Die spanische Regierung legt ein E-Commerce-Gesetz vor
Kritiker fürchten, dass damit die Meinungsfreiheit im Internet beschnitten und indirekt Zensur ausgeübt werden kann
Um die europäische Richtlinie zum E-Commerce umzusetzen und einige rechtliche Probleme zu lösen, hat das spanische Ministerium für Wissenschaft und Technik ein Gesetz für die Dienste der Informationsgesellschaft und des E-Commerce vorgelegt. Doch bei einigen Kritikern stößt die Gesetzesvorlage auf erbitterten Widerstand, weil man in ihm einen Angriff auf die Freiheit der Kommunikation im Internet oder gar einen "digitalen Faschismus" sieht.
Für den Juristen Catlos Sanchez ist das "Ley de Servicios de la Sociedad de la informacion y de Comercio Electronica" (LSSI) - auch das "Ley Aznar de Internet" genannt - eine Möglichkeit, "mit rechtlichen Mitteln die Existenz von freien Gemeinschaften im spanischen Internet zu unterdrücken und mit einem Federstreich die Anonymität und die Meinungsfreiheit auszulöschen". Das sind schwere Vorwürfe an ein Gesetz, das doch angeblich nur die Grundlagen für eine weitere Entwicklung der Informationsgesellschaft legen und dazu auch die Rechte der Benutzer sichern will.
Die Kritik bezieht sich vornehmlich darauf, dass das Gesetz unter den "Diensten der Informationsgesellschaft" alle Anbieter versteht, deren Dienste aus der Ferne auf elektronischem Weg und durch den Aufruf des einzelnen Empfängers geliefert werden, worunter auch das Anbieten von Suchmaschinen, der Zugang und die Aufbereitung von Daten, die Übertragung von Information durch ein Telekommunikationsnetz zählen (el ofrecimiento de instrumentos de búsqueda, acceso y recopilación de datos, la transmisión de información a través de una red de telecomunicaciones). Damit könnten, wie die Kritiker warnen, akademische Veröfentlichungen oder auch Websites von NGOs, die regelmäßig Nachrichten bringen, unter das Gesetz fallen, das eigentlich für den E-Commerce gedacht ist.
Auffällig ist zumindest, dass ausdrücklich ausgenommen nur Teletext, Radio, Fernsehen, Dienste für Telefon, Telefax und Telex sowie der Austausch von Informationen über Email sind, sofern dieser nicht mit den Geschäftsinteressen der Beteiligten zu tun hat. Möglicherweise wären also auch Mailinglisten über Menschenrechtsverletzungen in den Umfang der "Dienste der Informationsgesellschaft" eingeschlossen. Problematisch daran ist, dass alle diese "Dienste der Informationsgesellschaft" nicht nur durch eine juristische Person registriert sein müssen, sondern auch einen permanenten eigenen Domainnamen besitzen müssen. Websites dürfen nicht anonym ins Netz gestellt werden, sondern der Name des juristisch Verantwortlich mitsamt Wohnort oder Adresse des Büros/Geschäfts müssen aufgeführt werden (Art. 9).
Artikel 11 verlangt von den "Diensten der Informationsgesellschaft", dass sie den Behörden alle ungesetzlichen Handlungen, die sie bemerken, mitteilen, diesen nach Aufforderung die Identität von Internetbenutzern aufdecken, bestimmte Dienste einstellen und bis zu sechs Monaten alle Verbindungsdaten von Verdächtigen speichern, wobei sie bei all dem die Datenschutzvorgaben achten sollen.
Die Zeitschrift Kriptopolis hat gegen LSSI eine Kampagne gestartet (weitere Informationen bei iBrujula. Nach dem Gesetz werde jede Online-Publikation, so einer der Vorwürfe, zu einer Art "Cyberpolizei", da sie mit einer Strafe von bis zu 100 Millionen Pesetas rechnen müsse, wenn sie die Auflagen nicht erfüllt. Eine Website, die nicht ordnungsgemäß registriert ist, könnte mit einer Strafe von 15 Millionen Pesetas rechen. Vorgesehen sind Strafen zwischen 3.000 Euros bei leichten Verstößen bis zu 600.000 Euros bei schweren Vergehen. Allgemein wird dem Gesetz vorgeworfen, dass es der Zensur Tür und Tor öffne und die Öffentlichkeit im Internet über Gebühr einschränke, da möglicherweise viele Initiativen oder NGOs die Auflagen nicht erfüllen können.
Kriptopolis gibt dafür das Beispiel einer Menschenrechtsorganisation, die sich keine eigene Domain leisten könne, aber eine Website einrichtet und auf dieser sowie mit einer Mailingliste Informationen weitergibt. Dadurch würde sich die Organisation bereits strafbar machen: "Wenn sie anonym bleiben wollen, was verständlich wäre, falls sie Menschenrechtsverletzungen in Spanien anprangern, würden sie gegen Artikel 11 verstoßen. Zusammen könnte die arme NGO mit einer Strafe von 175.000 Euros konfrontiert werden, nur weil sie eine Website gemacht hat. Die Botschaft für korrupte Politiker/Richter ist klar. Wenn es eine Gruppe mit einer ärgerlichen Website gibt, dann nehme man einfach das Gesetz und drohe ihnen mit enormen Strafen."