Digitalisierung und Lobby: Transhumanismus
Seite 2: Digitalisierungs-Diskurse: Medien, Lobby und PR
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Nach ihrem Austritt aus der NRW-Regierung 2005 setzte Prof. Meckel ihre akademische Laufbahn nunmehr im Bereich "Corporate Communication" fort und wurde Institutsdirektorin an der renommierten Universität St. Gallen, nebenher war sie u.a. für die Lobbygruppe INSM und die Weltbank tätig und wurde Partnerin der bedeutenden PR-Beratung Brunswick Group LLP.
Hinter dem Wort PR verbirgt sich heute zunehmend ein Sektor, der von einigen als globalisierter Lobbyismus, von anderen sogar als privatisiertes Geheimdienstwesen gesehen wird: Man bearbeitet die Massen mittels Kundenprofilen, aber spioniert auch Konkurrenten und politische Gegner aus und lanciert neben normaler Werbung und PR etwa verdeckte Kampagnen gegen sie.
Die Transhumanisten der TPD scheinen dies im Blick zu haben, denn sie fordern unter 6.2 ihres Programms: "Erhöhung der Transparenz von wichtigen Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politik, beispielsweise durch die Offenlegung von Einkommen, Lobbyismus und Beteiligungsstrukturen".
Chemie- und Rüstungsfirmen sind Kunden, aber auch die Digitalisierung ist ein lukrativer Sektor von Brunswick: "We are a global team of strategists that focus exclusively on bringing digital into the corporate context."
Meckel übernahm für Brunswick 2005 den Aufbau des Berliner Büros und war damit für ein verschwiegenes Beratungsunternehmen tätig, Spezialisten für "Finanz- und Krisenkommunikation", die gute Kontakte zur Politik pflegen und z.B. auch Ex-Finanzminister Waigel (CSU) engagierten.
Das transatlantische Netzwerk ist dicht gestrickt um Medien-, IT- und Netzkonzerne, welche nicht nur bei den (inzwischen nur noch halb geheimen) Bilderberger-Konferenzen ihr jährliches Stelldichein feiern. Meckel war über den Brunswick-CEO Neil Wolin wohl nur wenige handshakes von US-Präsident Obama entfernt, der Wolin in sein Finanzministerium berief. Die Zusammenarbeit von Industrie und Politik läuft auch in den USA, "der besten Demokratie, die man für Geld kaufen kann", wie geschmiert.
Die neoliberale Medien-, Politik- und Finanzwelten sind dabei enger vernetzt und stehen in dunkleren Traditionen als viele glauben. Neil Wolin etwa war zuvor bei der Hartford-Finanzgruppe, die ITT 1970 übernahm. Damals hatte Allende in Chile die ITT-Kupferminen verstaatlicht und wurde in der Folge mit Hilfe von US-Außenminister Henry Kissingers CIA gestürzt, was den neoliberalen Chicago Boys ihren finanzpolitisch historischen Auftritt bei Diktator Pinochet erlaubte.
Brunswick ist besonders stark in London, wo man BP nach der Deepwater-Horizon-Katastrophe beriet sowie die Labour-Regierung in Sachen Deregulierung der Finanzmärkte. Organisieren Krisenberater am Ende die Krisen selbst, die ihnen nachher Kunden bringen? Nach dem Cambridge Analytica-Skandal von Facebook machte man sich jedenfalls bei der Krisen-PR-Beratung Brunswick Sorgen um Mark Zuckerberg, der persönlich als Datenschutz-Muffel unter Druck geraten war.
Facebook und die Kampagne gegen Google
Brunswick-Direktor der von Medienprofessorin Meckel aufgebauten Filiale in Berlin wurde Thomas Wimmer, der sein Handwerk zuvor elf Jahre bei Burson-Marsteller praktizierte, einer mit noch heikleren Kunden befassten PR-Agentur, darunter laut Lobbypedia die Atomkraft-Lobby, Rumäniens Diktator Ceaușescu, Monsanto, das Königshaus der Saudis, die Regierung von Argentinien, als sie wegen der Opfer der Pinochet-Diktatur PR-Probleme hatte; Burson-Marsteller-Senior-Adviser in Brüssel war übrigens die auch für Quandt- und Adenauer-Stiftung tätige Jutta Falke-Ischinger, Ehefrau von Atlantik-Brücken-Vorstand Wolfgang Ischinger, Ex-Diplomat und Teltschik-Nachfolger als Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz. Klein ist die Welt (der Transatlantiker).
