Drohnen: Rakete oder Flugzeug?
USA will UAVs wie den MQ-9 Reaper als "Flugzeug" deklarieren, um China vom Drohnenmarkt zu verdrängen
Nach dem Ausstieg aus dem INF-Vertrag und dem Open Skies- Abkommen will sich die Trump-Regierung nun den Beschränkungen des Missile Technology Control Regime (MTCR) entziehen. Dadurch soll es amerikanischen Rüstungsherstellern ermöglicht werden Kampfdrohnen (UAVs) uneingeschränkt an alle Staaten verkaufen zu können. Im Hintergrund steht die Dominanz chinesischer Drohnen auf dem Markt.
Das MTCR ist ein 1987 eingeführtes Abkommen zwischen mittlerweile 34 Nationen, das den Export bestimmter Langstrecken-Marschflugkörper und -Drohnen regelt, mit dem Ziel die Verbreitung von ballistischen Raketen für nukleare, biologische und chemische Waffen zu verhindern. Unter diese Richtlinien fallen Kampfdrohnen. Diese Klassifikation plant die Trump-Regierung seit 2017 schon zu erneuern. Technisch gesehen seien UAVs Flugzeuge und keine Raketen.
Zur Neuinterpretation des Waffensystems trägt maßgeblich das Mitchell Institute for Aerospace Studies bei, dessen jüngster Bericht feststellt, dass ein Festhalten am MTCR chinesischen Rüstungsfirmen in die Hände spiele. "Die Vereinigten Staaten werden nach wie vor durch die Exportrichtlinien und -beschränkungen des MTCR behindert", schreibt Heather Penney in dem Bericht:
"China, das nicht Mitglied des MTCR ist, nutzt dieses Marktvakuum, um seinen Einfluss auszuweiten, sich einen nachrichtendienstlichen Vorteil zu verschaffen und die Sicherheitsbündnisse der USA zu gefährden."
Derzeit sei es für die USA einfacher an seine Bündnispartner Kampfflugzeuge zu verkaufen als unbemannte Kampfdrohnen, was dazu führe, dass sich diese Staaten mit ihrer Nachfrage nach Kampfdrohnen an China wendeten. Bislang haben nur Großbritannien, Frankreich und Italien eine bewaffnete Version der MQ-9 Reaper (engl. "Sensenmann") gekauft, während andere US-Verbündete, darunter Jordanien, das aufgrund der MTCR-Richtlinien keine US-Drohnen kaufen durfte, chinesische Drohnen wie die CH-4 fliegen.
Auch die Vereinigten Arabischen Emirate hat China mit Drohnen ausgestattet. Seit 2014 hat China an Saudi-Arabien 30 CH-4 Drohnen verkauft, seit 2017 verfügt das Königreich über eine Lizenz zur Herstellung der CH-Serie.
Lufthoheit
Die chinesischen CH-4 (genannt "Regenbogen") sind bereits im Einsatz. "Ägypten, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und der Irak haben alle die bewaffnete Version CH-4B erworben und dieser Drohnen-Typ wurde bei Operationen im Jemen und gegen IS-Ziele im Irak in großem Umfang eingesetzt", berichtet The National Interest. Allerdings sollen die CH-4 nicht so gut sein. Die jordanische Luftwaffe habe im Juni 2019 ihre eigenen sechs CH-4 zum Verkauf angeboten.
Doch auch andere Länder spielen mittlerweile eine Rolle auf dem Drohnenmarkt. "Die Türkei steht kurz davor, ein wichtiger UAV-Exporteur mit nachgewiesener UAV-Kampfleistung zu werden", heißt es im National Interest. Im März hat die Türkei etwa ihre Kampfdrohne "The Anka" im Syrien-Krieg eingesetzt. Mit der Ukraine arbeitet die Türkei an einer Langstreckendrohne.
Die Analysten der Informationsgruppe Jane's schätzen, dass in den nächsten 10 Jahren weltweit mehr als 80.000 Überwachungsdrohnen und fast 2.000 Angriffsdrohnen angeschafft werden. In den nächsten 10 Jahren werden die USA voraussichtlich mehr als 1.000 Kampfdrohnen kaufen.
In Sachen AI, Super-Computer, 5G oder eben UAVs, die USA sollen sicherstellen, "dass die Zukunft nicht das Markenzeichen 'Made in China' trägt", so Arthur Herman, Senior Fellow am Hudson-Institut und Direktor der Quantum Alliance Initiative.
"Diese modernen Systeme mit ihren hochentwickelten Sensor- und Kommunikationssystemen und der Fähigkeit, mit ihren Nutzlasten einen mächtigen tödlichen Schlag zu versetzen, stellen die Zukunft der amerikanischen Luftwaffe dar."
Auch auf dem Markt der ultrapräzisen Tötungsmaschinen sollen die USA China verdrängen.
Konflikte schüren
Die Trump-Regierung treibt die Überarbeitung ihrer Drohnen-Exportpolitik unter dem Druck amerikanischer Hersteller und trotz der Einwände von Menschenrechtsverfechtern voran, die vor dem Risiko warnen, die Instabilität in Krisengebieten wie dem Nahen Osten und Südasien zu schüren.
Zuletzt begann die US-Luftwaffe damit, Spionagedrohnen und B-1B-Bomber über das umstrittene Südchinesische Meer zu fliegen, da die Spannung über die chinesischen Militäraktivitäten in der Region angeblich zunimmt. Die Luftwaffe der Republik China (ROCAF) in Taiwan hat im Mai zudem verkündet, vier MQ-9 Reaper bestellen zu wollen.
Expandierte Verkäufe bewaffneter Drohnen könnten globale Konflikte verschärfen, sagte Rachel Stohl, eine Waffenexpertin am Stimson Center in Washington, einem Think Tank, der sich gegen die Verbreitung von Waffen wendet: "Sobald sie die Kontrolle der USA verlassen, verlieren wir unsere Fähigkeit, zu beeinflussen, wie und wo sie eingesetzt werden."
Doch auch unter der Kontrolle der USA ist die Transparenz nicht gegeben. Tatsache ist, dass niemand genau weiß, wie viele Kämpfer und wie viele Unschuldige in den US-Drohnenkriegen getötet wurden. Es gibt nur Schätzungen, etwa vom Bureau of Investigative Journalism, die 8.858 bis 16.901 Tötungen zählen, darunter 910 bis 2.200 Zivilisten und 283 bis 454 Kinder.
Es wird erwartet, dass das Außenministerium die ersten Drohnenverkäufe nach der neuen Regelung bereits in diesem Sommer genehmigen wird.