Diskrepanz zwischen Werbeaussagen und Realität

Die Bahn hält sich nur sehr bedingt an ihr Versprechen, jeden hitzegeschädigten Kunden "unbürokratisch" mit 500 Euro zu entschädigen

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Nachdem Telepolis und andere Medien Anfang letzter Woche darüber berichteten, dass hitzegeschädigte Bahnkunden sehr viel weiter gehende Ansprüche geltend machen können, als die Gutscheine, die ihnen das Unternehmen anbot, wert sind, verkündete das Unternehmen am Mittwoch, dass alle Betroffenen "unbürokratisch" mit 500 Euro entschädigt werden sollten. Einige Tage darauf zeigt sich allerdings, dass dieses Versprechen nur sehr bedingt eingehalten wird.

Von den versprochenen 500 Euro pro Person wurde bisher noch kein Cent ausgezahlt. Die 3800 angeblich entschädigten Fahrgäste und die insgesamt 219.000 Euro, von denen die Bahn derzeit spricht, beziehen sich bei genauerem Hinsehen ausschließlich auf Gutscheine, die aufgrund der bürokratischen Verwertungsbedingungen und einem Wechsel von geschädigten Kunden zu anderen Verkehrsmitteln nur zu einem Teil eingelöst werden dürften.

Foto: Jürgen Heegmann. Lizenz: CC-BY-SA.

Hinsichtlich der Bargeldentschädigung wurde zahlreichen Kunden, die bei der 14 Cent die Minute teuren Hotline anriefen und manchmal bis zu zwölf Minuten warten mussten, gesagt, dass die Zusage nicht für alle Fahrgästen gelte, die unter ausgefallenen Klimaanlagen leiden mussten, sondern ausschließlich für solche, bei denen der ganze Zug betroffen war. Doch auch dem Münchener Benjamin S., der tatsächlich in solch einem Totalausfall-ICE saß und aufgrund der daraus folgenden Dehydrierung tagelang mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte, sagte man angeblich, dass da "schon was Schlimmeres passieren" müsse, damit er für die 500 Euro infrage kommt. Ohne ärztliche Bestätigung, so scheint es, hat auch diese Gruppe von Betroffenen keine Chance.

Die Probleme mit den Zahlungen führten dazu, dass sich das Medieninteresse auch den anderen Entschädigungsfällen zuwendet, wo Kunden dem Unternehmen vorwerfen, die Fahrgastrechteverordnung zu unterlaufen und sich mit unlauteren Mitteln gegen die seit dem letzten Jahr bei unternehmensverschuldeten Verspätungen von mehr als 60 Minuten vorgeschriebenen Trostzahlungen zu stemmen. So verlangt die Bahn etwa das Einsenden der Originaltickets, behauptet aber vielfach, dass diese trotz gegenteiliger Beteuerungen der Kunden nicht vorliegen würden. Aus diesem Grund wandten sich Reisende unter anderem an das Eisenbahn-Bundesamt (EBA), das ein "Ermittlungsverfahren" dazu bestätigt.

Mittlerweile gibt es auch erste Vorschläge aus der Politik, wie dem von ihr maßgeblich mitverschuldeten Zustand abgeholfen werden könnte: Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, der zugab, dass es einen Zusammenhang zwischen den regelmäßigen Skandalen und den Börsengangsplänen gibt, stellte in Aussicht, dass die Klimaanlagen in den älteren und auf lediglich 32 Grad ausgerichteten ICE-2-Zügen "angepasst" und zu "sicherheitsrelevanten Bauteilen" erklärt werden, weil sie erwiesenermaßen zu Gesundheitsschädigungen führen können.

Auch Erik Schweickert, der verbraucherschutzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sah am Wochenende in der Süddeutschen Zeitung Handlungsbedarf und forderte, der Bund müsse als Eigentümer der Bahn die Unternehmensführung so umgestalten, dass ein Vorstandsmitglied ausdrücklich mit Verbraucherfragen betraut wird. Zudem regte er an, die von Brigitte Zypries sehr unternehmensfreundlich gestaltete Fahrgastrechteverordnung zu ändern und Trostzahlungen in Höhe eines Viertels des Fahrpreises bereits ab einer halben Stunde Verspätung zu gewähren. Ab einer Stunde Verspätung soll der Fahrgast dann 50 Prozent des Kartenpreises zurückfordern können.