Die vielen Leben der Bäume
Seite 2: Alte Machtfragen und neue Hybrid-Hochhäuser
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Von den Japanern haben die westlichen Architekten gelernt, dass die Vorgeschichte des Holzes bedeutend ist. Woher kommt es? Welche Verarbeitungsketten hat es durchlaufen? Welche Holzsorte passt am besten wo ins Haus? Und wie alt ist es? Der Begriff der Nachhaltigkeit stammt aus der Waldwirtschaft und spielt auf den Kreislauf von Einschlag und Nachpflanzen an. Wer das alles missachtet, baut schlechte Häuser ohne die "Anschauungsformen" von (regionalem) Raum und (historischer) Zeit.
Den anderen Baustoffen ist Holz darin überlegen, dass es CO2 bindet. Diese Aussage bliebe jedoch Makulatur, wenn sie nicht konkret gefasst und umgesetzt würde. Wird Holz nach Abriss des Hauses verbrannt, verschlechtert sich die CO2-Bilanz. Dem könnte vorgebeugt werden, indem schon bei der Planung des Hauses überlegt würde, welche Hölzer wiederverwendet werden können. Überlieferte historische Bauten belegen die lange Lebensdauer insbesondere von Hartholz.
Holz ist sehr tragfähig bei relativ geringem Eigengewicht. Es bietet sich an für Aufstockungen auf mehrgeschossigen Häusern. Die Vorfertigung ist rationell und verkürzt beachtlich die Bauzeit. Die Modulbauweise ermöglicht die Anpassung an wechselnde Nutzungsbedürfnisse. Büro- und Wohnhäuser haben inzwischen die Grenzen zu Hochhäusern überschritten. Beim Höhenwachstum muss jedoch auch Nachteilen des Holzes Rechnung getragen werden. Beton wird nach wie vor eingesetzt. Von Hybrid-Bauten ist die Rede, wenn der feste Kern wie Treppenhaus und Fahrstuhlschacht aus Stahlbeton ist, der die Aussteifung gewährleistet. Seitwärtsbewegungen des Baus werden verhindert.
Nach den Normen der herkömmlichen Bauordnungen ist das Verhalten von Holzkonstruktionen im Brandfall defizitär, ebenso die Schalldämmung. Abhilfe schafft das Holz-Beton-Verbundsystem (HBV).3 Die vorgefertigten Deckenelemente bestehen aus Betonscheiben, die von Holzbalken getragen werden. Die Balken sind aus Brettschichtholz, übereinander in Faserrichtung gestapelten und verleimten Brettern. Große Spannweiten können erreicht werden. Das kommt dem Hallenbau zugute.
Flächigere Elemente können durch kreuzweise verleimtes Brettsperrholz hergestellt werden. Neuralgisch sind die Verbindungspunkte im Holz-Beton-Verbund, zumal Holz Quell- und Schwundprozessen unterliegt. Zum ökologischen Image passt nicht ganz, dass die Leime bzw. Klebstoffe Formaldehyd enthalten.
Wie viel Holz sollte an der Oberfläche (vor allem der Innenräume) sichtbar sein, um noch als Holzbau zu gelten? Die Frage sollte nicht dogmatisch, sondern pragmatisch gelöst werden: So viel Holz wie möglich, so viel Beton und Stahl wie nötig. Aber die Frage spielte auch eine Rolle im Streit, wo das höchste Holzhochhaus steht: in Wien oder in Brumunddal/Norwegen. Die Norweger tricksten die Österreicher aus, indem sie eine 3 m hohe Dachskulptur aufsetzen. Da stand es 85,4 m zu 84 m. In London werden 300 m angepeilt, in Tokio 350 m. Noch sind es Visionen.
Der Streit, wer die meisten Höhenmeter erreicht, ist so alt wie der Hochhausbau selbst. Paradigmatisch war die Pariser Weltausstellung von 1937, als Albert Speer einen lächerlichen Kampf um das höchste und machtvollste Ausstellungsgebäude führte, mit dem er die sowjetische Repräsentanz niederringen wollte. Dass die Mechanismen der Macht auch den Holz-Hochhausbau erfasst haben, kaum dass der Boom eingesetzt hat, bestätigt ungewollt der Architekt und Holzbau-Experte Michael Green, wenn er schreibt: Der Hochhaus-Wettstreit wird die Technologie beschleunigen.
Dient Holz als Alibi in einer Debatte um Hochhäuser, die technologisch, ja technokratisch geführt wird, um die städtebaulichen Zusammenhänge auszublenden? Diese Debatte wäre so isolationistisch wie Wolkenkratzer selbst, die seit je vom öffentlichen Raum und dem Sozialleben der Stadt abgewendet, introvertiert sind.
In München wollte jüngst ein Bauherr ein Hochhausprojekt, das Holzhybridelemente enthält, auf 115 m hochjubeln, aber noch hielt ein Bürgerentscheid von 2004 stand, der die Grenze bei 100 m ansetzt. Die Entwurfsidee wurde gestutzt.
Holzhochhäuser machen nicht per se die Nachverdichtung der Städte angenehm. Sie könnten jedoch in eine Stadtlandschaft integriert werden, die natürliche Ressourcen wie Wasser, Frischluft und Grün nicht länger dem Reste-Freiraum oder der Kanalisation vorbehält, sondern an die Häuser heranführt, bis sich Freiraum und Hausraum einander durchdringen. Beides zusammen wäre ein erfüllter Raum. Vom Zurückhalten des Regenwassers auf dem und am Haus bis zum Vertical Gardening gibt es bereits genügend Ansätze und Ideen, darunter Gemüseanbau für den Hausgebrauch auf den Etagen bei den Wohnungen.