Disharmonie, Sabotage von Realitäten

Kunstverein und Kunsthaus Hamburg 29.11.96-19.01.97

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Die fortwährende Zerstreuung im totalen Kapitalismus hat triumphiert, indem die verbogene Kultur des Erfolges alle Konzepte und Ausdrücke von Widerspruch neutralisieren konnte. Die Ausstellung "Disharmonie, Sabotage von Realitäten" repräsentiert diese Krise, allerdings auf der Ebene von Kunst mehr als auf jener der öffentlichen Meinung. Der in Budapest lebende US-Soziologe Tom Bass und die ungarische Kunsthistorikerin Gabriella Bartha haben das anspruchsvolle Ausstellungskonzept und seine Realisation einer kritischen Würdigung unterzogen.

PRELUDE

Discord

Sabotage impliziert koordinierte Action und ein angemessenes, wenn nicht explosives Ergebnis: Vorhang auf für Investigationen, wachsame Überprüfung von Evidenz, gerichtsmedizinische Spurensicherung, Ketten und Handschellen, das aufrichtige Bekenntnis der Schuldigen, der Hammerschlag des Richters. "Disharmonie" verweist auf soziale Kämpfe und Protest, den spontanen Aufruhr des Mobs. Sowohl individueller Radikalismus als auch kollektives Unbehagen verdienen aufmerksame Behandlung jenseits der typischen Strategien der Repräsentation, die üblicherweise angewandt werden, um die Legitimität von Macht in ihren diversen Erscheinungsformen herauszufordern.

Enttäuschenderweise hat es den Anschein, daß zumindest bezüglich dieser in Hamburg vorgestellten Manifestation von Disharmonie und Sabotage die fortwährende Zerstreuung im totalen Kapitalismus triumphiert hat, indem die verzerrte Kultur des Erfolges alle Konzepte und Ausdrücke von Widerspruch neutralisieren konnte. Transnationale Unternehmen und die Reste der dahinschwindenden Staatsmacht widerstehen dem Unüberwachten und dem Unerlaubten, da sie sich der verläßlichen Unterstützung von Medienkonglomeraten sicher sein können, die mit dem Mantra der Objektivität bewaffnet sind und das katatonische Publikum davon überzeugen, daß es glücklich sei und daß jeder potentielle Saboteur dieses Glück bedroht. Dieses Monopol, gebildet aus der Allianz von Geld und Macht, versteht es in effektvoller Weise die Sabotage an die Kriecher zu delegieren. Die Unterhaltungsindustrie zerstreut jeden konkreten Angriff mit dem Köder des besseren Kaufangebots.

Doch trotz dieser düsteren Aussichten gibt es verläßliche Techniken, um jedes Ultimatum zum korrekten Verhalten zu umlaufen: Bildersturm, Ausschweifungen, Amoral, Schwindel, Fälschung, Falschmünzerei, etc. Sogar die Hervorhebung eines unbedeutenden Details, eines Ausschnitts aus dem Panoptikum der Zerstreuung, kann ausgesprochen relevant für das Paradox der Sabotage sein: Die Geschichte der Gulag-Bewohner in Form von Tättowierungen, ihre Bekenntnisse detailliert weidergebend, parallel zu den Gerichtsakten; die Entstellungen der menschlichen Spezies, wie sie in Freak-Shows gezeigt werden, z.B. eine Frau, die ihrem Publikum eine spektakuläre Metamorphose in einen Gorilla verspricht; Aurovilles meditative architektonische Glückseligkeit für die entfremdeten kosmopolitischen Europäer. Auf dem Gebiet der Kunst werden diese Gesten des Trotzes von Leuten vom Schlage Mark PaulineŽs Survival Research Laboratories, Artporn's burlesker Enthüllung von Kerker-Sex und CONTAINEDŽs jährlichen anarchischen Maschinenorgien in den Vororten von Linz in Beschlag genommen.

