Donald Trump rastet aus
Entgleisung des Präsidenten während einer skandalösen Pressekonferenz verschafft der extremen Rechten der USA weiteren Aufwind
Schlimmer geht's immer: Den skandalgewohnten Medien in den Vereinigten Staaten gehen so langsam die Superlative aus, um die immer neuen Absurditäten des US-Präsidenten zu kommentieren. Die jüngste Pressekonferenz des Präsidenten, stilecht gehalten in seinem goldenen Turm, dem Trump Tower in New York, hat jedenfalls alle bisherigen Negativrekorde gebrochen. Im Endeffekt hat Trump die jüngsten rechtsextremen Aufmärsche in Charlottesville legitimiert und die Schuld für die rechten Gewaltexzesse, in deren Verlauf die Antifaschistin Heather Heyer ermordet und 19 Demonstrationsteilnehmer zum Teil schwer verletzt wurden, den Gegendemonstranten zugeschoben.
Es war eine Entgleisung des Präsidenten, die in die Geschichte eingehen werde, kommentierte CNN die wütenden Ausfälle Trumps. Der kämpferische Präsident habe "seine authentische Seele geöffnet" - in einer historischen Presskonferenz, die zu einem "Wendepunkt seiner Präsidentschaft" werde. Der Präsident sah in bei Teilnehmern des Naziaufmarschs, bei dem Hakenkreuzfahnen mitgeführt wurden, auch "gute Leute" mitmarschieren. Überdies seien die Gegendemonstranten, die sich den Fackelzügen und Hakenkreuzlern entgegengestellt haben, "sehr, sehr, sehr aggressiv" gewesen, so Trump wörtlich.
Zudem verurteilte der Präsident die Entfernung rassistischer Südstaatendenkmäler aus den Innenstädten im Süden der USA, indem er die Sezessionisten des Sklavenhalter-Südens mit den Gründervätern der Vereinigten Staaten gleichsetzte: "Diese Woche ist es Robert E. Lee. Ich merke, dass nun auch Stonewall Jackson geschleift wird. Ich frage mich, ist Washington als nächster dran. Und Thomas Jefferson in der kommenden Woche?"
Die New York Times sah in diesen Äußerungen Trumps eine "eindeutige Förderung weißer Rassisten". Der Präsident habe "Aktivisten, die gegen Rassismus protestierten", mit den Neonazis gleichgesetzt, die "Charlottesville verwüstet" haben, so die NYT. Laut der Washington Post habe der Präsident sich eindeutig auf der Seite der "Alt-Right-Bewegung positioniert".
Der New Yorker machte in einer Analyse der Ausfälle Trumps klar, dass der Präsident nicht einfach die Nazis mit den Gegendemonstranten gleichsetzte, sondern die Antifaschisten sogar für das größere Übel hielte. Für USA Today war klar, dass die cholerischen Ausfälle Trumps den rechtsextremen Terrorismus in den USA weiteren Auftrieb verschaffen werden. Die demokratische Politikern Elizabeth Warren beschrieb die Äußerungen Trumps als "krank". Der Präsident habe "Neo-Nazis verteidigt und die Schuld denjenigen zugeschoben, die diesen Rassismus und diesen Hass verurteilen".
Amerikas Nazis: "Das ist erst der Anfang"
Die Reaktionen Seitens der extremen, offen faschistischen Rechten auf diese Ausführungen waren euphorisch. Die Faschisten Amerikas fühlen sich beflügelt von dem Auftritt ihres Präsidenten. Der prominente Naziführer David Duke dankte in einer ersten Stellungnahme seinem Präsidenten für die "Ehrlichkeit und Courage", mit der er sich gegen "linken Terrorismus" aussprach.
Richard Spencer, der Anmelder der Demonstration in Charlottesville, der kurz nach dem rechtsextremen Terrorakt die Stadt unter Polizeischutz verlassen musste, sprach von einer "fairen und erdnahen" Stellungnahme Trumps. Spencer kündigte in den kommenden Wochen weitere Aufmärsche in Charlottesville an.
