgerät und nach einigen, noch nicht bestätigten Informationen möglicherweise auch mit Giftgaseinsatz intensiviert.

Eine Evakuierung der seit fünf Jahren festgesetzten Gefangenen war angesichts der ununterbrochenen heftigen Angriffe nicht möglich. Verteidigungsminister Akar erklärte einen Tag später, am 12. Februar, die Operation laufe wie geplant. Zu diesem Zeitpunkt musste er wissen, dass kein Überraschungsmoment mehr auf seiner Seite war und er durch die heftigen Bombardierungen der Höhlen das Leben der Gefangenen aufs Spiel setzte. Das Ergebnis: 13 tote türkische Gefangene und eine bisher unbekannte Zahl an gefallenen HPG-Kämpfern.

Über die Zahl der gefallenen türkischen Soldaten gibt es keine seriösen Meldungen. Am 13. Februar gab Akar dann bekannt, dass die Leichen von 13 türkischen Staatsbürger gefunden wurden. Er erklärte sie zu Märtyrern. Akar beschuldigte die PKK, die Gefangenen mit Kopfschüssen getötet zu haben.

Viele offene Fragen

Nun drängen sich jede Menge Fragen auf: Wenn man Gefangene wirklich befreien will, weshalb bombardiert man dann mit der Luftwaffe tagelang ein Gefangenenlager und setzt nicht auf den Überraschungsmoment, bzw. bricht die Befreiungsaktion nicht ab, wenn das Überraschungsmoment verloren gegangen ist?

Warum ist man nie auf frühere Verhandlungsangebote der PKK, der HDP oder des türkischen Menschenrechtsvereins IHD zur Übergabe bzw. Austausch von Gefangenen eingegangen? Nahm die Türkei den Tod der Gefangenen bewusst in Kauf? War das eventuell sogar gewollt? Hat man vielleicht nachgeholfen?

Letzteres vermutet Yannis Yaylali, ein ehemaliger Kriegsgefangener der PKK. Der frühere Soldat eines Spezialkommandos der türkischen Armee wurde 1994 bei einem Einsatz gegen die PKK verletzt, von seiner Einheit hilflos zurückgelassen und so von der PKK gefangen genommen.

In den zwei Jahren und drei Monaten Gefangenschaft entwickelte er sich zum Friedensaktivisten und unterstützte beispielsweise die Hinterbliebenen des türkischen Luftangriffs auf die türkisch-kurdische Ortschaft Roboski am 28. Dezember 2011, der 34 Opfer von Zivilisten zur Folge hatte. Gegenüber der kurdischen Nachrichtenagentur ANF äußerte er:

Die Regierung will ihren Stimmenverlust mit solchen Massakern verlangsamen. Ich weiß ohnehin, wie grausam sie ist. Wenn die PKK Möglichkeiten gewährleisten kann, damit dieses Massaker aufgeklärt wird, kann es der Öffentlichkeit im In- und Ausland zugänglich gemacht werden. Ein Staat, der seine eigenen Soldaten massakriert, ist zu allem in Lage.

Yannis Yaylali

Die PKK weist die Anschuldigungen, sie hätten die Gefangenen ermordet, von sich und verweist auf ihre Warnungen zu Beginn der Militäroperation.

Festzuhalten ist: Wäre es der türkischen Regierung tatsächlich um die Freilassung ihrer Leute gegangen, hätte sie dies längst auf anderem Wege umsetzen können: Seit 2015 habe die HDP "mehrfach angeboten, zwischen der Regierung und der PKK wegen der Freilassung der Gefangenen zu vermitteln. Auch Familien der Gefangenen seien auf die Partei mit der Bitte zugekommen, sich für die Freilassung einzusetzen", berichtet die taz.

Warum wurden die Appelle ihrer Familien an das Parlament und die Parteien ignoriert und aktuell sogar verschwiegen? Es ist ein offenes Geheimnis, dass türkische Soldaten, die in PKK-Gefangenschaft gerieten und wieder freikamen, in der Türkei quasi als Verräter betrachtet werden.

Sie können anders als die türkische Presse erwartet nicht mit Horrorstorys über Folter in den PKK-Gefangenencamps dienen, denn die PKK hält sich an die Genfer Konvention. Ganz anders ist die Lage der PKK-Gefangenen in den türkischen Gefängnissen, denn diese sind ja "Terroristen", die regelmäßig gefoltert werden.

Eine objektive Aussage darüber, was im Gefangenenlager in den Gare-Bergen wirklich passiert ist, könnte nur eine unabhängige, internationale Untersuchungskommission vor Ort und eine Obduktion der 13 Leichen feststellen.

Allerdings werden alle, die dies fordern, von der Türkei sofort als Terroristenhelfer bezeichnet werden. Zu groß ist die Gefahr, dass unerwünschte Ergebnisse zum Vorschein kommen könnten, und wer Terrorist oder Terroristenhelfer ist, das bestimmt Erdogan.