Nur wenige Mutige wagen es, das Leichentuch vom einbalsamierten Körper des Konsumerismus zu reissen und seine Sauberkeit mit dem Unreinen und dem Tabu zu schänden. Nur der außerordentliche Saboteur schafft es, den Willen, die Konzentration und die für die Durchführung nötige Energie zu sammeln, um das formalisierte Utopia, das uns von den Bildschirmen in aller Welt entgegenleuchtet, zu zerschmettern. Dennoch, die Interaktivität - dieses Ambrosia der Zukunft, diese behauptete Verschmelzung des Organischen mit dem Anorganischen, dieser Heilsbringer der Entfremdeten - bläst zum Gegenangriff, um die Erfahrung auf ihre Simulation und Replikation zu reduzieren. Verunsichert, mit diesem neuen Medium in Händen, das aus Gründen der Perfektionierung der gängigen populären Tranquilizer zusätzlich ins Spiel kam, sehen sich die Künstler dem Problem ausgesetzt, Medientechnologie entweder zu integrieren, zu manipulieren oder zu exorzieren, wohl wissend, daß sie sich immer dann im Unterbewußten ausbreitet, wenn jemand instinktiv zum Telefonhörer greift oder durch die Fernsehkanäle zappt.

"Disharmonie" unternimmt frustrierend wenig, um das Dilemma aufzulösen, ob der Prozeß der Verdinglichung (commodification) zurückgewiesen oder vereinnahmt werden soll.

Sechs thematische Zonen demarkieren die konzeptuelle Grundlage der Ausstellung: Kontrolle (Un/Sicherheit), Nachrichtendienste (Desinformation), Alltagsleben (Entfremdung), Grenzpolitik (der Seiltanzakt), Staatsmaschinerien (Gesetz, Disziplin, repression) und Science Fiction und Wirtschaft (die Verwaltung der Zukunft).

Diese Unterteilungen verwirren aber bloß die Einsicht in die wahren Grenzen des zwar lobenswerten aber unklaren Konzepts der Kuratoren. "Disharmonie" badet in Neutralität, unsicher, ob es die gängigen Hierarchien unterwandern oder stärken will. Der Ausstellung mißlingt es, einen greifbaren Kommentar zu liefern, wo der Keim des Widerspruchs wirklich liegen könnte, und repräsentiert den Anspruch der Thematik mehr als wirklich ein Fenster für eine Auseinandersetzung aufzustoßen.

Unter diesem Ausgangspunkt von Disharmonie und Sabotage betrachteten wir die realisierten und unrealisierten Einreichungen, Aktionen und Konzepte, welche an Stelle eher traditioneller Kunstobjekte vorgefunden wurden. Da die Wahl des Mediums frei war, sahen sich die Besucher mit einer vielfältigen Ansammlung von Kunstwerken konfrontiert, von Skulptur über Video zu Fotografie und gemischten Installationen reichend, von Aktionen bis hin zur Firmenwerbung.

Einsperrung/Haft

Reisepaß von NSK

Am Treppenaufgang zur Ausstellungshalle haben die Besucher die Möglichkeit, um einen Reisepaß der unleugbar populären NSK (Neue Slowenische Kunst) anzusuchen, was sowohl bürokratische Prozeduren als auch das Anstellen in einer langen Schlange miteinschließt. Ebenso besteht hier die Möglichkeit zu einer "interaktiven" Partie Mai Yong und somit zu einer Begegnung von Mensch zu Mensch mit chinesischer Logik. Oder man kann die Antragsteller für NSKŽs Reisepaß mit Lynn Hershmanns modifiziertem M-16 Sturmgewehr "erschießen" (das Gewehr zeigt im Sucher Kriegsbilder aus dem Fernsehen). Doch nur die rosa Spuren von Yukinori YanagiŽs Ameise und ihrer vierundzwandigstündigen Haft, sowie Gary Carsley's Ministry of Public Works sind wirklich interessant genug, um uns weitere Auseinandersetzung abzuverlangen. Der Erfolg von Yanagi's Wandering Position Projekt liegt im vorhersagbaren Ergebnis eines ethnologischen Experiments.

Gesamtansicht Gary Carsley

Die Subjekte des Experiments versuchen aus den Käfigen der experimentellen Versuchsanordnung zu entkommen. Damit stellen sie sowohl die physischen Grenzen in Frage als auch die zwischen wissenschaftlichem und künstlerischem Schlußfolgern, während sie auf die Proteste und Aktionen der Tierschützer gegen Tierversuche verweisen. Gary Carsley nähert sich dem Thema der "Einsperrung" mit einer Vorliebe für Glamour, mit mondänen Dekorationen, welche die Befreiung vom Vorgefertigten und Eingepackten suggerieren. Er spielt mit der Kultur der Verpackung, seine Dienste und Produkte denen anbietend, die bereit sind, ihren Geschmack an metallischen Blumen nachzugeben, Blumen, die uns an die erinnern, die in der Nähe von Friedhöfen verkauft werden. Tatsächlich, diese Blumen sind wie Buchstaben, die es uns erlauben, Gedichte aus "four letter words" über unsere (un)erfüllten Sehnsüchte zu komponieren,.