Wie Meckel-Arbeitgeber Brunswick war auch Burson-Marsteller in Sachen Facebook tätig und engagierte sich dabei -man höre und staune!- für den Datenschutz. Im Mai 2010 wurde bekannt, dass die Agentur im Auftrag von Facebook verdeckt negative Berichte über Google in den Medien verbreiten ließ. Vielleicht mit Blick auf Googles Bestrebungen, im Sektor sogenannter "Sozialer Netze" zur Konkurrenz zu werden, wurde dabei der mangelnden Schutz der Privatsphäre durch Google angeprangert.
Ein "Corporate Communication"-Ablenkungsmanöver, das Lehrstoff bei Prof. Meckel werden könnte? Der Fall kam ans Licht, weil ein von Burson-Marsteller angefragter Blogger an die Öffentlichkeit ging, Facebook gab daraufhin zu, Burson-Marsteller beauftragt zu haben, so berichtet Lobbypedia.
Wenn unsere Machtelite sich derart umtriebig mit wahrhaft übermenschlicher, um nicht zu sagen transhumaner Energie in so viele unschöne Dinge verstrickt, kann sie schon mal unter Stress leiden.
Aber auch dessen Bewältigung lässt sich (mit den entsprechenden Verbindungen) wieder zu einem grandiosen Erfolg machen: 2010 gelang Miriam Meckel ein großer publizistischer Durchbruch mit ihrem (inzwischen auch verfilmten) autobiografischen Bericht über ihr Burnout-Syndrom, neben unzähligen anderen Buchpublikationen, auch zum transhumanen Thema Brainhacking.
KI-Hype übertrieben?
Die Professores Sorgner und Meckel sehen unisono unseren gerade erst erkämpften Datenschutz als nicht haltbar in der kommenden Digitalisierung. Beide führen an, dass Europa mit der neuen DSGVO "abgehängt" würden, vor allem von China. Während bei Meckel neben diesem technikdeterministischen Fatalismus noch Bedenken anklingen, bejaht Sorgner Big Data euphorisch.
Er hofft auf medizinische Revolutionen durch Big-Gene-Data, KI usw. die ohne Aufgabe der Privatsphäre angeblich kaum möglich wären. Transhumanisten hegen generell bombastische Blütenträume über Künstliche Intelligenzen, die uns Menschen einst behüten und umsorgen werden, zur gottgleichen Superintelligenz werden, das All erobern und vieles mehr (Schnetker 2019).
Einige KI-Kritiker sehen dagegen etwa in "lernfähigen neuronalen Netzen", die aktuell als KI gepriesen werden, einen aufgeblasenen Hype. Diese "KI" wären eher "spreadsheets on steroids" -Tabellenkalkulation auf Steroiden. So zitiert Schnetker in seiner Kritik der "Transhumanistischen Mythologie, den DARPA-KI-Experten John Launchbury (Schnetker S.75). Cathy O‘Neil kritisiert die unsozialen Folgen des Einsatzes solcher "KI" als klassistisch, rassistisch und sexistisch:
Sie versprechen Effizienz und Gerechtigkeit, manipulieren dabei jedoch die höhere Bildung, verursachen zusätzliche Schulden, fördern massenhaft Gefängnisstrafen, prügeln bei jeder Gelegenheit auf die Armen ein und untergraben die Demokratie.
Cathy O‘Neil, Angriff der Algorithmen
Der Transhumanismus ist also hinsichtlich seiner Prognosen teilweise fragwürdig, aber er muss sich angesichts lobbyistischer Verfilzungen und enormer Geldsummen, die auf dem Spiel stehen, auch fragen, wer und warum ihn finanziert.
Nachdem hier im Exkurs zum Lobbyismus beispielhaft einige Akteure der Machtstrukturen in unserer neuen Netzmedienwelt vorgestellt wurden, wird es im zweiten Teil um deren Methoden und Debatten um ethische Werte gehen. Dabei wird das "inverse Panoptikum" als Gegenmittel vorgestellt und der von einigen (wenigen) Transhumanisten betriebenen Relativierung des humanistischen Wertes der Menschenwürde entgegengetreten.