Die reichsten Engländer können 19 Jahre länger gesund leben als die ärmsten
Nach Zahlen des Statistikamts gleichen manche Gegenden Englands diesbezüglich der Lebenserwartung von Entwicklungsländern
In Großbritannien herrscht nicht nur wie in anderen Ländern eine Kluft zwischen Arm und Reich, der Unterschied wirkt sich auch drastisch auf die Erwartung für ein gesundes Leben aus. Wer in den ärmsten Gegenden Großbritanniens geboren wird, kann die Aussicht haben, bis zu 19 Jahre weniger ein gesundes Leben führen zu können als diejenigen, die in den reichsten Gegenden geboren werden.
Das britische Statistikamt hat die neueste Schätzung der Jahre vorgelegt, die Briten bei Geburt 2011-2013 in England gesund leben können. Dabei werden geografisch reiche und arme Bezirke (lower super output areas - LSOA) unterschieden, so dass sich sehen lässt, wie sich die Lebenserwartung und die Aussicht auf ein gesundes Leben je nach den Einkommensverhältnissen in einem Bezirk, die nach Dezilen gegliedert wurden, darstellen. England wurde in fast 33.000 Bezirke aufgeteilt. 98 Prozent der ärmsten Bezirke befinden sich in Städten. Die ärmsten Bezirke werden nach einem multiplen Deprivationsindex mit 38 Kategorien erfasst (Einkommen, Arbeitslosigkeit, Gesundheit, Ausbildung etc.). Hier leben mehr als 5 Millionen Menschen, 38 Prozent oder fast 2 Millionen sind einkommensarm.
Die wichtigsten Ergebnisse. Männer in dem ärmsten Dezil der Bezirke können erwarten, lediglich 52,2 Jahre in guter gesundheitlicher Verfassung zu leben, während die Menschen in den reichsten Bezirken auf durchschnittlich 70,5 Jahre hoffen können. Bei den Frauen sind 52,4 und 71,3 Jahre.
Auch die Lebenserwartung unterscheidet sich erheblich. Sie ist für Frauen aus den ärmsten Bezirken um 6,9 Jahre geringer als bei denjenigen aus den reichsten Bezirken. Und dabei spielt noch herein, dass sie auch einen kürzeren Anteil ihres sowieso schon kürzeren Lebens gesund bleiben, nämlich nur 66,2 Prozent, während es bei den Reichsten 82,9 Prozent ihrer Lebenszeit sind. Die Lebenserwartung der Männer in den ärmsten Bezirken ist zwar um 9 Jahre kürzer, aber sie haben mit 70,5 Prozent eine ein bisschen längere Lebenszeit, in der sie gesund leben werden, bei den Männern aus den reichsten Bezirken beträgt der Anteil 84,9 Prozent.
Nach Eurostat liegt die durchschnittliche Erwartung eines gesunden Lebens in Großbritannien bei Geburt 2012, also nicht nur in England, für Frauen bei 64,5 Jahren. Zum Vergleich: in Schweden und Norwegen liegt sie knapp über 70 Jahre, in Deutschland nur bei 57,9 Jahren, EU-weit bei 62,1 Jahren. Deutschland liegt hier etwa auf der Ebene von Estland, Niederlande oder Rumänien. Bei den Männern beträgt die Erwartung in Großbritannien hier 64,6 Jahre, der EU-Durchschnitt liegt bei 61,5 Jahren. Bei der Lebenserwartung gibt es keine solchen großen Unterschiede. Sie liegt bei den britischen Männern bei 79,1 Jahren (Deutschland: 78,6; EU-weit: 77,5) und bei den Frauen bei 82,2 Jahren (Deutschland: 83,3; EU-weit: 83,1). Gegenüber den Deutschen leben also die Briten etwa gleich lang, dafür aber länger gesund. Woran das liegt, geht aus den Zahlen nicht hervor: Lebensweise, Ernährung, Gesundheitssystem. Nach einer britischen Langzeitstudie verkürzt jedenfalls nicht nur relative Armut die Lebenszeit, sondern auch die Nichtbeachtung bestimmter Regeln zur gesunden Lebensführung (Sechs Jahre längere Lebenserwartung durch gesunde Lebensweise).
Die Schätzungen des Statistikamts zeigen jedenfalls, dass die Menschen aus den ärmeren Gebieten Englands nicht durchwegs erwarten können, ein langes und gesundes Leben zu führen. Die Hälfte der Männer und 40 Prozent der Frauen sind bereits gesundheitlich angeschlagen, wenn sie ins Rentenalter kommen - und je ärmer, desto eher.
Der britische Telegraph weist in seinem Artikel unter dem Titel "Schlimmer als in Ruanda" darauf hin, dass die Kluft von 19 Jahren für die Erwartung eines gesunden Lebens den Unterschied zwischen reichen und Entwicklungsländern spiegelt. In Ruanda liege für die Gesamtbevölkerung die Erwartung eines gesunden Lebens bei Geburt für Männer bei 55 Jahren. Das sind fast 3 Jahre mehr als England bei den Menschen, die im benachteiligsten Dezil der Bezirke leben, d.h. diesbezüglich gibt es in England auch Zonen, die dem Stand von Enwicklungsländern wie dem von Botswana, Gambia oder Dschibuti gleichen.