Täuschung

D.Nakayama, Car of Desire

Wer sich in den zweiten Teil der ersten Ausstellungshalle begibt, wird von den wohlgeformten, raumgreifenden Kurven von Daisuke Nakayama's Car of Desire 1995 angezogen. Die Versuchung jedoch, mit den Fingern über die polierte Oberfläche zu streichen, wird im Keim erstickt durch die kleinen Metallklingen, die Nakayama in die Oberfläche des Wagens eingefügt hat. Ohne diese beinahe unsichtbaren Barrieren würden wir, uns auf die lackierte hölzerne Oberfläche des Wagens zurücklehnend, sicherlich sofort in einen schläfrigen zustand versetzt werden, angesichts der Präsenz von Arbeiten wie Anja Wiese's Erfassungbereich, Louis Couturier and Jacky Lafargue's deja vu Poster Projekt, Birgit Brenner's unglückliche Trähnenrückführung und Mark Formanek's Archiv der 100 Statements, alle unzensiert.

Andreas Peschka's Stempelset für Attentäter beschäftigt sich auch mit der Versuchung. Auf Gummistempel reproduziert und für die eher skrupulös veranlagten Ausstellungsbesucher käuflich zu erwerben, dienen PeschkaŽs Fingerabdrücke als ein Katalysator des Verbrechens, während sie zugleich eine offizielle Ebene vorgeben. Es liegt im Geist dieser Arbeit, daß die Stempel aus der Glasvitrine, in der sie präsentiert werden, gestohlen werden können, um im Falle eines Verbrechens die Beweislast auf Peschka zu schieben. Frantisek Skala's Beitrag Sark, obwohl teilweise unzugänglich mangels englischer Übersetzung der ausführlichen philosophischen Erläuterungen zum Projekt, spielt mit den Rollen von Jäger und Gejagtem und den Techniken der Mimikrie und Täuschung, die sowohl für das Überleben von Tieren als auch von Menschen entscheidend sein können. Die großen Photographien, die den Künstler in verschiedenen Phasen von Angriff und Verteidigung zeigen, wurden retuschiert, um die Umrisse des Spielzeughais anzuzeigen, den der Künstler umklammert hält.

Nahberichterstattung

Verstreut in einer Melange der verschiedensten Versuche, Täuschung und Restriktionen darzustellen, zeigten Fernsehgeräte - nicht an Überwachungskameras angeschlossen außer im Fall von Andre Korpys und Markus Löfflers unbetiteltem Projekt, welches das Innere von Banken zeigte, ergänzt durch ein Diorama der Deutschen Bank - die Projekte anderer potentieller Saboteure. Doch ob nun Television Spots von Stan Douglas oder Hans-Peter Scharlachs Ohne Titel, so besaßen die meisten Arbeiten nicht mehr Qualität als solche von verwirrten Amateuren, die mit dem Equipment und gedrehtem Material nichts anzufangen wissen. Mit Ausnahme von Jayce Salloums Kan Ya Ma Kan machten wenige der gezeigten Videos auch nur den marginalen Versuch, zu der einseitigen Perspektive der kommerziellen Medien eine Alternative aufzuzeigen.

NUKLEUS

In einem abgetrennten Raum mit gedämpfter Beleuchtung nimmt Marcus BastelŽs Mixed Media Installation einen unverhältnismäßig großen Raum ein. Wäre das Projekt auf einen kleineren Raum beschränkt worden, so hätte das Bastel vielleicht gezwungen, seine Aussage auf eine elegantere Art zu treffen: Die Aussichtslosigkeit in der Welt der Konzepte Ordnung zu schaffen. Innerhalb dieses dunklen Zentrums, am Schwerpunkt der Ausstellung sozusagen, erwartet einen dasThe File Room Projekt von Antonio Muntadas, das die Praxis und Geschichte der Zensur katalogisiert. Eigentlich besser zum gutbeleuchteten Inneren einer Bibliothek passend, konnte dieser Online-Beitrag, isoliert von echten Archiven, die Besucher von Kunsthaus und Kunstverein weder bedrohen noch beeindrucken. Und nocheinmal mehr wurden wir mit Unverständlichkeit konfrontiert, bei Peter Iblher's Tunguska Index: Das Banale zur Signifikanz erhoben, durch die Projektion von Dias und Texten, welche die Tätigkeit von Geheimdiensten suggerieren und ihre unmoralischen und trotzdem ineffektiven Intrigen. Die letzte Komponente dieses abgedunkelten Kerns bildete Bea de Visser's ruhiges BLINK. Bezeichnet als ein Interior of Difference, atmete diese Installation den Frieden einer Unterwasserwelt, mit vereinzelten Gesichtern, die ineinander verschmelzen. Diese auf dem Wasser verschwimmenden Portraits konnten als ein subtilerer Kommentar über Anonymität gelesen werden.