Rechtsextremisten erklärten gegenüber Medienvertretern, dass sie Charlottesville als einen vollen Erfolg sehen. Dies sei "nur der Anfang" gewesen. Der "weiße Nationalist" Matthew Heimbach erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AP, dass Charlottesville ein "unglaublicher Sieg" für die extreme Rechte in den USA sei. In der Szene zirkulierten bereits Aufrufe, ähnliche Aufmärsche im ganzen Land zu organisieren.
Jeff Schoep, Führer der Nationalsozialistischen Bewegung, bewertete die Demo ebenfalls als "sehr gut". Die Entfernung von Südstaatendenkmälern sei Teil eines "Kreuzzuges gegen die Weißen", so Schoep, der ähnlich wie Trump argumentierte: "Es ist ein Angriff auf die amerikanischen Freiheiten. Heute sind es konföderierte Monumente, morgen kann es die Konstitution oder die amerikanische Fahne sein."
Mitglieder des Ku Klux Klan legitimierten sogar den Terrorakt von Charlottesville gegenüber Medienvertretern. Er sei froh, dass die Gegendemonstrantin Heather Heyer getötet wurde, erklärte der Führer der "Loyalen Weißen Ritter des Ku Klux Klan" in Pelham, North Carolina: "Sie waren ein Haufen Kommunisten, die gegen unsere Redefreiheit demonstrieren, deswegen stört es mich nicht, dass die Schaden erlitten. Ich denke, wir werden zukünftig solches Zeug öfter sehen auf Veranstaltungen weißer Nationalisten."
Diese offene Befürwortung rechtsterroristischer Gewaltexzesse durch den KKK geht einher mit der Ausbildung absurdester antisemitischer Verschwörungstheorien in der rasch anschwellenden rechtsextremen Szene der USA. Der erfolgreiche Verschwörungsproduzent Alex Jones behauptet etwa, die Juden stecken hinter den rechten Provokationen und Ausschreitungen. Es seien "jüdische Schauspieler", die sich als KKK-Anhänger verkleideten, um "Zusammenstöße zu provozieren". Mann könne sogar ihr jüdisches "krauses Haar" sehen, so Jones.
Diese wahngetriebene Mobilmachung der extremen Rechten geht einher mit verstärken Anstrengungen, die verhassten konföderierten Symbole des Rassismus in den Südstaaten der USA endlich aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Nach dem rechtsextremen Terrorakt von Charlottesville sei die Debatte um die Entfernung der Denkmäler in vielen Städten neu entbrannt, berichtete CNN. Mehr als ein Dutzend Städte und Gemeinden habe entweder die Beseitigung der Monumente bereits beschlossen, oder dies befinde sich in den Gemeinden in der Diskussion.
Mitunter nahmen in Reaktion auf Charlottesville engagierte Bürger und Aktivisten die Sache selber in die Hand. In Durham, North Carolina, haben Demonstranten die Statue eines konföderieren Soldaten umgestoßen, die in der Stadtmitte 1924 aufgestellt worden war. Landesweit fanden antifaschistische Solidaritätskundgebungen mit den Opfern des rechten Terrors in Charlottesville statt, bei denen unter anderem die entschiedene Beseitigung aller rassistischen Symbole in den Südstaaten gefordert wurde.
Die zunehmende Konfrontationstaktik der extremen Rechten hinterlässt auch in der US-Administration ihre Spuren, in der verschiedene rechte und oligarchische Fraktionen verbissen um die Macht kämpfen. Nach dem Terrorakt von Charlottesville schossen Spekulationen in den US-Medien hoch, der rechtsextreme Trump-Berater Steve Bannon - zuvor Herausgeber der rechtsextremen Beitbartnews - werde endlich seinen einflussreichen Posten als "Chefstratege" des Weißen Hauses verlieren.
Die "historische" Entgleisung Trumps bei seiner letzten Pressekonferenz kann somit als ein Sieg Bannons und somit des rechtsextremen Flügels im Weißen Haus gewertet werden.
