Die schmutzige Wahrheit hinter Flüssiggas-Importen aus den USA
Seite 2: Wenn Fracking bei Euch verboten ist, warum ist es dann OK bei uns?
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"Waren sie nicht neulich schon mal hier?", fragt er.
"Ich nicht", sagt Basaldú, "aber vielleicht jemand anderes von meinem Stamm."
"Und was machen Sie hier?" will der Mann wissen.
"Ich schaue mir an, was hier passiert", sagt Basaldú, "und sie?"
Der Mann identifiziert sich als Ingenieur, der im Auftrag von Texas LNG das Gelände ausmisst. Davon, dass auf der Garcia Pasture die Gebeine von Christopher Basaldú’s Vorfahren zu finden sind, will er noch nie etwas gehört haben.
"Sie befinden sich hier auf gestohlenem Land", sagt Basaldú.
"Aber das ganze Land ist gestohlen!", ruft der Ingenieur darauf nervös. Kurz danach bricht Basaldú frustriert das Gespräch ab.
Die zuständige Bundesbehörde "FERC" hat kürzlich beide der geplanten Terminals bei Brownsville abgenickt. Dass der enge Schiffskanal, an dem sie entstehen sollen, inmitten von ökologisch empfindlichen Feuchtgebieten liegt, oder dass dabei wichtige Kulturstätten der Esto’k Gna zubetoniert werden, wurde dabei kaum berücksichtigt.
Die Esto’k Gna sind trotz ihrer jahrtausendealten Geschichte in den USA nicht auf Bundesebene anerkannt, womit sie politisch noch weniger Macht haben, als viele Stammesgemeinden im Süden der USA es ohnehin schon haben.
Dass die Vereinigten Staaten derzeit so viel Erdgas anzubieten haben, ist vor allem dem Fracking geschuldet. Durch diese "unkonventionelle Fördermethode", wie es im trockenen Sprachgebrauch der US-Öl- und Gasindustrie heißt, konnten seit Ende der Nuller-Jahre massive Vorkommen in den Vereinigten Staaten freigelegt.
Fördergebiete, die einst als versiegt galten, können nun durch die Kombination von Hochdruck und einem Wasser-Sand-Chemikalien-Gemisch plötzlich ausgebeutet werden. Seit Ende der Nuller-Jahre herrschen dort, wo Öl- und Gasvorräte freigelegt werden, wieder Boomzeiten.
Das Permbecken ist ein solcher Ort. Fast 500 Kilometer lang und 400 Kilometer breit, erstreckt sich das gigantische Fördergebiet über einen beachtlichen Teil des Nordwestens von Texas, und von dort in den Nachbarstaat New Mexico. An Tagen, an denen die Sicht ausreicht, sieht die flache Landschaft des Permbeckens aus, als würde sie von großen eisernen Insekten bewohnt.
Neben den klassischen Bohrköpfen, die an einem Ort langsam nicken, an anderen schon lange stillstehen, findet sich im Permbecken auch allerlei Anzeichen für Fracking: Lkw mit bauchigen Wassertanks, Zwischenspeicher für Methangas, große Sandwerke entlang der Autobahnen, in denen der sogenannte "Fracksand" aufgearbeitet wird, mit dem die Öl- und Gas-Reservoire unter dem Permbecken wortwörtlich geknackt werden.
Fracking ist nicht ohne Grund in Deutschland und den meisten EU-Staaten entweder sehr stark eingeschränkt oder vollkommen verboten. So bedrohen unter anderem die Injektionen von Chemikalien und das Aufknacken großer Reservoire das Grundwasser von Gegenden, in denen gefrackt wird.
Auch die Entsorgung von bereits im Fracking genutzten Wasser bereitet Probleme. Im Permbecken werden dafür meistens bereits benutzte Bohrlöcher verwendet. In manchen Teilen von West Texas führt die unterirdische Entsorgung von Frackwasser zu seismischer Aktivität.
Die vielen kleinen und großen Ölfelder der Region haben neben ihrem industriellen Aussehen die Eigenschaft, oft einen durchdringenden Gestank zu verbreiten. "Das ist Schwefelwasserstoff, es ist ein toxisches Gas, das aus Ölquellen kommt", sagt Dr. Amy Townsend-Small von der Universität Cincinnati im Bundesstaat Ohio.
Townsend-Small forscht seit über einem Jahrzehnt zu den Emissionen, die durch Ölbohrungen entstehen. "Man kann daran sterben, wenn man zu lange oder in zu starker Konzentration damit in Berührung kommt."
Schwefelwasserstoff ist so gefährlich, dass Arbeiter:innen auf den Ölfeldern mittlerweile dazu verpflichtet sind, kleine Sensoren mit sich zu tragen, die sofort ausschlagen, falls die Konzentration des Gases zu hoch ist.
Schwefelwasserstoff ist vielleicht das gefährlichere Gas, doch das natürliche Methangas entweicht in Texas in die Luft. Neben Tausenden verwaister Bohrstellen, die nicht ausreichend versiegelt wurden, wird im Permbecken allein tonnenweise Gas in die Atmosphäre entlassen.
Auch wenn sich viele Betreiber bemühen, ihr Gas zu verkaufen, so ist es für manche der hier aktiven Ölfirmen immer noch eher ein lästiges Nebenprodukt. Neben dem üblichen "Flaring", bei dem überschüssiges Gas über Fackeln abgebrannt wird, gibt es auch das "Venting", bei dem es schlicht in die Atmosphäre entlassen wird.
In Texas ist das vollkommen legal. Nach Schätzungen der Umweltorganisation Environmental Defense Fund, die Methanemissionen im Permbecken über ein Jahr verfolgt hat, könnte die Förderregion die größte industrielle Methanquelle der Welt sein. Als potentes Treibhausgas mit einem äußerst hohen Wärmepotenzial sind solche Emissionen für das Klima katastrophal.
Emma Guevara aus dem Rio Grande Valley möchte, dass sich Konsumenten in Deutschland und Europa bewusst werden, was die Förderung und der Export von Erdgas in ihrer Heimat für Spuren hinterlässt.
"Wenn Fracking bei Euch verboten ist, warum ist es dann OK, das bei uns zu machen", will sie wissen. "Für uns fühlt es sich so an, als würden wir hier für den Wohlstand von Europa geopfert werden", sagt sie. "Zum zweiten Mal."
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