ACTION

Unter jenen, die ihr Projekt als "Aktion" präsentierten, traf Heath Buntings magnetische Mail Art ins Herz der Konsumentenüberwachung. Die Prinzipien des Ladendiebstahls werden umgekehrt, der Streifencode wird der Autorität angeheftet, ins Antlitz der lokalen Postbotin, die das Foyer eines Ladens betritt, mit Heath BuntingŽs manipulierten Postkarten beladen. Der Alarm geht los und der Dieb wird festgehalten, doch zum Erstaunen aller ist es die Postbotin, die den Alarm ausgelöst hat. Es war erleichternd, sich solche Szenarios inmitten all der Enttäuschungen der Ausstellung auszudenken, enttäuschend sowohl in Bezug auf Disharmonie als auch auf Sabotage.

Jörgen Erkius unbetitelte Dekonstruktionen von Möbelstücken zeigte eine Abwandlung von Buntings Strategie zur Umkehrung der Hierarchie von Macht. Erkius hat ein Sofa und verschiedene Haushaltsgegenstände vorsichtigst auseinandergenommen und später mit Klebeband und Kleber wieder zusammengesetzt und sich diese Möbel nach Hause zustellen lassen. Hätte er das Publikum eingeladen, sich an der Dekonstruktion zu beteiligen, so hätte dieser Ausstellungsteil mehr Spaß gemacht.

Die Anwesenheit von NSK (Neue Slowenische Kunst) beruhte auf dem selben pseudo-faschistischem Konzept, das von ihnen bereits seit Jahren wiederaufbereitet wird, im Schulterschluß mit IRWIN und Laibach, den hegemonialen Kräften der slowenischen Kunst.

Frank Riepe manipuliert und adaptiert Verträge zwischen den Authoritäten und den nach Unabhängigkeit strebenden Bürgern der Gemeinde Seborga in Italien. Seine Invisible Embassy of Seborga sucht nach einem virtuellen Raum zur Etablierung eines neuen Staates, matt vorschlagend, daß ein Personenkult eingerichtet werden solle, für den jetzt noch unbenannten Autokraten, der von Legionen von Online-Bürokraten Unterstützung erhalten würde.

Das werbende Space-Lab von Cornelia Schmidt-Bleek feiert die Befreiung der Küche durch die Segnungen der Aeronautic im Aufsteigenden Konsumerismus der sechziger Jahre. Doch Schmidt-Bleeks Version dieser sentimentalen Ära trifft kaum irgendjemandes Nerv außer von denen, die Appetit auf ein steriles Lufthansa-Dinner haben. Und obwohl man es nicht als Action bezeichnen kann, erinnern die beiden E.E. PODS von Kenji Yanobe an das selbe Motiv der sechziger Jahre, an die Technologie des Kosmonauten, allerdings mit einem Unterschied: Seine/Ihre Notlandekapsel wird neben Snacks aus dem nächsten 24h-Non-Stop-Shop aufgereift und benötigt 1 Mark, um in Aktion zu treten.

