Die schwarze Null
Der neoliberale Fetisch als Investitionszuckerl für die Wirtschaft
Wolfgang Schäubles Ehrgeiz ist seit Jahren, die "schwarze Null" im Bundeshaushalt zu erreichen. Steuererhöhungen sind dabei natürlich tabu, denn das würde die eigene neoliberale Ideologie untergraben und Wähler vergraulen. Schließlich werden uns Steuern von fast allen Parteien spätestens seit der geistig moralischen Wende 1982 als Last und Freiheitsberaubung verkauft.
Gleichzeitig jedoch tun sich im Haushalt große Löcher auf: Wie sollen nur die ganzen maroden öffentlichen Gebäude, die zusehends verfallen, saniert werden? Bei Schulen und Universitäten wird dies völlig ungeniert unter Bezugnahme auf "Bildungsinvestitionen" über den Bildungshaushalt gemacht. Statt mehr Lehrer, wissenschaftliches Personal, Erzieher und Pädagog einzustellen, werden Schulen, Krippen, Kindergärten und Universitätsgebäude saniert. Auf diese Weise werden wir zwar irgendwann wieder schöne Gebäude haben, jedoch sind die, die sie nutzen, zwischenzeitlich verblödet. Diese Investitionen in "Bildung" sind absichtliche Fehlallokationen von Geldern, die eigentlich der Bildung junger Menschen zu Gute kommen sollten. Die Instandhaltung der Infrastruktur, die zum Lernen und Lehren benötigt wird, müsste eigentlich aus anderen Töpfen finanziert werden.
Gleiches geht allerdings nicht bei der Infrastruktur, da dort kein Parallelhaushalt existiert, dessen Mittel man entsprechend zweckentfremden kann. Nun kommt unser weiser Wirtschaftsminister Gabriel auf die tolle Idee, die Wirtschaft solle doch ihre liquiden Mittel in die Hand nehmen und in öffentliche Infrastrukturmaßnahmen stecken. Man fragt sich, warum hier privates Geld öffentlich subventioniert super verzinst werden soll, wenn gleichzeitig die öffentliche Hand zur Zeit für so gut wie nichts Geld bekommt? (z.B. Staatsanleihen)
Man wolle keine neuen Schulden (siehe schwarze Null) heißt es. Aber man will Leuten, die zu viel Geld besitzen, aus Steuergeldern Zinsen bezahlen, die man derzeit auf dem Finanzmarkt nicht erwirtschaften kann, bzw. über Mautgebühren einen schönen "Return on Investment" ermöglichen, selbstverständlich auch wieder auf Kosten der Bürger. Eine dreistere Alimentierung derer, die schon haben, kann man sich kaum vorstellen. Und diese Idee kommt aus dem Hause, das von dem sozialdemokratischen (!) Parteichef geführt wird.
Man muss feststellen, dass diese Politik aus den Häusern Schäuble und Gabriel einen weiteren Rückzug des Staates aus seiner Kernverantwortung zeitigt, nämlich die Bereitstellung einer modernen und funktionstüchtigen Infrastruktur im weitesten Sinne (d.h. Straßen, Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser, schnelle Datenautobahnen etc. pp.), die für das Funktionieren einer modernen Gesellschaft im 21. Jahrhundert nötig ist.
Dieser Rückzug beschleunigt den Vormarsch der Privaten, die diese Infrastruktur nicht mehr gleichberechtigt kostenlos zur Verfügung stellen, sondern sich die Nutzung zahlen lassen. Wer dann oft an der Nutzung nicht mehr partizipieren kann, muss hier nicht eigens erwähnt werden. Abgesehen davon, dass der Staat damit seinem verfassungsmäßigen Auftrag nicht nachkommt, allen ungeachtet ihres sozialen Herkunft die gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, ist hier besonders erschreckend, dass dies von der Sozialdemokratie mitveranlasst wird.
Schwarze Null und die diversen Freihandelsabkommen, die gerade verhandelt werden (TTIP, TISA und CETA) weisen alle in die gleiche Richtung einer Gesellschaft, in der Inklusion, ob in den Bereichen Bildung, Kultur, Mobilität, Gesundheit usw., zukünftig ausschließlich über den Geldbeutel geregelt werden wird.