Die zweiten Hauptsätze der Wärmelehre
Was im großen Maßstab wie banales Schulwissen erscheint, gewinnt im Quantenregime zusätzliche Dimensionen
Die Vorstellung, dass der Menschheit die Energie ausgehen könnte, scheint auf den ersten Blick widersinnig, In unserer Umwelt, das haben wir in der Schule gelernt, steckt so viel Energie. All die Wärmebewegungen der Teilchen, sollten die nicht nutzbar sein? Müssen wir in einem Süßwassersee verdursten? Tatsächlich bestand über viele Jahre hinweg noch Hoffnung. Forscher befassten sich zunächst mit der Konstruktion von Maschinen, die Energie aus dem Nichts erzeugen sollten (Perpetuum Mobile erster Art) oder die ohne Temperaturgefälle der Umwelt Wärme entzieht und in eine andere Energieform umwandelt (Perpetuum Mobile zweiter Art).
Es sollte bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts dauern, solchen Erfindungen die Grundlagen zu entziehen. Zunächst stellte Julius Robert Mayer die These auf, dass die Energie in einem abgeschlossenen System eine Erhaltungsgröße sei - das ist der bekannte Energieerhaltungssatz. Schon kurze Zeit später, 1854, bemerkte Rudolf Clausius, dass der Wirkungsgrad einer Maschine immer unter 100 Prozent liegen muss: Keine Konstruktion wird je alle zugeführte Wärmeenergie komplett in mechanische Arbeit umwandeln können. Den Anteil, der als nicht nutzbar an die Umgebung abgegeben wird, nannte Clausius Entropie.
Dieser zweite Hauptsatz der Thermodynamik lässt sich ganz unterschiedlich formulieren - etwa in der Art, dass ein Perpetuum Mobile zweiter Art unmöglich ist. Wärme kann nicht von selbst von einem Körper niedrigerer Temperatur auf einen Körper höherer Temperatur übergehen. Oder so: In einem geschlossenen System kann die Entropie nicht abnehmen - sie bleibt höchstens konstant, wenn es sich um einen reversiblen Prozess handelt.
Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik spielt in der Physik allerdings eine gewisse Sonderrolle: Es handelt sich um einen Erfahrungssatz, der noch nicht aus den Grundlagen der Physik hergeleitet werden konnte. Entsprechend können und müssen die Forscher immer wieder prüfen, unter welchen Bedingungen er gilt. Oder eben nicht gilt. So ging man bisher zum Beispiel davon aus, dass er bei Vielteilchensystemen in statistischer Form gilt. Es könnte also in einem größeren Gasvolumen durchaus kleinere Bereiche geben, in denen die Entropie von allein abnimmt.
Doch was passiert im Quantenregime, wenn viele unserer Erfahrungssätze plötzlich scheitern? In den Veröffentlichungen der US-Akademie der Wissenschaften (PNAS) befasst sich ein internationales Forscherteam damit. Die erste Schwierigkeit besteht hier darin, dass ein Prozess im "richtigen Leben" nur ungefähr zyklisch ablaufen muss, damit man davon ausgehen kann, dass hier der zweite Hauptsatz gilt. Für Systeme mit Quanteneigenschaften hingegen sind diese Bedingungen wesentlich genauer zu formulieren.
Tut man das - und so sind die Forscher vorgegangen - dann ergeben sich interessante Ergebnisse: Je nach Art der Randbedingungen gelten unterschiedliche Varianten des zweiten Hauptsatzes. Gleichzeitig entstehen auch unterschiedliche Arten von Entropie. Die ursprüngliche Formulierung und die Entropie im klassischen Sinn sind dann nur noch Mitglieder dieser Familie. Das liegt im Grunde daran, dass das Quantenregime die mögliche zeitliche Entwicklung von Zuständen naturgemäß beschränkt, und diese Einschränkungen schlagen sich auch in den verschiedenen zweiten Hauptsätzen nieder. Interessant ist dabei, dass sich aus der Wechselwirkung dieser Sätze von außen betrachtet ein Bild ergeben könnte, das wie eine Verletzung des zweiten Hauptsatzes aussieht.