KOMMERZ

Jan-Peter Sonntag's modern minimal disco 4 oder Nina Fischer und Maroan El Sani's nachgeäfftes New-Age-Utopia be supernatural sind weniger Parodie denn Parallele zu den Slogans und Logos des Kommerzes. Indem sie ihr Produkt The Second Hand Water zu bewerben und zu vermarkten suchen, bewahren Ingarsvala Thorsdottir und Shan Zhuan Wu zumindest noch Ironie und Sarkasmus über das Stimulieren der Kaufbegierde. "Technology to the People" unterrannten ihre Bemühungen, indem sie Konsumententechnologie an Habenichtse verteilten. Die chice Broschüre, als Beigabe zu den Geräten gemacht, verrät, wie das Leben der Besitzlosen angenehmer gemacht werden könne, etwa durch die "Maschine für Straßenzugang", die "Erholungskarte" oder den "Persönlichen Volkscomputer". Indem die Probleme derjenigen angesprochen wurden, die nicht "angeschlossen" sind, werden "Technology to the People" unweigerlich neue Patienten für Markus Kächs Institut für mediale Krankheiten produzieren. Neu in der Konzeption, aber mangelhaft in der Ausführung, verläßt sich der multimediale Untersuchungsraum in seiner Terminologie und Grafik auf Inhalte, die in jedem Handbuch zu einem Desktop Publishing Programm gefunden werden können, anstatt wirklich ein neues pathologisches Gebiet zu öffnen oder den Umstand zu betonen, daß Medizin mehr sein muß als ein neues Produkt. Korporatismus ist nicht die einzige Referenz in der Geschichte von Kunst und Medien, denn der Volkscomputer muß erst einen Erzeuger und Distributor finden, der ihn mit dem gleichen Enthusiasmus unter die Leute bringt, wie jemand anders einst den Volksempfänger.

EXEKUTION

Die Abfolge dieses kurzen Rundgangs durch die Ausstellung folgte der natürlichen oder willkürlichen Reihenfolge, in der die Rezensenten den Arbeiten begegneten und sie für sich gruppierten. So folgten wir weder den Zonen, wie sie in der Pressemappe ausgewiesen sind, noch den Zonen, die wie versprochen in den Plan des Ausstellungsführers eingetragen sein sollten. Das zu versuchen, hätte in einem Labyrinth geendet. Selbst nachdem wir die Presseinformation über die Aufteilung der Ausstellung in Zonen sorgfältig gelesen hatten, war es sehr schwierig, diese Zonen, und damit das Konzept von "Disharmonie" in der Realität der Ausstellung wiederzufinden.

Hinter diesem Problem schlummert das Versagen, das Potential der Ausstellung wirklich auszuschöpfen, indem man entweder die Pracht der aufsteigenden Diktatoren ausgebreitet hätte oder die schlüpfrig-schlauen Berechnungen der Produzenten des allgemeinen Konsens. "Disharmonie" hätte das Spektakel der Zerstreuung bereinigen können, stattdessen hat es seiner Agenda direkt in die Arme gespielt.

Diese Ausstellung, die höchst konzeptuell ist und für sich in Anspruch nimmt, ein Thema, mehr noch eine Strategie, zu haben, schließt leider jegliches sorgfältig recherchiertes oder geschriebenes theoretisches Material aus. Da ist zwar eine Referenz an Rene Block und Robert Filliou's "Friedensbiennale". Doch in diesem Fall verkümmert das zu einem leeren Slogan, was die Ziele der Ausstellung betrifft: "Unfriedliche Realitäten sichtbar machen". Vielleicht bringt der noch zu publizierende Katalog hier die Erleuchtung. Bei ähnlichen Ausstellungen ersetzt ja der Katalog meist den Besuch der Ausstellung, besonders angesichts des Mangels an Arbeiten, die wirklich die Sinne ansprechen.

Was zu dieser Unentschiedenheit noch beiträgt ist der Umstand, daß auch in alle nicht realisierten Einreichungen Einsicht genommen werden kann, was vielleicht ein Indikator für die Unentschlossenheit der Jury ist, welche Projekte wirklich die Realisierung verdienen. Die Besucher könnten so den Eindruck gewinnen, daß gerade die Arbeiten, die nicht realisiert wurden, ein größeres Potential zur Sabotage besitzen. Die meisten Arbeiten scheinen austauschbar bezüglich ihrer Zuordnung zu den Zonen, während die nicht realisierten, in Ordnern in einem Hinterzimmer gespeicherten Arbeiten in ihrer embryonalen, puren Verfassung, durch Selektion und Materialisation noch nicht verdorben, Hoffnung versprechen. Nichtsdestotrotz, "Disharmonie, Sabotage von Realitäten", soll Würdigung für das Verdienst gezollt werden, das Publikum mit einer Ausstellung inklusive ihrer "Neue Medien"-Paraphernalia konfrontiert zu haben, welche die Parallelen zwischen dem individuellen Saboteur, dem Künstler, und den kollektiven Formen von Disharmonie, der Gesellschaft, herausgestellt hat.