Eine "neue Art von Bürgerkrieg"?
Inzwischen wird es einsam um den Präsidenten - während sein Stellvertreter Mike Pence sich als ein potenzieller Nachfolger in Stellung bringt. Ein Großteil der republikanischen Politelite distanzierte sich von den Äußerungen Trumps, die einem politischen Sprengsatz für die ethnisch und kulturell diverse amerikanische Gesellschaft gleichkommen.
Überdies verlassen immer mehr Führungsfiguren aus den Gewerkschaften und der Industrie die Beratergremien der Regierung Trump. Zuletzt verließ der Vorsitzende des Gewerkschaftsverbandes AFL-CIO den Wirtschaftsrat der Regierung. Zuvor sind vier Industrievertreter und zwei weitere Spitzengewerkschafter auf Distanz zur Regierung gegangen.
Dennoch könnten die Dämme brechen, die eine öffentliche und offene Befürwortung des allgegenwärtigen Rassismus in den USA bislang zumindest pro forma verhindern. Newt Gingrich, der Rechtsaußen der Republikaner, sieht in der Entfernung rassistischer Denkmäler eine "demagogische" Befriedigung der Wünsche schwarzer Bürger. Die Demonstranten, die gegen Rassismus und dessen Symbole protestierten, bezeichnete Gingrich gegenüber dem Sender Fox-News des berüchtigten reaktionären Milliardärs Rupert Murdoch als einen "Mob".
Überdies will die Kritik an dem Polizeiapparat während der Ausschreitungen in Charlottesville nicht verstummen, der durch eine bemerkenswerte Passivität gegenüber der rechten Gewaltorgie auffiel. Afroamerikanische Opfer der rechten Gewalt geben inzwischen an, dass die Polizeikräfte "indifferent" gegenüber den Gewaltakten waren, die sich mitunter direkt neben Polizeistationen ereigneten.
Der berüchtigte Rassismus amerikanischer Polizeikräfte, der sich in entsprechenden Todesstatistiken schwarzer junger Männer empirisch manifestiert, kam im Gefolge des rechten Terrors in Charlottesville auch explizit zum Vorschein. Die Polizei in Springfield, Massachusetts, muss sich beispielsweise mit Äußerungen eines Polizisten auseinandersetzen, der den Terrorakt bejubelte. Es sei ein "Disziplinarverfahren" eingeleitet worden gegen einen "guten Mann, der eine dumme Bemerkung" gemacht habe, hieß es seines der Polizeiführung vielsagend.
Angesichts dieser zunehmenden Polarisierung der krisengeschüttelten US-Gesellschaft, in der die weiße Mittelklasse einem beständigen sozioökonomischen Erosionsprozess ausgesetzt ist, fragte sich der New Yorker, ob das Land nicht am Rande einer "neuen Art von Bürgerkrieg" stehe.
Die Auseinandersetzungen um die Denkmäler des letzten Bürgerkrieges könnten den Funken für einen neuen Bürgerkrieg liefern, erklärte ein Experte gegenüber dem Ostküstenblatt: "Es ist wie in 1859. Jeder ist wütend über irgendetwas und jeder hat eine Waffe." Trump habe "Gewalt als ein Mittel der Politik" etabliert, so Keith Mines, der die Bürgerkriege in einem Dutzend zerfallener Staaten in den vergangenen Dekaden beobachtet und analysiert hat: "Wir sagen uns, dies kann bei uns nicht passieren, aber dann, verdammt, es kann doch so kommen."
Dabei würden die heutigen Bürgerkriege nicht durch Großschlachten und geografische Frontverläufe geprägt, so Mines. Es seien vielmehr oftmals Konflikte "niederer Intensität", ohne klare Frontverläufe, die durch "episodische Gewaltausbrüche" gekennzeichnet seien. Diese Definition "neuartiger" Bürgerkriege, wie sie etwa in Mittelamerika toben, könnte auch auf den Begriff des molekularen Bürgerkriegs gebracht werden, der zuerst von Enzensberger geprägt worden ist.